Robinson.Leva. Mathias Bestle
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Ich drückte auf den Pfleger-Knopf und ein junger Mann kam in den Raum. Er gab mir etwas gegen die Schmerzen und ich fragte ihn nach seinem Namen. Er hieß Björn, doch Björn war müde, das war seine zweite Nachtschicht in Folge. Bald begann ich die Wirkung des Schmerzmittels zu fühlen und ich ließ mich dankbar in Benommenheit und Gedankenleere fallen.
Als ich zum nächsten Mal erwachte, war es wieder hell im Raum und eine Pflegerin stand an meinem Bett. Ich musste einige unangenehme Krankenhausdinge über mich ergehen lassen und fand sie beinahe unterhaltsam. Zum Glück war Saat bald wieder da. Trotz meiner schlechten Nacht fühlte ich mich viel wacher als noch am Vortag.
„Leben wir hier?“, fragte ich ihn.
„Im Krankenhaus? Zum Glück nicht.“
„In Tromsø meinte ich doch!“
„Ich weiß", lachte er.
Saat nicht immer ernst nehmen, notierte ich mir in Gedanken.
„Du hast bisher mit unseren Eltern in Oslo gewohnt. Ich bin schon seit ein paar Jahren in Tromsø und du wirst von nun an auch hier leben, bei mir.“
„Oh. Ähm... danke!“
Er lachte, als hätte ich etwas Seltsames gesagt. „Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ Er war wirklich nett.
„Wie alt bin ich?“ fragte ich.
„Du bist diesen Sommer 16 geworden, am 13. Juli. Heute haben wir den 22. August.“
„Und gehe ich noch zur Schule?“
„Ja. Ich habe hier auch schon eine Schule für dich ausgesucht. Aber im Moment ist daran natürlich noch nicht zu denken...“
„Schade", grinste ich.
„Freu dich nicht zu früh“, sagte er. „Es wird nicht einfach werden, alles nachzuholen. Die Direktorin war nur schwer davon zu überzeugen, dich später einsteigen zu lassen.“
„Das schaffe ich schon", sagte ich und klang dabei sehr viel selbstsicherer, als ich mich fühlte. Ich nutze die Gelegenheit für eine Bitte, die mir ein wenig peinlich war...
„Saat, könntest du mir einen Spiegel bringen?“
„Sind wir ein wenig eitel?“, grinste er.
Ich fühlte, wie ich rot wurde. „Ich muss doch wissen, wie ich aussehe!“
Er lachte. „Natürlich. Ich muss dich aber warnen, du siehst dir im Moment nicht gerade ähnlich...“
Er verschwand im Badezimmer und kurz darauf war ein unangenehmes Knirschen zu hören.
„Ich kann auch jemanden vom Krankenhaus fragen!“, rief ich, denn Saat sah nicht gerade zimperlich aus. Da kam er auch schon mit einem großen Spiegel in den Armen wieder.
„Da hängt noch eine Fliese dran", lachte ich.
Grinsend bohrte er seine Finger unter das Stück Porzellan und zupfte es ab, als wäre es ein Streifen Klebeband.
„Krasse Nägel!“, stellte ich fest.
Saat zuckte nur mit den Schultern und hielt mir den Spiegel vors Gesicht.
Ich erschrak. Ich sah wirklich schlimm aus. Ich hatte dunkle Krusten im Gesicht, über einer geschwollenen Nase eine Schiene, schwarze Schatten um die Augen und einen dicken, weißen Verband um den Kopf.
„Ich habe dich ja gewarnt", meinte Saat und zog den Spiegel zurück.
„Nein, warte!“, sagte ich. Ich hatte hinter all den Verletzungen gerade Züge entdeckt, die mir zwar nicht bekannt, aber zumindest auch nicht fremd waren. Grünblaue Augen blickten mir entgegen und kamen mir für mich passend vor. Mein Gesicht war schmal und mein Haar, das unter dem Verband hervorstand, war nicht ganz so blond wie Saats. Ich berührte es mit meiner eingegipsten Hand, zeigte mir selbst die Zähne und drehte den Kopf zur Seite, bis Saat anfing zu lachen und mich Prinzessin nannte. Ich wurde schon wieder rot und er brachte den Spiegel zurück, bevor die seltsame Ärztin uns erwischte. Zufrieden berichtete er, dass er durch bloßes Andrücken wieder perfekt hielt.
