Brücken bauen. Mauern einreißen.. epubli GmbH

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Brücken bauen. Mauern einreißen. - epubli GmbH страница 5

Brücken bauen. Mauern einreißen. - epubli GmbH

Скачать книгу

Badekappe höre ich kaum, was er sagt.

      Opa hat mir geholfen, die richtige Stelle zu finden. Er hat sich überhaupt nichts dabei gedacht, als ich ihn fragte, von wo aus er über die Ostsee flüchten würde, wenn er es noch könnte. Für ihn sind solche Themen völlig normal, er freute sich richtig über die Frage und erzählte vom Sandstrand, der nicht zu breit und nicht zu schmal sein darf, vom dichten Gestrüpp an der Küste und von Findlingen am Wasser. Wir sind mit dem Bus nach Kühlungsborn gefahren und an den Strand gegangen, Opa lief zwischen den Urlaubern umher, fuchtelte mit dem Stock und rief: »Genau richtig hier! Und bloß nicht weiter nach Westen gehen, an der Bukspitze ist überall NVA!«

      Was würde Opa sagen, wenn er jetzt hier wäre? Würde er mich bestärken? Hätte er noch mehr Tipps für mich?

      Ich schaue dem wandernden Licht nach und sehe Opa unten am Strand mit seinem Stock herumlaufen. Das war vor weniger als sechs Wochen.

      Schlagartig ist schwarze Nacht um uns, das Scheinwerferlicht verschwunden. Jetzt ist es so weit. Unsere Chance.

      »Opa hatte recht«, sage ich leise.

      Andreas räuspert sich. »Woher wusste er das?«

      Von Genosse Johnson, Offizier der Grenzbrigade Küste. Mit ihm kegelt Opa einmal im Monat, füllt ihn mit Goldbrand ab und horcht ihn über die seeseitige Grenzsicherung aus. Wir haben die Informationen sozusagen aus erster Hand, falls Opa nichts hinzugesponnen hat. Was allerdings wahrscheinlich ist, er spinnt leider oft.

      »Hanna.« Andreas berührt mich am Unterarm. Er will starten.

      Ich hocke mich sprungbereit in den Sand, Andreas ist direkt neben mir.

      »Denk dran, nicht mit den Armen kraulen«, sage ich. »Leichter Kraulbeinschlag und Brustschwimmzug.«

      Wir dürfen nicht auffallen, das bedeutet auch, dass wir beim Schwimmen im Grenzbereich so wenige Geräusche wie möglich machen.

      Hoffentlich kommt Andreas mit dem stärkeren Auftrieb klar. Es ist das erste Mal, dass er mit einem Neoprenanzug schwimmt, seine Westverwandten konnten ihn und den Blei­gürtel erst vor zwei Wochen über die Grenze schmuggeln.

      Meinen Bleigürtel habe ich von Ulrich bekommen.

      Eine Amsel singt oben in den Bäumen. Hell dringt ihr Ruf durch die Dunkelheit und begleitet das Blätterrauschen, manchmal überschlägt sich ihre Stimme, wird laut und wieder leiser. Auch morgen wird sie hier singen.

      Ich schaue zum Wasser, sehe die samtige Schwärze sich kräuselnder Wellen, höre die leise Brandung.

      »Jetzt«, flüstert Andreas.

      Ich laufe auf Socken durch den Sand. Oben an den Dünen sinke ich knöcheltief ein und falle fast hin, Andreas ist dicht hinter mir, berührt mich aus Versehen. Er bleibt auch irgendwo hängen, muss sich mit den Händen abstoßen. Während ich renne, fliegt mir Sand in die Augen.

      Endlich sind wir hinter dem Findling. Wir bewegen uns nicht, lauschen in die Nacht und atmen schwer. Ich spüre den Rand einer Muschel unter dem Knie, rieche Seetang. Hier unten weht der Wind stärker, auch die Geräusche haben sich verändert, ein Rauschen umgibt uns, obwohl kaum Wellengang ist.

      Ich bilde mir ein, noch immer die Amsel singen zu hören.

      Mein Herz schlägt wild, obwohl ich bisher keinen Meter geschwommen bin.

      Noch könnten wir zurück, noch hat uns niemand bemerkt.

      »Los. Weiter.«

      Wir waten durchs Wasser. Es ist wärmer als die Luft, die nach Sonnenuntergang stark abgekühlt ist. Wir gehen leicht gebückt. Trotz der Aufregung muss ich lachen. Wenn ein Licht auf uns gerichtet wird, sieht man uns, ob wir nun ge­bückt laufen oder nicht. Zum Glück bleibt es dunkel um uns.

