Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting

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Trissa, Hexe von Eichstätt - Lars Gelting

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zu tief hatte sich dieser Mann in sein Gedächtnis eingebrannt. Er nahm die Hände herunter, entfernte sich langsam einige Schritte in Richtung der Bäckerei. Betrachtete den, den er als Ungeheuer erlebt und der so vielen schon Höllenqualen auf Erden bereitet hatte. Halbnackt stand der nun mit hängenden Armen da, tief verletzt, wehrlos den Blicken fremder Menschen ausgesetzt, die jetzt ganz nah herangekommen waren und ihn begafften.

      Pater Gregor wandte sich ab, empfand, während er die Tür zur Backstube öffnete, ganz bewusst und im Gegensatz zu den Grundsätzen seines Glaubens, sehr menschlich: Für den Pocher hatte er kein Mitleid, er hatte heute schon zu viel für ihn getan!

      Im Dämmerlicht des Hauses, vor der steilen Treppe, die ins Obergeschoss führte, stand die Frau des Bäckers, zitterte am ganzen Körper und starrte zur Eingangstür, ihm entgegen. „Beruhigt euch, es ist vorbei.“ Er legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.

      „Pater! Euch schickt der Himmel!“ In der Tür zur Backstube glänzte der kahle Schädel des Bäckers.

      „Wer sonst, mein Lieber? Ihr seid obenauf? Das ist gut so!“ Er beugte sich etwas vor, machte einen langen Hals und schaute in die tüchtig verwüstete Backstube. „Ah! Das tut ja weh.“ Umgeworfene Tische, Scherben irdener Gefäße und allerlei Handwerksgeräte lagen über- und untereinander, zeugten von der sinnlosen, unbändigen Zerstörungslust, mit der sich die Strolche hier ausgetobt hatten. Der essigsaure Geruch des vor dem Ofen ausgeleerten schmierig-klebrigen Sauerteigs hing stechend im Raum.

      „Tja, Pater! So sieht das aus, wenn der Satan Brot einkauft!“

      „Spottet nicht! Das hätte schlimmer für euch ausgehen können.“

      „Mir reicht´s! Schaut ´s euch doch an!“ er wandte sich zur Seite und wies mit einer ausholenden Bewegung auf das Chaos. „Gott sei Dank haben die Lumpen den Kerl in meiner Mehlkammer entdeckt! Wahrscheinlich hätte sonst ich auf dem Misthaufen getanzt.“

      „Wusstet ihr, dass der in eurer Mehlkammer war?“

      „Woher denn? Die haben den entdeckt, als sie das Stöbern anfingen. Plötzlich zogen sie den Kerl aus der Kammer.“

      „Immerhin war das der Scharfrichter von Eichstätt. Normalerweise verkriecht der sich nicht.“

      „Der Pocher von Eichstätt?“ Im Gesicht des Bäckers spiegelten sich Erstaunen und Ratlosigkeit, „Der Pocher! Meint ihr, ich müsste mir Gedanken darüber machen?“

      „Sicher nicht. Ihr nicht!“ der Pater zog in Gedanken sein Gesicht etwas zusammen, die Stirne kraus. „Aber er wird für sein Versteckspiel einen Grund gehabt haben!“

      „Na ja. Die Halunken jedenfalls haben ihn sicher erkannt. Die haben ihn schon hier im Haus ganz schön zugerichtet.“

      Die Wärme der Backstube, der muffig-säuerliche Geruch und die Gewissheit, dass sich der Pocher in seiner Nähe aufhielt, machten dem Pater zu schaffen. Er musste zurück an die Luft.Vor dem Haus wandte er sich wieder seiner Kirche zu, schroff, abweisend gegenüber den Wartenden. War froh, dass er den Pocher nicht mehr sah.

      Wenige Schritte trennten ihn noch von der weit geöffneten Kirchentür, als eine Bewegung am Haus des Bäckers den Lauf seiner Gedanken unterbrach: Im selben Hauseingang, aus dem er gerade heraus auf die Straße getreten war, stand jetzt merkwürdigerweise eine Frau. Merkwürdig, weil es nicht die Frau des Bäckers war, aber nur diese war ihm zitternd im Hause begegnet. Er wandte Schultern und Kopf noch etwas weiter herum, um genauer hinsehen zu können. Aber alles, was er von ihr sah, war ihre Körpergröße, die es ihr ermöglichte, dort aufrecht im Gang zu stehen, wo er den Kopf unbedingt einziehen musste, und ihr Mantel. Ein solcher Mantel aus samtig aufgerautem, weich fallendem, grünem Stoff, wäre jeder gewöhnlichen Frau verwehrt und für diese auch unerschwinglich. Mäntel dieser Art setzten Vermögen voraus. Eine Wohlhabende im einfachen Hause des Bäckers!

