Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting

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Trissa, Hexe von Eichstätt - Lars Gelting

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in den Sog der Ereignisse, die ihm und anderen zum Verhängnis werden sollten.

      Ihren Anfang nahmen diese Ereignisse auf einem Misthaufen auf der anderen Straßenseite. Dort umringten fünf Landsknechte lärmend den etwa brusthohen Misthaufen vor dem Hause des Bäckers. Oben, auf der breiten, von Dung und Dauerregen aufgeweichten Oberfläche, ihr Opfer. Vom Kopf bis zum Bauch gefangen in einem Mehlsack, kniete der Ärmste weit vornüber gebeugt auf dem Haufen. Versuchte unter Aufbietung aller Kräfte, sich irgendwie aufzurichten und landete doch nach jedem Versuch mit dem Kopf voran im Mist.

      Die Kerle vor der stinkenden Bühne, allesamt in schäbigen, zusammengesuchten Uniformen, quittierten jeden dieser Misserfolge mit lautem Gejohle, tapsten und torkelten krakeelend im knöcheltiefen Straßenkot.

      Aufgebracht reckte Pater Gregor den Kopf vor, sah an den Häusern entlang die Straße hinauf. Er war nicht der einzige, den es heraus getrieben hatte. Rechts, nur drei Häuser weiter, bei der Böttcherwerkstatt vom Zollner, da standen sie schon, steckten auf beiden Seiten der Straße die Köpfe zusammen, standen mit verschränkten Armen einfach nur so da. Und über ihre Köpfe hinweg schauend sah er den Zirngiebl, den Weinhändler, heraneilen. Zu klein, um genug zu sehen, zu feig, näher zu kommen, stemmte er sich mit einem Fuß schwer und steif auf den dicken Stein, der als Stütze an der Hauswand des Böttchers lag. Hielt sich am Balkenzapfen fest und machte einen langen Hals.

      Sein Blick hetzte zurück zum grölenden Mob und dessen Opfer. Max Vogel, der Bäcker musste das sein. Ein Seil-Ende, fest um die Hüfte gezurrt, zwang Arme und Mehlsack an seinen Körper, lieferte ihn hilflos seinem Peiniger aus. Und der stand breitbeinig dicht hinter ihm und schwang das andere Ende des Seiles. Hager, das Gesicht von dichtem, schwarzen Bart und einer wilden Mähne fast zugewachsen, schlug er unentwegt zu, ließ das Seilende wieder und wieder auf das nackte Hinterteil des vor ihm Knienden niedersausen.

      „Du sollst tanzen, verdammt noch mal! Tanzen! Los, los, los!“, brüllte er mit heiserer Stimme, wobei die anderen Kanaillen zwischen Glucksen und Lachen in kindischer Weise skandierten: „Tanzen – tanzen – tanzen – tanzen...“

      Verzweifelt und von Todesangst getrieben kämpfte der Geschundene gegen sich selbst. Rang verzweifelt, blind, die Hände an den Körper gebunden, um Gleichgewicht und knickte doch immer wieder ein. Und nach jedem Einknicken wurde das „Tanzen – tanzen – tanzen!“, von höhnischem Gelächter begleitet, lauter und lauter. Endlich: Heftig hin und her schwankend stand er auf seiner buckligen und schlüpfrigen Bühne.

      „Los jetzt, dreh dich! He-he!“ Als wollte er ihn anfeuern, brüllte der Hagere von Neuem auf den Taumelnden ein, schlug ihm dabei das Seilende in rascher Folge gegen die Beine. Orientierungslos drehte sich der Arme vorsichtig mit ein – zwei – drei – vier Schritten, stolperte über das wuchtig geschlagene Seil und schlug unbeholfen der Länge nach auf den Mist. Das war es, was die Meute sehen wollte. Johlend torkelten sie mit hochrotem Kopf herum, verbogen sich vor Lachen, schlugen sich gegenseitig auf die Schulter und merkten nicht, dass ihnen dabei das eine und andere der gestohlenen Brote aus dem Arm rutschte und in den aufgeweichten Straßenkot entglitt.

      Den Pater hielt es nicht mehr vor seiner Kirchentür. Er war in seinem fünfundvierzigsten Jahr und hatte genug dieser boshaften Spiele gesehen; selten verlor das Opfer weniger als sein Leben.

      Zornig und mit einer Gewandtheit, die ihm kaum jemand zugetraut hätte, der seine Vergangenheit nicht kannte, trieb es ihn voran. Das sonst so ruhige und besonnene Gesicht war rot angelaufen, zeigte den Ausdruck wütender Entschlossenheit, während er durch den Morast zur anderen Straßenseite stürmte.