      Als mir das Wasser an die Hüfte reicht, höre ich auf zu waten. Auch Andreas bleibt stehen. Ich ziehe mir die Handschuhe aus, halte sie mit den Zähnen fest und streife mir die Flossen über die Füße. Es ist nicht leicht, ich bekomme das Ende der Flossen nicht über meine Hacken. Vermutlich wäre es besser gewesen, das bereits an Land zu tun. Aber dann wäre das Waten anstrengend gewesen. Ich lasse mich nach hinten ins Wasser fallen, um besser an den Flossen ziehen zu können. Sofort dringt kaltes Wasser in meinen Neoprenanzug, füllt die Zwischenräume meiner Kleidung und der Gummihaut. Es ist unangenehm. Doch das Wasser wird sich rasch auf Körpertemperatur erwärmen und isolierend wirken.

      Dann habe ich es geschafft, die Flossen sind dran. Ich stelle mich wieder auf den Meeresboden. Er ist von der Strömung stark gewellt, das spüre ich sogar durch die Flossen.

      Ich setze mir die Taucherbrille auf und schiebe das Schnorchelende durch den Riemen der Brille, damit der Schnorchel stabil bleibt.

      Andreas holt die Nylonschnur heraus, reicht sie mir. Ich binde die Schnur um sein linkes Handgelenk und ziehe den Knoten fest. Das andere Ende kommt an mein rechtes Handgelenk. Nun können wir uns im Wasser nicht verlieren und uns über die Schnur Zeichen geben.

      Noch immer habe ich die Handschuhe zwischen den Zähnen. Die Wolle juckt an meiner Lippe. Ich ziehe sie über meine Hände. Sie zittern vor Aufregung. Gleich geht es los.

      Ich stecke mir das Schnorchelmundstück zwischen die Zähne, es drückt am Zahnfleisch, doch das ist normal und wird nach einer Weile vergehen, zumindest war es beim Training immer so. Allerdings bin ich nie länger als acht Stunden mit Schnorchel geschwommen.

      »Ich bin so weit«, flüstert Andreas.

      Ich justiere die Feldflasche. Muttis Gürtel hält sie fest an meinem Bauch, hoffentlich ist sie beim Schwimmen nicht zu sehr im Weg. Trainieren konnte ich damit nicht, weder im Schwimmbad noch in der Ostsee. Hätte mich jemand gesehen, wäre ich sofort verhaftet worden.

      Ich schaue zurück zum Land.

      Das letzte Mal für eine lange Zeit habe ich Boden unter den Füßen.

      Ich stoße mich vom Meeresboden ab und schwimme los. Nach einigen Metern dringt kaltes Salzwasser in meine Taucherbrille. Ich fluche leise. Nie halten die Dinger dicht. Ich muss die Brille richten, suche unter mir den Meeresboden, kann ihn gerade noch mit den Flossenspitzen berühren, finde dadurch ein wenig Halt.

      »Meine Tasche ist nicht richtig fest«, flüstert Andreas. Er muss sich nach den wenigen Schwimmstößen auch noch einmal sortieren.

      Ich löse die Brille und lasse das Wasser herauslaufen. Mit dem Finger drücke ich auf das Sichtfenster und presse Luft heraus, erzeuge einen Unterdruck. Dadurch tun mir ein wenig die Augen weh, aber immerhin kann nun kein Salzwasser mehr eindringen. Das würde auf jeden Fall mehr Schaden anrichten.

      Langsam bewege ich meine Beine, fühle den Druck der Flossen, vergrößere die Beinschlagamplitude, aber nicht zu sehr, damit ich nicht durch die Wasseroberfläche stoße. Die Feldflasche bremst meine Bewegung ein wenig, doch das fällt nicht zu sehr ins Gewicht.

      Ich höre den leichten Wellenschlag, der von meinen Atemgeräuschen überlagert wird. Weil ich durch den Schnorchel atme, erscheinen sie mir lauter als sonst.

      Ich mache einen Brustschwimmzug mit den Armen, was nicht so einfach ist, wenn man mit den Beinen krault. Allmählich finde ich meinen Rhythmus, fühle den Widerstand des Wassers an meinen Händen. Wegen des höheren Salzgehaltes ist es fester

Скачать книгу