Brücken bauen. Mauern einreißen.. epubli GmbH
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Nach solchen Unterbrechungen erzählte die Frau verzweifelt vom Schmerz, vom Zorn über die DDR und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten. Dabei liefen ihr erneut ein paar Tränen über die Wangen, und die Zigarettenzüge wurden hastiger. Sie erwähnte Heidrun, ihr erstes Kind, das sie seit dem Mauerbau nicht mehr gesehen hatte, und nach dem sie sich schrecklich sehnte. Als die Mauer von einem Tag zum anderen gebaut wurde, war sie im Westen auf Arbeitssuche, Heidrun im Osten bei den Großeltern. Sie konnte nicht zurück, hatte aber versucht, die Tochter zu sich herüberzuholen. Doch plötzlich brach der Kontakt ab, zu den Eltern, zu dem Kind; ihrer aller Leben war in Gefahr geraten. Später habe sie nichts mehr über sie in Erfahrung bringen können. Der ganze Schmerz, diese schreckliche Ungewissheit, was warum geschah, brachte sie fast um. Letztlich scheiterte ihre Ehe daran.
Anna war vollständig überfordert: Osten, Westen, DDR, Gewalt, Mauerbau, Flucht, Todesangst, Heidrun, noch ein Kind, Scheidung, Unrecht, alles Worte, die in ihrer Kinderseele Schmerz hervorriefen. Sie verstand nichts, sah die Tränenflut der Frau, der Mutter, die Menge an hastig gerauchten Zigaretten und die immer wieder angebotenen Schnäpse.
Irgendwann stand Frau Rose auf, bedankte sich für das Zuhören, sagte, dass sie jetzt schlafen müsse und schleppte sich ins Zimmer nebenan. Anna blieb allein zurück. Die anderen hatten sich längst davongeschlichen. Bestürzt, aber leise, verließ Anna den Raum. Das gerade Erlebte wollte sie nicht stören. Tiefes Mitgefühl überfiel sie. Sie nahm es mit, ebenso den Zorn und die Wut über ein Land, das in sich gespalten schien, Familien zerstörte, unsagbares Leid hervorrief.
Anna war gerade zwölf Jahre alt, als sie zum ersten Mal von einem geteilten Deutschland hörte, und sie erfuhr soeben, was eine durch Gewalt bewirkte Trennung auslösen konnte.
Am nächsten Tag erlebte Anna, wie eine Frau nicht die Frau ist, die sie wirklich war, als sich beide im Treppenhaus begegneten. Frau Rose war wieder Frau Ilona Rose, hübsch gekleidet und geschminkt, die Haare flott frisiert, ein Lächeln im Gesicht mit der stets wiederkehrenden Frage: »Wo ist deine Schwester? Ich höre sie so gerne lachen.«
Gedichte
Bernd Ernting
Ein Grenzfall
Wir sind das Volk! ruft das Volk laut
Dass es Mielke im Innersten graut
Die Prager Botschaft schon übervoll
Hegt das Politbüro nun großen Groll
Honecker, erster Staatsrat ist ratlos
Er tritt zurück und schaut tatlos
Zu, wie Krenz die Grenze fallen lässt
Hat Angst, dass er verurteilt zu Arrest
Landet doch mancher Mauerwerker
Zuvor auch schnell in diesem Kerker
Wenn er ein Loch im Steine ließ
Das ihm den Weg nach draußen wies
Die »SEDDR« in sich zusammenfällt
Die Grenzen offen - in die weite Welt
Die Menschen weinen, lachen, lallen
Sich überglücklich in die Arme fallen
»Flüchtende« gab es dann noch viele
Honecker selbst flüchtete nach Chile
Wusst er denn nicht - der arme Tropf
Die dickste Mauer war in seinem Kopf
Der Mauerstachel
Wir sind das Volk…
Honecker
Überschlauer Mauerbauer
Keift
Verrat am Stacheldraht
Doch
Was die Menschen
Erhoffen
Wie lange schon…
Grenzen
Gibt es nicht mehr
Offen
Ist die DDR
Schabowski
Liest keinen Schabernack
Übernacht
Wurd quasi Staat und Stasi
Abgeschafft
Wir sind ein Volk.
Ich und der Kohl können nix dafür…
Was kann der Kohl denn schon dafür
Dass wir ein Volk sind
Was kann der Kohl denn schon dafür
Dass der »Osten« blüht…
Die Leute tun, als wäre Kohl ein Held
Dabei tat er das, mit unser aller Geld
Die Ostverträge hatte Brandt gemacht
Die Perestroika ist von Gorbatschow
Die Große Freiheit kam, hurra, juchhei
Vom Leipz’ger Volk* und Kirche Nikolei
Was kann der Kohl denn schon dafür
Dass wir so schön sind…
Was kann der Kohl denn schon dafür
Dass wir ein Volk sind
Was können Wessis schon dafür
Dass »es« elegant gelang
Die Ossis haben das allein gewendet
Ein wenig haben wir dafür gespendet
Die Volksarmee wollte nicht schießen
Auch die Russen hatten keine Lust
So kam die Freiheit - welch ein Glück
Nach Sozialismus-Urlaub gern zurück
Was kann der Kohl