Tod im Maisfeld. Herbert Weyand

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Tod im Maisfeld - Herbert Weyand страница 5

Tod im Maisfeld - Herbert Weyand KHK Claudia Plum

Скачать книгу

der Aminosäuren und ungesättigten Fettsäuren das Ausmaß der Verwesung ermitteln.« Knut führte etwas weiter aus. »Aufgrund des abnormen Zustandes der Leiche muss ich warten, bis ich im Labor auf meine Einrichtung zurückgreifen kann. Letztendlich wird die Rechtsmedizin in Köln das abschließende Gutachten geben. Aber das weißt du auch alles. Im Moment kann ich bestenfalls eine Schätzung vornehmen. Das Wetter, die ungewöhnliche Zersetzung des Gewebes«, er kniff seine Nase, »ungefähr zwei Monate … plus, minus. Mehr geht im Moment nicht.«

      »Danke.« Claudia verließ schaudernd das Maisfeld auf dem Weg, den die Kollegen als Zugang markiert hatten. Auf dem Wirtschaftsweg traf sie wieder auf Heinz.

      »Mich wundert, dass dein Grabräuber noch nicht hier nicht.« Er konnte die Anspielung auf Claudias Lebensgefährten nicht lassen.

      Vor einigen Monaten ermittelte die Aachener Kripo in der Gegend wegen einiger Leichenfunde im Heidegebiet. Während des Falles lernte Claudia Kurt Hüffner kennen, der damals ein Indiz von den Leichen hatte mitgehen lassen. An diesem Mann blieb sie tatsächlich kleben. Er besaß einige Macken, die deutlich anders waren, als die, die sie bei ihren bisherigen Bekanntschaften feststellte. Sein Leben bestimmte, neben dem Beruf, der Rhythmus des Dorfes. Das karge Leben der Vergangenheit prägte die Bewohner immer noch. Sie lebten mit einem leichten Hang zum Mystischen, der sich umso ausgeprägter, je älter die Einwohner wurden. Sie lebte nun seit einigen Wochen mit Kurt zusammen.

      »Ehrlich gesagt, mich auch. Sonst ist er meist vor uns am Fundort der Leichen.« Die wenigen Wochen, die Claudia jetzt hier wohnte, fühlten sich wider Erwarten gut an. Die Ruhe, die Gegend und die Menschen gefielen ihr. Es war nicht weit nach Aachen zum Leben einer Großstadt und die wenigen Kilometer zu den holländischen Metropolen Maastricht und Heerlen versprachen Abwechslung. »Komm‹ wir setzen uns einen Moment dort auf die Bank. Das Häuschen haben Nachbarn für ein Original im Dorf gebastelt.« Claudia zeigte auf den kleinen Unterstand, der in die Hecke gebaut war. »Wie ich hörte, war er ein liebenswerter Mensch, der jedoch schon einige Jahre tot ist. Er verteilte Bonbons an die Vorbeikommenden. Hier habe ich mich einige Male von meiner Erschöpfung nach der Entführung erholt. Der beste Platz, um Gott und Pott kennenzulernen.« Ihre Gedanken tauchten kurz in die jüngere Vergangenheit und die Depressionen, die nach dem Kidnapping kamen. Einige Wochen erkundete sie in langen Spaziergängen die Umgebung des Dorfes und im Weiteren das Heidegebiet. Das blies den Kopf frei und die unliebsamen Erlebnisse rückten in den Hintergrund. Mittlerweile schlief sie die Nächte durch.

      »Was mag dort geschehen sein?« Heinz zeigte fahrig zum Maisfeld hinüber.

      »Keine Ahnung. Wir müssen abwarten, was uns die Kollegen liefern. Das dauert einige Zeit.« Sie schüttelte sich. Der fürchterliche Anblick stand vor ihren Augen.

      »Theoretisch könnte es ein natürlicher Tod sein.« Heinz überlegte laut.

      »Das glaubst du selbst nicht. Eine Frau zieht sich nackt aus und geht ins Feld zum Sterben. Was ist los mit dir?«

      »Ich habe keine Lust mehr«, sagte er müde. »In diesem Jahr hatten wir so viele Leichen, wie seit Jahrzehnten nicht. Ich muss das nicht mehr haben.«

      »Du willst mich doch nicht allein lassen«, sie stieß ihn freundschaftlich in die Seite.

      »Hör‹ auf. Meine Nerven sind nicht mehr so stark. Scheinbar wird das Nervenkostüm dünner, je älter man wird.« Heinz spielte seit einiger Zeit mit dem Gedanken an die Pension. Es fiel schwerer, morgens aufzustehen und die Knochen in Gang zu bekommen.

      »Bei dir nicht. Du bist unverwüstlich.« Claudia dachte mit Schrecken daran, dass Heinz eines nahen Tages nicht mehr zum Team gehörte. Er war zwar ein alter Motzkopf, aber seine Ideen und Erfahrungen waren Gold wert. Und außerdem ... gehörte er zu ihnen. Das Team wäre kein Team mehr.

