Namenlos oder Kreuz As... und die Morde enden nie. Angelika Nickel
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»Wie weit seid ihr, Joseph? Schon was gefunden?«, wollte Pete wissen.
»Irgendeine Spur?«, fragte auch Lotte, während Jesse nur noch stumm daneben stand. Ihm war das Ganze mehr als peinlich. Eine Leiche zu verlieren, so etwas war ihm in seinem ganzen Leben noch nicht passiert.
Gut, während des Studiums hatten Kommilitonen von ihm auch eine Leiche versteckt. Eine, die er am Morgen hätte obduzieren sollen, und die er dafür am Abend zuvor hergerichtet hatte. Aber diese Leiche, die war nur versteckt gewesen. Nach drei Stunden hatte er sie, am darauffolgenden Morgen, in der Kältekammer des ausrangierten Krankenhaustraktes wiedergefunden.
Doch dieses Mal sah der Fall ganz anders aus. Kein alberner Studentenstreich steckte dahinter. Nein, dieses Mal saß er massig in der Patsche. Was, wenn die Taucher die Leichen nicht fanden? Daran wollte er gar nicht erst denken.
Joseph Oberwein schüttelte den Kopf. »Wir sind jetzt seit Morgengrauen am Tauchen,« wieder schüttelte er den Kopf, »aber bisher...« er sah von einem zum anderen, »nichts, absolut nichts. Kein Kleidungsstück, gar nichts, was auch nur im Geringsten auf eine Leiche hinweisen würde.«
»Tatsächlich gar nichts?«, fragte Jesse kleinlaut.
»Na ja, wenn du ein altes Fahrrad, alte PKW-Reifen und Berge von Abfall als nichts bezeichnest..., nein, Jesse, dann haben wir bisher nichts gefunden.« Er kratzte sich am Kinn. »Seid ihr ganz sicher, dass es sich tatsächlich um eine Leiche handelte? Vielleicht suchen wir ja etwas ganz anderes...« Joseph sah die Lombard fragend an.
Lotte hustete. Sie hatte sich tatsächlich an ihrer eigenen Spucke verschluckt. Als sie sich wieder gefangen hatte, fragte sie entrüstet: »Was glaubst du denn, was wir sonst verloren haben könnten? Mann, ich habe mir die Leiche doch nicht eingebildet! Und Pete auch nicht. Jesse schon gar nicht. Er war dicht an dicht mit ihr.«
»Aber nicht dicht genug, sonst wär´ sie ja wohl noch da, und ich hätte nicht ein ganzes Kommando rausschicken müssen. Selbst die Jungs vom anderen Bundesland helfen bei der Suche mit. Aber auch die haben bisher nichts. Keine Spur.«
»Das gibt es doch gar nicht.« Jesse war kreidebleich.
»Kann eine Leiche tatsächlich so weit treiben, in so wenigen Stunden?« Pete blickte zweifelnd zu Joseph.
Der zuckte die Schultern. »Wenn alles ganz ungünstig läuft... Ja, sicher, dann schon.«
»Was verstehe ich unter Wenn alles ganz ungünstig läuft?« Lotte hörte jetzt schon Miraldis Zornesgebell.
»Nun ja, das Wetter, der viele Regen, der Fluss, der rasend über die Ufer tritt...«
»Mit anderen Worten, wenn die Umstände so sind, wie sei es heute Nacht waren.« Lotte blickte fassungslos zu Jesse. »Das ist aber mal `ne schöne Scheiße. Verdammt, Jesse, warum musstest du die Leiche auch loslassen!«
»Als wenn ich´s mit Absicht getan hätte. Ich bin ins Rutschen gekommen, hab´ erst Halt suchen müssen, und dann, als ich endlich wieder...«
Kommissarin Lombard winkte ab. »Hör auf, das wissen wir alles.« Sie wandte sich Pete zu. »Was machen wir jetzt, Pete?«
»Spuren, wir sollten zumindest nach Spuren suchen.«
»Pete, was bringt es euch, wenn ihr Spuren findet? Ihr habt doch gar nichts, womit ihr sie in Verbindung bringen oder vergleichen könnt.« Joseph kratzte sich hinterm Ohr.