      Wie ein Donnergott aus dem Nichts kam er über den Hageren, riss ihn herum, bekam ihn mit seiner Linken am Brustkleid zu fassen und schüttelte ihn mit unbändiger Kraft hin und her: Ihr Lumpenpack und Mordgesindel! Macht, dass ihr fortkommt! Verschwindet aus der Stadt und lasst die in Frieden, die euch Banausen mit ihrer Arbeit noch ernähren müssen!“

      Völlig überrascht, schlagartig schweigend, schauten die Gesellen des Gebeutelten kuhäugig zu, verharrten lächerlicherweise in der Haltung, die sie gerade innehatten. Der Hagere fasste sich sofort wieder, wand sich im festen Griff, riss dann die Hand mit der ungeladenen Waffe hoch.

      Angewidert schleuderte ihn der Pater mit einem machtvollen „Schert euch weg!“ in Richtung der Kumpane, die den rückwärts Strauchelnden auffingen und den Pater immer noch fassungslos anstierten.

      Aus den Augenwinkeln gewahrte er, dass sich jetzt einige der Zuschauer endlich in Bewegung setzten und ihm zu Hilfe kamen. Vor ihm löste sich einer der Halunken von der Hauswand auf der anderen Seite des Misthaufens. Wütend, die Augen weit aufgerissen, Kiefer und Unterlippe bullig vorgeschoben, stakste er schnaubend auf ihn los. Fast hatte ihn der Kerl erreicht, hob schon griffbereit die Arme, da fasste er sich jäh mit beiden Händen an den Kopf und taumelte gegen den Misthaufen: Ein Stein, groß wie ein Hühnerei, hatte seinen Kopf getroffen, schlug ihm den riesigen, verbeulten Hut herunter, ließ Blut unter seinen Händen hervorquellen und auf die Erde tropfen.

      Augenblicklich kam Leben in die Bagage: Eilig sammelte einer die Brote wieder auf, die um den Misthaufen herum auf den Boden gefallen waren, die anderen wandten sich ab, um den Ort des Geschehens zu verlassen, zogen den Gesteinigten einfach mit.

      Der Hagere hatte seine Niederlage noch nicht verdaut, stand noch einen Augenblick, schätzte die Entfernung zu den Näherkommenden ab. Er legte den Kopf schräg, beugte sich leicht nach vorn und blitzte den Pater durch das wilde Haargewirr von unten herauf an. „Wir kommen wieder Paterchen,“ die Mündung seiner Waffe zeigte jetzt drohend auf den Bauch des Paters, „und dann hoffe nur, dass der liebe Gott rasch ein Einsehen mit dir hat!“

      Hoch aufgerichtet, das kräftige Kinn etwas vorgeschoben, schaute ihn Pater Gregor funkelnd an. Der andere wandte sich ab, warf den Näherkommenden einen verächtlichen Blick zu und stapfte endlich den vorausgegangenen Kumpanen hinterher.

      Vor dem Misthaufen der Bäcker. Orientierungslos war er zwischenzeitlich von seiner „Bühne“ herunter gerollt und kniete nun absolut hilflos und in wildem Weinkrampf zuckend davor. Pater Gregor griff ihm rechts und links an die Oberarme und versuchte ihn aufzurichten, bekam unerwartet Hilfe. Er erkannte den dicken Zirngibl, den es jetzt ganz nah heran getrieben hatte, und den alten Kostner, den Nachbarn des Bäckers, beides fromme Kirchgänger.

      „Erst den Strick!“ Der Zirngibl nestelte aufgeregt an der Schlinge, die Mehlsack und Arme an den Körper fesselte, während der Kostner sich einen der oberen Zipfel des Mehlsacks gegriffen hatte, unnötigerweise! Endlich löste sich die Schlinge und der Strick rutschte herunter auf den Boden. Rasch zogen sie den Sack nach oben weg und erkannten den Menschen nicht, der nach und nach zum Vorschein kam. Hinter dem Gepeinigten stehend, schaute der Pater auf einen vollen Haarschopf: Das war nicht der Bäcker! Der Bäcker war nur noch im Besitz eines schmalen Haarkranzes um seinen ansonsten kahlen Schädel. Der Kostner, immer noch den besudelten Sack in den Händen, beugte sich vor, schaute dem Ärmsten nach Bekanntem, Vertrautem suchend, von unten her ins Gesicht.

      „Das ist der Pocher aus Eichstädt!“ Eine der Frauen, die von der anderen Seite des Misthaufens aus zusahen, wies erstaunt mit dem Finger auf den gerade Befreiten.

       Mist und Kot, die dem Gepeinigten anhafteten, hatte den Zirngibl und den Kostner nicht sonderlich geschreckt. Jetzt aber traten sie rasch einen Schritt zurück, zogen Arme und Hände gespreizt an den Körper, so als fürchteten sie jetzt, sich zu beschmutzen. Der Pater, den Ärmsten immer noch an den Armen festhaltend, trat überrascht einen Schritt zur Seite, musterte das Profil. Das Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit aufgequollen. Schweiß, Tränen und Speichel hatten sich mit dem Mehl vermischt, welches Kopf und Oberkörper in einer dicken Schicht bedeckte, hatten Spuren hinein gespült, eine grausige Maske entstehen lassen. Dennoch: Der Pater erkannte jetzt, wen er

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