      Unversehens wurde ihm bewusst, dass er immer noch auf der Straße stand, sichtbar für alle. Hastig machte er die letzten Schritte bis zur Kirchentür und wandte sich dann wieder um. Diese Frau kannte er nicht. Das auffallend helle, leicht krause Haar, welches so voll nach hinten in den Nacken fiel, es wäre ihm aufgefallen. Hierzulande hatten die Frauen dunkle Haare.

      Und ohne es zu merken kniff er seine Augen zu schmalen Sehschlitzen zusammen, nahm jedes Detail interessiert auf. Beobachtete, wie sie heraus auf die Straße trat und einen Augenblick vor dem Haus stehen blieb, kurz nur, um ebenfalls nach oben zu schauen. Ihr volles Haar staute sich dabei in dem aufgestellten Mantelkragen, ein schlanker Hals wurde sichtbar und Pater Gregor schaute in ein zwar etwas eckiges, aber vielleicht gerade dadurch reizvolles Gesicht.

      Plötzlich war da etwas! Etwas irritierte ihn, flog ihn nur kurz an, aber irritierte ihn nachhaltig.

      Als sich ihre Blicke unversehens begegneten, lächelten sie beide – nur einen kurzen Augenblick, grad lang genug, um sich der gemeinsamen Empfindung zu versichern. Ein freundliches Neigen des Kopfes und mit ruhigem, sicherem Schritt entfernte sich die Unbekannte, ohne den armen Zirngibl und all die anderen, die ihr jetzt so interessiert nachschauten, auch nur wahrzunehmen.

      Auch Pater Gregor schaute noch einen kurzen Augenblick hinter ihr her. Nicht, weil sie als Frau etwas in ihm zum Klingen gebracht hätte. Diese Saiten waren sämtlich in ihm verstummt, so glaubte er. Nein, irgendwie fühlte er etwas, von dem er nicht wusste, was es war, aber es begann, sich in seinem Innersten auszubreiten. Irgendetwas irritierte ihn an dieser Frau, die jetzt das Haus des Schmieds erreicht hatte, wo ebenfalls noch einige der Zuschauer des morgendlichen Spektakels standen und die Fremde unverhohlen musterten.

      Sie war eine Bürgerin, ohne Zweifel, eine Wohlhabende! Ganz sicher hatte sie noch keine Hühner gefüttert oder Ziegen gemolken, wie es die Aufgabe der Bäckerin war. Aber sie war keinesfalls aus dieser Gegend. Bis hinunter zum Kind kannte er jeden Hiesigen.

      Er ließ die Arme sinken: Er würde es schon noch erfahren, wer diese Frau war. Nur wenig blieb in diesem Ort verborgen. Endgültig wandte er sich wieder der Kirchentür zu.

      Begleitet vom Widerhall seiner Schritte ging er zielstrebig bis in den vorderen Teil der Kirche, wandte sich dort einem kleinen Seitenaltar in einer Nische zu. Es war der Seitenaltar mit dem verehrten Marienbild der Kirche, vor dem sich Pater Gregor nun lang ausgestreckt auf den kalten Steinfußboden niederlegte.

      Für eine kurze Zeit nur Menschenkind, war er so dem Himmel ganz nah, betete demütig in tiefer Frömmigkeit vor diesem Bildnis der Gottesmutter.

      Die dicken Klostermauern wussten noch nichts von der neuen Wetterlage. Wie schon seit Wochen gaben sie die gespeicherte Kälte und die Feuchtigkeit unverändert in den Innenraum der Kirche ab. Dennoch: Pater Gregor hatte seinen ganz persönlichen Grund, auch unter widrigsten Verhältnissen vor diesem Marienaltar niederzusinken. Ohne die Hilfe der Gottesmutter, die er in seiner höchsten Not angerufen hatte, wäre er dem Henker, dem Pocher, nicht entronnen. Davon war er heute mehr denn je überzeugt.

      Nach einer ganzen Weile fand er in die Wirklichkeit zurück. Die Kälte hatte ihn steif werden lassen, und er erhob sich ein wenig schwerfällig. Noch einmal schlug er das Zeichen des Kreuzes an seine Brust, wollte sich gerade abwenden, als er den flackernden Widerschein einer brennenden Kerze auf dem Mauervorsprung bemerkte. Der Docht war weit in das Innere der Kerze hinein gebrannt und zwang nun die Flamme, in wildem Lufthunger zu tanzen. Dies war es, was seine Aufmerksamkeit zunächst auf sich lenkte, diese unruhige Bewegung, die sich an Wand und Decke widerspiegelte und die er nur in den Augenwinkeln wahrgenommen hatte. Noch niemals hatte an dieser Stelle eine Kerze geleuchtet, wenn er zur Gottesmutter betete. Immer waren die Kerzen, die am Vortag von den Betenden und Bittenden hier angezündet worden waren,

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