      *

      »Also. Hier ist das gerichtsmedizinische Gutachten zu der Leiche. Die Kollegen haben die Nacht über gearbeitet.« Maria hielt Claudia einen dünnen Ordner hin. »Ich habe alles ausgedruckt, weil unser Alterchen sich partout nicht mit dem PC anfreunden will.« Sie knipste mit dem Auge zu Heinz hinüber, der schon hochfahren wollte.

      Maria ergänzte die Truppe um Claudia. Anfang fünfzig und mit einer, was man landläufig als frauliche Figur bezeichnete, ausgestattet, was besagte, dass die Pölsterchen an den richtigen Stellen saßen. Durch ihre humorvolle Art wirkte sie wesentlich jünger. Die rehbraunen Augen täuschten so manchen. Sie konnte knochenhart werden. Im Moment durchlebte sie eine blonde Phase. Der modische Kurzhaarschnitt modellierte das ovale Gesicht mit den ausdrucksstarken geschminkten Lippen. Ein knalliges dunkles Rot. Maria trug enge Jeans, die ihre weiblichen Proportionen betonte. Dazu eine dreiviertellange helle Bluse, die über dem Bauchnabel geknotet war.

      »Dann bin ich aber gespannt. Ich habe schon viel gesehen, doch der gestrige Anblick geht mir nicht aus dem Kopf.« Claudia schlug die Kladde auf.

      Die letzte Nacht war ein Albtraum. Diesmal verfolgte sie nicht die Dunkelheit, sondern der eklige Anblick der Leiche. Sie schauderte, wenn sie sich vorstellte, was nach ihrem Tod für Viehzeugs an ihr herumknabberte. Für sie kam nur Kremieren infrage, das stand fest. Aber … hier in diesem Dorf, nagte hinten in ihren Gedanken ein Zweifel, ob es nicht doch ein Leben nach dem Tod gab. Die Einheimischen waren, bei allem Aberglauben, dem sie unterlagen, so überzeugt davon, nach ihrem Ableben, in irgendeiner Art und Weise, entweder wieder aufzuerstehen oder im Jenseits weiterzuleben. Claudia schüttelte die Gedanken ab und lenkte die Konzentration auf die Kladde.

      »Weiblich … das wussten wir schon. Alter zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig; dunkelbraunes Haar; eins fünfundsechzig groß. Keine Identifizierungsmerkmale, wenn wir vom Gebiss absehen. Dazu sind Zahnärzte angemailt. Die Leiche lag mindesten acht Wochen in dem Feld, wenn nicht länger. Der ungewöhnliche Verwesungsprozess entstand durch eine defekte Wasserleitung. Der Bauer gegenüber hat eine Leitung vergraben, die zur Kuhtränke führt. Die Tote lag genau in einer Mulde, in der das Wasser austrat. In der warmen Luft des diesjährigen Sommers zog der Körper ständig Feuchtigkeit und verfaulte faktisch, anstatt auszutrocknen. Unzählige Tiere haben die Leiche mehrere Wochen zerfleddert und in der gesamten Gegend verstreut. Einen annähernd genauen Todeszeitpunkt werden die Gerichtsmediziner kaum ermitteln können.« Claudia sah von der Mappe hoch in die bedrückten Gesichter ihrer Kollegen. Aus dem schmucklosen Büroraum des Polizeipräsidiums ging der Blick genau auf die Justizvollzugsanstalt. Drei Schreibtische und ebenso viele verschließbare Aktencontainer boten die einzige Möblierung. Nicht ganz. Einige technische Einrichtungen, die das Berufsleben erleichtern sollten, komplettierten das Ganze: Monitore auf den Schreibtischen, die mit einem großen Server irgendwo in NRW verbunden waren. Drei schmucklose Tastaturen. An den Wänden, Tafeln und eine große Leinwand. Drehstühle, die schon einige Jahre auf dem Buckel hatten. Nirgendwo sparte die Politik so viel, wie im öffentlichen Dienst. Sie sollten hier nicht wohnen, sondern arbeiten. Von der gegenüberliegenden JVA sahen sie nicht mehr, als die schmucklose, einige Meter hohe Mauer. Der Anblick drückte die Stimmung. Vor allem, weil die Kiste nicht sicher war. Gerade mal zwei Jahre war die Posse Heckhoff und Michalski her. Beide, schon mehr als dreißig Jahre in Haft, beschließen, aus der JVA auszuchecken, wie Heckhoff es nannte. Zwar wurden sie einige Tage später festgenommen, doch so lange hielten sie das Rheinland in Atem.

      »Stört es dich, wenn ich mit Heinz nach Grotenrath fahre, um mit den Zeugen zu sprechen?«, fragte Claudia Maria.

      »Überhaupt nicht. Ihr wisst doch, die Knollensavanne lockt mich überhaupt nicht.« Nichts hasste Maria mehr, als im nördlichen Bereich ihrer Zuständigkeiten zu arbeiten. Das platte Land und der eigenwillige Menschenschlag zerrten an ihrem Gemüt. Außerdem verstand sie den Dialekt dort nicht. Kein Holländisch, kein Deutsch … irgend so ein Kauderwelsch. Sie war froh, dass sie nicht mit dorthin musste. Die Menschen in dieser Gegend, vor allem die Alten,

Скачать книгу