Das Doppelkonzert. Arnulf Meyer-Piening

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Das Doppelkonzert - Arnulf Meyer-Piening

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wandte sich dem Krankenwagen zu, in dem ihr Bruder mit Sauerstoff versorgt wurde. Julia war bei ihm und hielt seine Hand. Sie kämpfte mit ihren Tränen. In gewisser Weise fühlte sie sich schuldig, denn letztlich war sie es gewesen, die ihren Bruder aus dem Konzept gebracht hatte.

      - Ingrid kümmerte sich nicht um den Patienten. Ihrer Ansicht nach waren genügend Helfer da. Zu Isabelle gewandt, sagte sie über die Schulter mit schneidender Stimme: Ich sehe keinen Sinn darin, mich mit Ihnen weiter zu unterhalten. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.

      - Jetzt geht es in erster Linie um Ihren Bruder, antwortete Isabelle, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Ihr Bruder braucht mich mehr, als Sie wahrhaben wollen. Und nun wollen Sie mir die Schuld für seinen Anfall zuschieben? Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Suchen Sie sich einen anderen Sündenbock.

      - Ingrid nahm auf dem Beifahrersitz Platz: Sie können abfahren, sagte sie mit der herrischen Bestimmtheit der Chefärztin und schlug die Tür zu. Das Fenster aber war offen geblieben.

      - Sie glauben, mich abschieben zu können, und dabei brauchen Sie mich mehr als Sie wahrhaben wollen, zischte Isabelle mit mühsam unterdrücktem Zorn.. Ich weiß, dass Sie dringend Geld brauchen, aber ihr Bruder kann es ihr nicht geben, denn die Firma Sämann hat selbst kein Geld.

      - Das ist eine infame Lüge, schrie Ingrid durch das geöffnete Fenster. Ihre Vermutung ist völlig aus der Luft gegriffen. Wir brauchen Sie nicht und auch kein Geld!

      - Sie brauchen mich mehr, als Sie glauben und zugeben wollen, antwortete Isabelle.

      Der Notarztwagen schaltete erneut das Blaulicht ein und verließ das Grundstück. Wolfgang Sämann wurde sofort in der Klinik aufgenommen und auf die Intensivstation gebracht. Seine Schwester setzte alle Hebel in Bewegung, so dass er schon nach wenigen Minuten im Operationssaal lag und fachgerecht betreut wurde. Es ging um Minuten, um Leben und Tod. Allen war klar, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte, aber dank des schnellen Eingriffs der Ärzte konnten schwere Gehirnschäden vermieden werden. Die Chancen standen gut, dass er den Anfall ohne bleibende Schäden überstehen würde.

      Isabelle hatte dem abfahrenden Wagen noch eine Weile nachdenklich nachgeblickt, bevor sie sich umwandte. Sie suchte Hinrich und fand ihn in dem Raum seiner Niederlage, wie sie es erwartet hatte. Sie sah den jungen Mann in sich zusammengesunken am Fenster sitzen, legte ihre Hand auf seine Schulter und versuchte ihn zu beruhigen:

      - Sie dürfen sich das nicht so zu Herzen nehmen, sagte sie. So etwas kommt vor, wenn man sich nicht gut fühlt. Das ist mir auch schon mal passiert. Wichtig ist, dass man gestärkt aus so einer kritischen Situation herausgeht. Wir wissen aus der Geschichte: Eine Niederlage kann die Grundlage für den nächsten glänzenden Sieg legen. Wie siegreiche Feldherren musst du es den anderen zeigen, dass du jemand bist, der kritische Situationen meistern und am Ende glorreich siegen kann.

      - Hoffnungslos blickte er sie an: Ach, Frau von Stephano, wenn Sie wüssten, wie es in mir aussieht. Mir ist zum Heulen zumute.

      - Ich kann es mir vorstellen, aber nun müssen wir nach vorne blicken und sehen, was zu retten ist. Noch ist nichts verloren.

      - Wir sollten das Fenster schließen, es wird kühl, und wir dürfen uns nicht erkälten, denn wir werden noch gebraucht.

      Sie setzten sich in das von allen Gästen verlassene Vestibül und schwiegen eine Weile gedankenverloren.

      Das Handy klingelte und unterbrach die Stille. Hinrich drückte ein paar Tasten und las die Nachricht. Dann wandte er sich an Isabelle:

      - Ich habe von Ingrid eine Nachricht aus dem Krankenhaus erhalten, sagte er. Mein Vater soll schon bald operiert werden. Er befindet sich in einem kritischen Zustand. Er ist nicht bei Bewusstsein. Man hat ihn in einen Tiefschlaf versetzt.