In dieser Nacht erwachte ich, als im Badezimmer etwas krachend zu Boden fiel und, so klang es, in tausend Scherben zersprang.
In den kommenden Tagen ging die Heilung meiner Verletzungen zügig voran, meine Erinnerung jedoch hielt sich hartnäckig verborgen. Die Ärzte durchleuchteten mein Gehirn und suchten nach Verletzungen, jedoch vergeblich. Ich war froh darüber, sie wirkten frustriert. Ich wurde an Psychologen weitergereicht und die konzentrierten sich erst einmal darauf, herauszufinden, ob ich nicht alles nur simulierte. Mein sonstiger geistiger Zustand war so gut, dass dieser Verdacht anscheinend nahelag. Im Endeffekt wurde alles auf das Trauma meines Unfalls geschoben und fleißig daran gearbeitet, dieses Trauma freizulegen.
Saat brachte mir haufenweise Bücher mit, die ich regelrecht verschlang. Ich musste die Lücken in meinem Gehirn doch zumindest mit irgendetwas füllen. Außerdem versuchte er mir zu helfen, indem er mir von unserer gemeinsamen Kindheit erzählte. So erfuhr ich, dass wir am Stadtrand von Oslo aufgewachsen waren, in einem kleinen Haus, mit unseren Eltern und unserer Großmutter.
„Oma Maja war das Herz der Familie“, sagte er lächelnd. „Sie war Mas Mutter und hatte keine Enkel außer uns - Ma war Einzelkind, Pa übrigens auch. Sie hat immer auf uns aufgepasst und mit uns gespielt. Wir hatten so viel Spaß mit ihr! Am liebsten haben wir Bauklotzburgen gebaut, die dann von den Hunnen belagert wurden. Das waren unsere beiden Kaninchen, Löffel und Gabel... - Was soll ich sagen, wir waren kreative Kinder...“ Er grinste und kratzte sich am Kopf. „Was noch?“
Ich erfuhr über Dominobahnen durch das ganze Haus, vielbeschäftigte Eltern und Streiche, die Saat anstellte. Ich lächelte - und erinnerte mich an absolut nichts.
„Als du zehn Jahre alt warst, starb Oma Maja. Nach ihrem Tod verkauften unsere Eltern das Haus und wir zogen in eine Wohnung im Stadtzentrum. Für dich war eine Welt zusammengebrochen. Du hast kaum noch mit anderen Kindern geredet und dich komplett zurückgezogen. Pa schickte dich zu verschiedensten Vereinen und Kursen, damit du Kontakt zu Gleichaltrigen fandest. Er brachte dich sogar persönlich dorthin, als er herausfand, dass du ständig geschwänzt hast. Anfangs hast du dich gewehrt und dann aus Trotz dort eben wieder mit niemandem geredet, wie in deiner neuen Schule. Ich muss zugeben, dass ich das damals ziemlich lustig fand und dich darin bestärkt habe. Ich tat zu dieser Zeit mit Hingabe alles, was Pa ärgerte. Die Kommunikation zwischen mir und unseren Eltern war nicht immer die beste... Deshalb bin ich auch zum Studium hierher in den Norden gegangen. Um dich habe ich mir Sorgen gemacht, ich kam mir vor, als würde ich dich im Stich lassen. Aber du bist eigentlich gut alleine zurechtgekommen, wie sich herausstellte.“
„Ich hatte wirklich keine Freunde?“, fragte ich mit gerunzelter Stirn.
„Um ehrlich zu sein, nein. Aber du warst zufrieden damit! Und daran ist doch nichts auszusetzen.“
„Nein...", sagte ich zögerlich. Ich hasste es, dass mir das alles so unendlich unbekannt war.
Je näher ich mich Saat fühlte, desto mehr fragte ich ihn über unsere Vergangenheit aus - doch je mehr ich nachfragte, desto trauriger wurde er. Und so ließ ich es schließlich bleiben,