Das Doppelkonzert. Arnulf Meyer-Piening

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Das Doppelkonzert - Arnulf Meyer-Piening

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und interessiert: Wie geht es unserem Patienten?

      - Ingrid antwortete: Er ist noch nicht bei vollem Bewusstsein.

      - Das ist nicht verwunderlich. Er hatte während des Eingriffs einen Ischämischen Schlaganfall bekommen. Wir wissen noch nicht, was genau passiert ist. Vielleicht hatte er eine Hirnhautentzündung oder es könnte sich auch ein Blutgerinnsel während des Eingriffs irgendwo gelöst haben und sich im Gehirn festgesetzt haben. Ein Teil des Gehirns arbeitet nicht richtig. Es ist nicht richtig durchblutet. Jedenfalls braucht er noch viel Ruhe. Wir werden ihm eine Beruhigungsspritze geben.

      Der Patient versank sofort in einen tiefen Schlaf. Die beiden Frauen verließen das Krankenzimmer. Hier konnten sie nichts mehr tun und setzten ihr Gespräch vor der Tür fort.

      - Julia war sehr beunruhigt: Glaubst du, dass Vater wieder ganz gesund wird? Ich meine, dass er sich in einem erbärmlichen Zustand befindet.

      - Es besteht eine sehr gute Chance, dass sich die halbseitigen Lähmungserscheinungen zurückbilden. Der Krankheitsverlauf ist schwer vorherzusagen. Wir müssen die nächsten Tage abwarten. Er ist kräftig und hat gute Chancen, ohne weitere Behinderungen durchzukommen.

      - Julia bewegte vor allem eine Frage: Wird er wieder seine Geschäfte aufnehmen können? Habt ihr mal über seine Nachfolge gesprochen? Was soll aus der Firma werden?

      - Ingrid hob die Schultern. Ich habe keine Ahnung. Wenn doch wenigstens Hinrich als Nachfolger zur Verfügung stünde, aber der ist dazu nicht geeignet. Zudem ist er nicht stressstabil. In kritischen Situationen versagen seine Nerven. Dann ist er unberechenbar und gefährdet unter Umständen sogar andere Menschen. Wenn er allein auf der Bühne gewesen wäre, dann wäre es noch gegangen, aber er hat dich im Stich gelassen. Das ist unverzeihlich. Er kann seinen Vater nicht ersetzen. Er wird niemals sein Format haben. Und gerade jetzt brauchen wir einen starken Führer.

      - Hat er sich eigentlich einmal hier blicken lassen oder hat er wenigstens angerufen?, wollte Julia wissen.

      - Ja, er hat versucht mit seinen Vater zu sprechen. Ich habe ihn aber abgewiesen, weil das Gespräch Wolfgang zu sehr aufregen könnte.

      - Das ist schade. Die beiden müssten sich dringend einmal gründlich aussprechen.

      - Später, aber nicht jetzt, sagte Ingrid mit Bestimmtheit. Er ist noch zu schwach.

      - Ist vielleicht auch besser für beide. Jedenfalls hat Hinrich jetzt noch nicht das Format für die Nachfolge, meinte Julia.

      - Sie wollte Zeit gewinnen und den Dingen in Ihrer Entwicklung nicht vorgreifen: Vielleicht eines Tages. Man wird sehen. Ein Nachfolger oder Interimsmanager, wie auch immer, steht – soweit ich weiß – nicht zur Verfügung. Ich jedenfalls kenne niemanden.

      - Auch Ingrid wusste keinen Rat, jedenfalls hielt sie sich bedeckt: Man müsste einen externen Profi suchen, der an anderer Stelle gezeigt hat, dass er ähnlich schwierige Firmensituationen meistern kann.

      - Julia blickte aus dem Fenster. Vielleicht kennt Frau von Stephano jemanden. Die kennt doch tausend Leute in gehobenen Führungspositionen. Man müsste sie bei passender Gelegenheit fragen.

      - Ich traue ihr nicht so richtig. Sie ist herrschsüchtig und spielt sich schon jetzt so auf, als sei sie die Herrin im Hause. Sie ist ehrgeizig, rücksichtslos und eigensinnig.

      - Vielleicht ist sie gerade deshalb für diese Aufgabe geeignet.

      - Möglich, dass sie jemanden kennt. Aber erst einmal müssen wir sehen, dass wir unseren Patienten schnell wieder auf die Beine bekommen.

      - Ja, das ist das Wichtigste. Er soll die Führungsfrage der künftigen Firmenleitung selbst entscheiden. Es ist seine Firma, und er muss sich um seine Nachfolge kümmern.

      - Ingrid wandte sich zum Gehen: Wir werden sehen, was die nächsten Tage bringen. Jedenfalls werden wir uns hier alle erdenkliche Mühe geben, damit er sich schnell erholt. Darauf kannst du dich verlassen.

