Robinson.Leva. Mathias Bestle

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Robinson.Leva - Mathias Bestle

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Fluss abgesucht worden, aber ohne Erfolg.“

      Ich schwieg erschrocken. Wie trauerte man um Menschen, an die man sich nicht erinnern konnte?

      Nach einer Weile stellte ich vorsichtig die Frage, die mich am meisten beschäftigte.

      „Wie habe ich überlebt?“

      Ich war erleichtert, in Saats Blick keinen Vorwurf zu erkennen, dass ich hier war, während seine - unsere - Eltern tot waren.

      „Man hat dich in einem Gestrüpp am Abhang hängend gefunden. Du hast schwere Kopfverletzungen, gebrochene Rippen, Brüche in Armen und Beinen... Als ich dich zum ersten Mal so gesehen habe... - Aber die Ärzte meinen, du hattest unglaubliches Glück.“

      „Wann ist das alles passiert?“

      „Vor acht Tagen.“

      „Ich war acht Tage lang bewusstlos?“

      „In künstlichem Tiefschlaf. Erst seit Kurzem hängst du nicht mehr am Beatmungsgerät.“

      Das erklärte meine Halsschmerzen - ein Schlauch in der Luftröhre hinterließ Spuren.

      Ich beobachtete Saat. Er wirkte erschöpft. Er musste viel durchgemacht haben in den vergangenen acht Tagen.

      Plötzlich erschauderte ich. Ich hatte wohl unglaubliches Glück gehabt, mit dem Leben davongekommen zu sein - mit nichts als ein paar Verletzungen, die hoffentlich wieder heilen würden. Na ja, und mit Amnesie.

      „Sind wir endlich wach", kam eine gelangweilte Stimme von der Tür her. Eine kleine Ärztin trat ins Zimmer. Ohne uns eines Blickes zu würdigen, steuerte sie auf die piepsenden Geräte links neben mir zu. Ich sah meinen Bruder fragend an und er zuckte mit den Schultern.

      „Wie geht es uns?“, fragte sie, während sie auf Zehenspitzen stehend die Bildschirme ablas.

      Saat nickte mir aufmunternd zu.

      „Ich glaube, den Umständen entsprechend gut“, antwortete ich ihrem Rücken.

      Das schien sie zu überraschen, denn nun drehte sie sich zu mir um. Sie musterte mich kritisch - vermutlich enttäuscht, dass ich weder blinkte noch piepste. „Ihr Bruder hier teilte uns mit“, sagte sie schließlich, „dass Ihre Erinnerung beeinträchtigt sei. Ich nehme an, dieser Zustand dauert nicht weiter an?“

      „Doch", sagte ich.

      „So? Beschreiben Sie.“

      Ich überlegte kurz. „Ich erinnere mich an nichts, was mich selbst betrifft. Ich weiß nicht, wo ich herkomme oder was in meinem Leben bisher geschehen ist. Ich weiß nur, dass ich all diese Dinge eigentlich wissen sollte. Ich fühle mich, als wäre eine Wand zwischen mich und mein Gedächtnis ge-“

      „Kurz“, unterbrach sie mich, „Sie erinnern sich nicht an Ihre eigene Biographie. An keinen Teil davon? Etwa Ihre Kindheit?“

      „Nein.“

      Sie zog die Augenbrauen hoch. Seltsamerweise sah sie dadurch keine Spur weniger gelangweilt aus. „Wenn das stimmt, haben wir hier sogar eine äußerst tiefgehende Amnesie - mit einem ungewöhnlich gefassten Patienten. Keine Verwirrung, keine Apathie, kein Herumgeheule. Na, mir soll es recht sein.“

      Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Ärztin nicht besonders mochte.

      Sie notierte etwas auf meinem Krankenblatt. „Heute Vormittag hatten wir eine Panikattacke", sagte sie dabei.

      „Aha", machte ich, und fragte mich, warum sie mir das erzählte.

      „Mir wurde gesagt, dass es sich um einen Kreislaufzusammenbruch handelte", wand Saat ein. „Er hat sich so schnell aufgerichtet, wegen des Schocks...“

      „Wenn Sie das sagen."

      „Ach Sie reden von mir!“, rief ich.

      „Gei-sti-ge Ver-wirrt-heit“, notierte sie seufzend.

      „Ich - Nein!“, protestierte ich.

      „Haben wir noch immer Angstzustände? Fühlen wir uns orientierungslos? Ist uns schlecht?“

      „Es geht mir schon viel besser“, sagte ich ein wenig beleidigt. Die hatte doch nicht alle Tassen im Schrank...

      „Hat Ihnen Ihr Bruder die näheren Umstände bereits erklärt? Was geschehen ist und wie Sie hierher kamen?“

      „Ja. Das heißt... was meinen Sie mit hierher kamen?“

      „Aus Slowenien?“, sagte sie ungeduldig.

      „Schon gut", sagte Saat und wirkte verärgert. „Das kann er noch nicht wissen. Das wollte ich... ihm erst noch erzählen.“ Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das nicht stimmte.

      „An gegebene Informationen erinnern wir uns aber?“, fragte die Ärztin.

      Ich nickte.

      „Ausgezeichnet", sagte sie und notierte wieder etwas auf meinem Krankenblatt.

      „Warum?“

      „Retrograde und anterograde Amnesien treten häufig in Kombination auf", sagte sie abwesend.

      „Retro... was?“

      Sie warf mir einen Blick zu, als ob mich das alles nichts anginge. „Bei einer retrograden Amnesie vergessen wir Vergangenes“, erklärte sie schließlich seufzend. „Bei einer anterograden Amnesie können sich Patienten nichts Neues mehr merken. Furchtbar anstrengend. Hat keinen Sinn, mit denen überhaupt zu reden.“ Sie lachte über ihren eigenen Scherz, offenbar nicht im Geringsten davon berührt, dass wir sie nur entgeistert anstarrten. Wahrscheinlich war sie diese Reaktion bereits gewohnt. „Sie werden jedenfalls noch genauer untersucht“, fuhr sie fort. „Und unseren Diagnosen entsprechend therapiert, falls dies von Nöten sein sollte. In den meisten Fällen sind Amnesien jedoch von kurzer Dauer.“

      Ich freute mich. „Und meine Verletzungen?“

      „Sind morgen auch noch da", sagte sie mit einem Blick auf ihre Uhr und schlurfte gemächlich aus dem Raum.

      Saat sah ihr kopfschüttelnd hinterher. „Seltsamer Mensch...“

      „Was ist mit Slowenien?“, fragte ich ihn umgehend.

      Er zögerte ein wenig. „Du wurdest vor ein paar Tagen von einer slowenischen Klinik hierher überstellt. Der Unfall ist in Slowenien passiert, ihr wart dort... auf Urlaub.“

      „Wo sind wir hier?“

      „In Tromsø.“

      „Norwegen", sagte ich. „Ich bin Norweger?“

      Er nickte.

      So hatte ich wieder etwas gelernt. Ich, Jan, Norweger.

      In der Nacht fühlte ich mich elend. Der dicke Vorhang, den jemand vor das Fenster gezogen hatte, ließ nur entlang der Ränder ein wenig Licht herein. Ich hatte Schmerzen

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