»Er hat Recht, ohne Leiche nützen uns auch die besten Spuren nichts.« Jesse war schlecht. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er hatte heute Nacht kein Auge zugetan, und waren sie ihm tatsächlich zugefallen, war er sofort wieder hochgeschreckt. Eine Hand war aus dem Fluss aufgeragt, und eine totenähnliche Stimme hatte ihn beim Namen gerufen.
»Es hilft alles nichts. Wir müssen sehen, dass wir das Beste daraus machen. Pete, du suchst die Böschung ab. Ich streife hier oben ein bisschen herum. Müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir nichts finden.« Sie wandte sich an Jesse. »Kannst du dich vielleicht wenigstens erinnern, ob du etwas gesehen hast. Etwas, das uns weiterhelfen könnte.«
Kopfschüttelnd, antwortete Jesse knapp. »Nein, nichts.«
»Denk nach, Jesse! Der kleinste Hinweis könnte von Bedeutung sein!«
Jesse dachte nach, während sich Lotte bückte und mit der Hand den feuchten Boden abtastete. Mit etwas Glück hatte sich etwas im Gras verhakt.
Jesse ging in die Hocke, sah Lotte an. »Etwas hab´ ich schon gesehen, aber ich glaube nicht, dass das etwas mit der Leiche zu tun hat.«
Lotte ging hoch. »Was, Jesse, sag, was hast du gesehen.«
»Eine Karte.«
»Was für eine Karte, Jesse? Eine Ansichtskarte?« Sie sah ihn neugierig an. Als Jesse nicht antwortete, wurde sie laut: »Mein Gott, Jesse, lass dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!«
»Herjeh, Lotte, das war nichts weiter als eine Karte. Eine Spielkarte.« Er dachte nach. Nickte. »Ja, es war eine Spielkarte.« Jesse sah nicht, dass Lotte schluckte, bemerkte nicht, dass sie in die Hocke ging, um sich mit der Hand am Boden abzustützen.
»Was...« ihre Kehle wurde ganz trocken, »was für ein Kartenblatt?«, krächzte sie.
Jesse fuhr mit der erhobenen Hand durch die Luft. »Pah, was für `ne Karte. Wart´ mal, ja, jetzt weiß ich´s wieder. Es war Kreuz As.«
»Kreuz As...« hauchte Lotte. Sie wankte, musste sich setzen. Ihre Beine hatten jede Kraft verloren.
Erschrocken kniete sich Jesse neben sie. »Alles klar, mit dir, Lotte?«
»Geht gleich wieder.«
»Hat er `nen Hinweis? Ist die Karte eine Spur?«, fragte Joseph, gleichzeitig winkte er seine Taucher aus dem Wasser. Die Zeit war um. Wenn sie bis jetzt nichts gefunden hatten, dann würde jede weitere Suche verschwendete Zeit sein. Was immer mit der Leiche auch passiert sein mochte, sie war auf jeden Fall weg. So weit abgetrieben, dass noch nicht einmal die Kollegen vom angrenzenden Bundesland etwas gefunden hatten. Nein, die Suche musste eingestellt werden. Die Kosten, die dieser Morgen verursacht hatte, und das auch noch ohne jedes Ergebnis, es würde Tage beanspruchen, all die Formblätter und dazugehörigen Fragebögen für diesen Einsatz ausgefüllt und gerechtfertigt zu haben. Von dem abgesehen, dass er gar nicht so recht glauben konnte, dass den Dreien tatsächlich eine Leiche abhanden gekommen war. Was, wenn es sich nur um eine Schaufensterpuppe gehandelt hatte? Dann könnten sie lange suchen, so leicht, wie solche Puppen waren. Nein, es machte keinen Sinn, noch länger weiterzusuchen. Er brach die Suche ab.
Lotte nickte und stand auf. Sie hatte sich etwas gefangen.
»Sag, Lotte, was hat dich so aus der Fassung gebracht? Hast du einen Verdacht?«, drängte Jesse.
»Lass es gut sein, es ist noch zu früh, um erste Spekulationen oder Mutmaßungen anzustellen.« Sie winkte Pete. Es war auch für sie an der Zeit, die Suche einzustellen. Außerdem musste sie sich jetzt zuallererst eine kleine Pause gönnen und über das Gehörte nachzudenken.
»Kreuz