      Die beiden Frauen zogen sich zurück und verließen die Station. Julia wollte ihre Abreise in die Karibik vorbereiten. Ingrid hatte eine Besprechung mit ihren behandelnden Ärzten einberufen. Alles drehte sich jetzt um den Patienten, um ihren Bruder, um den Patriarchen.

      Nach ein paar Tagen hatte sich der Zustand ihres Bruders erheblich gebessert. Er konnte aufstehen und selbständig auf die Toilette gehen. Aber er fühlte sich noch schwach und verbrachte die meiste Zeit im Bett. Und doch wollte er so schnell wie möglich nach Hause, um die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. Er wusste, dass er im Krankenhaus nicht wieder vollständig gesund werden könne, obwohl sich die Ärzte und Pfleger alle erdenkliche Mühe mit ihm gaben. Aber es ging nicht nur um seine physische Gesundung, sondern es ging ihm insbesondere um die Schulung seines Geistes und seines Gedächtnisses. Er musste wieder Zutrauen zu sich selbst finden. Das war im Krankenhaus nicht möglich, vor allem nicht in der Intensivstation, wo ihn der Lärm aus den Nachbarzimmern irritierte: Immer wieder schrillten irgendwo Alarmglocken, Menschen riefen um Hilfe. Ein ständiges Kommen und Gehen auf dem Gang. Er schloss die Tür. Die betreuenden Ärzte aber beharrten darauf, dass seine Tür offen bleiben müsse, damit sie im Notfall sofort zur Stelle sein könnten: Herr Sämann, es ist nur zu Ihrem Besten! Diesen Satz hörte er wieder und wieder. Er konnte ihn nicht mehr hören.

      - Mit schwacher Stimme antwortete er: Es mag ja aus Ihrer Sicht so sein, aber ich will und muss hier raus. Und zwar sofort.

      - Der Arzt zeigte sich unbeeindruckt: Herr Sämann, Ihre Schwester hat strikte Anordnung gegeben, dass Sie hier in unserer Pflege und Obhut bleiben müssen. Dagegen können wir nichts machen. Sie hat hier das alleinige Sagen. Sie entscheidet, was in der Klinik geschieht und was nicht. Sie müssen sich mit Ihrer Schwester verständigen.

      Wolfgang wusste: Er würde sich hier nicht gegen seine Schwester durchsetzen können. Er kannte nicht ihre Motive. Möglich, dass sie wirklich nur das Beste für ihn und seine Gesundung wollte, aber es war durchaus möglich, dass sie ihre eigene Suppe kochen wollte. Sie wollte Macht und Geld! Das war vielleicht die Gelegenheit, auf die sie viele Jahre gewartet hatte. Viele Jahre hatte sie im Schatten ihres großen Bruders gestanden. Das wollte sie nun nicht mehr.

      Er schluckte die Tabletten hinunter und lehnte sich wieder in die Kissen zurück. Künftig würde sie über ihn triumphieren, dachte er. Sie wäre dann nicht mehr seine kleine Schwester, die vom Gnadenbrot des übermächtigen Bruders leben würde. Schließlich besaß sie jetzt die Vollmacht über alle Konten. Sie könnte auf diese Weise ihre angespannte finanzielle Situation bereinigen. Zwar besaß sie zusammen mit ihrem Neffen und ihrer Nichte die Kapitalmehrheit an der Firma, die auch ihren Namen trug, doch ohne seine Zustimmung konnte sie keinen Geschäftsführer bestellen. Auch mit seiner Vollmacht konnte sie die Mehrheitsverhältnisse in den Entscheidungsgremien nicht verändern. Und es standen wichtige Entscheidungen an: Es ging um eine Kapitalerhöhung, um neue Beteiligungsverhältnisse und um die strategische Ausrichtung der Firma. Sie musste also warten.

      - Von Zeit zu Zeit sah Ingrid nach ihrem Bruder. Sie ließ sich von der Oberärztin die Krankheitsakte zeigen, prüfte die Eintragungen über Temperatur, Blutdruck, Herzfrequenz und die Medikation: Sieht soweit ganz stabil aus, sagte sie mit zurückhaltender Zufriedenheit.

      Für den nächsten Morgen hatte sich Isabelle angesagt. Betont leutselig begrüßte sie die Chefärztin auf dem Gang: Wie geht es Ihrem Bruder?

      Die Chefärztin war nicht besonders erfreut über ihren Besuch. Sie mochte sie nicht, das war ziemlich deutlich zu spüren. Im Grunde hatte sie für die Ablehnung keinen triftigen Grund, aber sie wollte keine Mitwisser über die internen

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