      - Die Ärzte werden Ihren Vater retten, sagte sie mit großer Überzeugung. Und wenn Sie meine Hilfe brauchen, dann biete ich sie Ihnen an, bis Ihr Vater wieder die Zügel in die Hand nimmt.

      - Vater hat eine starke Natur. Er wird die momentane Krise schnell überwinden, sagte er und war sich dabei nicht so sicher.

      - Ich denke, vorübergehend müssten Sie die Verantwortung für die Firma übernehmen, bis Ihr Vater wieder gesund ist, sagte Isabelle.

      - Er riss die Augen auf und blickte sie voller Entsetzen an: Ich soll die Verantwortung für die Firma übernehmen? Das kann ich nicht. Ich bin noch zu jung. Und Vater wird es nicht zulassen. Er hat kein Vertrauen zu mir, und nach der Pleite an diesem Abend schon gar nicht. Julia müsste das tun. Sie hat das Zeug dazu. Sie haben sie heute erlebt. Sie hat nicht vor allen Leuten versagt, so wie ich. Sie ist stark. Sie allein kann das schaffen.

      - Sprechen Sie mit ihr. Vielleicht macht sie das, aber ich kann es mir nicht vorstellen, denn sie ist in Nicaragua beruflich und persönlich stark engagiert.

      - Ich kann es versuchen, aber große Hoffnung habe ich nicht.

      - Einer muss es tun, wenn hier nicht alles zu Bruch gehen soll. Die Firma braucht einen kompetenten Führer und zwar schnell.

      - Er blickte sie voller Hoffnung und zugleich auch zweifelnd an: Würden Sie mir helfen?

      - Mit großer Entschlossenheit sagte sie: Ja, das würde ich, wenn Sie das von mir wünschen. Ich verspreche, Ihnen zu helfen. Haben Sie Vertrauen zu mir.

      - Er drückte ihr dankbar die Hand: Ich vertraue Ihnen.

      Sie trennten sich und verließen den Raum seiner blamablen Niederlage.

      Die Bediensteten begannen den Raum aufzuräumen, rückten die Stühle wieder an ihren ursprünglichen Platz. Nach kurzer Zeit sah es aus, als ob nichts geschehen sei, aber dem war nicht so. Eine vollkommen veränderte Situation, sowohl in der Firma als auch im privaten Bereich, hatte sich ergeben. Jeder suchte seinen ihm vom Schicksal bestimmten Platz. Aber wo war der zu finden?

      Hinrich zog sich in sein Zimmer zurück. Alles befand sich noch an dem Platz, wo er es verlassen hatte. Die Noten lagen noch auf dem Tisch. Kaum wagte er den langsamen Satz aufzuschlagen: Andante – Langsam, ruhig. Er warf sich auf sein Bett und versuchte im Schlaf ein Vergessen zu finden. Aber er fand keine Ruhe. Was sollte er mit Isabelle machen? Sollte er sie wirklich um Hilfe bitten? Was würde sein Vater dazu sagen?

      Voller Angst quälte er sich mit unheilvollen Gedanken. Endlich fiel er erschöpft in einen tiefen Schlaf. Im Traum erschien ihm die rote Frau, wie sie in Flammen gehüllt aus der Tiefe der Erde stieg. Sie schien ihm der leibhafte Teufel zu sein. Doch dann verwandelte sie sich in einen rettenden Engel, der vom Himmel kam.

      Voller Schrecken wachte er auf. Verwirrt blickte er im Zimmer umher. Die Schreckgespenster waren verschwunden. War alles nur ein böser Traum gewesen? Nein, ein Traum war es nicht. Dort lagen die Noten, seine Geige, sein Anzug. Es war alles real.

      Erneut griff er zu den Tabletten, die ihm Julia gegeben hatte. Sie würden ihn Ruhe finden lassen. Aber die innere Ruhe drang nicht in sein aufgewühltes Bewusstsein. Er fühlte sich von allen guten Geistern verlassen und vereinsamt.

      Woher und von wem hätte Hilfe kommen sollen? Was hatte Julia gesagt? Hatte sie nicht gesagt, dass ihm Isabelle helfen würde oder Konselmann? Er könnte es versuchen. Er müsste mit beiden reden. Allein würde er es nicht schaffen, das war ihm schmerzlich klar.

      Auf Messers Schneide

      Wolfgang Sämann wurde zur Operation

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