Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting

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Trissa, Hexe von Eichstätt - Lars Gelting

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dazu bestimmt gewesen, länger zu leuchten. Aber da war noch etwas: Etwa daumenbreit über ihrem Boden war ein Kruzifix in das Wachs der Kerze hineingedrückt worden. Ihm zugewandt stand es auffallend groß im flackernden Licht, sprach ihn geradezu an, wollte von ihm wahrgenommen werden.

      Und so beugte er sich leicht in den Schultern vor, um das Gesamtbild etwas genauer erfassen zu können. Das Kruzifix! Heiß durchglühte es ihn vom Scheitel bis zur Sohle. Mit zwei hastigen Schritten erreichte er den Mauervorsprung: Dieses etwa handtellergroße Kruzifix, welches sich vor dem Licht aus dem Innern der Kerze so überdeutlich abhob, war ihm nur zu bekannt. Auch wenn es schon bald 14 Jahre zurücklag, dass er es in der Hand hatte; unter hunderten hätte er es herausgefunden. Ein echtes Schächerkreuz in klein, mit seinem Kern aus gewachsenem, unbehandeltem Eichenholz. Er kannte es nur zu genau und bedeutungsschwer zog es ihn förmlich an, nahm ihm die Fähigkeit zur eigenen Entscheidung.

      Er streckte die Hand aus, hob die Kerze vorsichtig herunter. Unverhofft genährt leuchtete die Flamme noch einmal auf, um dann jedoch im zurückfließenden Wachs zu erstickten. Er hielt den nun unbeleuchteten Kerzenstumpen ziemlich dicht vor seine Augen, um das Kruzifix ganz genau betrachten zu können. Eingelassen in einen feinen Silberrahmen war es inzwischen blank gewetzt und von vielen kleinen Rissen durchzogen. Dieses Kruzifix gab es nur einmal!

      Das noch flüssige Wachs lief ihm über den Handrücken der linken Hand, er nahm es nicht zur Kenntnis. Schwer atmend stand er da, die Schultern etwas nach oben gezogen, während er die rechte Hand, den natürlichen Reaktionen des Schreckens folgend, merkwürdig verkrampft vor den Mund presste. >>Stettin!<< Es war das Kruzifix, welches Johannes aus der brennenden Klosterkirche in der Nähe von Stettin retten konnte. Unaufhaltsam stiegen die Ereignisse aus den Tiefen seiner Seele herauf, wiederholte sich das Geschehene klar und deutlich vor seinem geistigen Auge:

       Sie waren auf dem Weg nach Wolgast, den Dänen zurück ins Meer zu treiben. Ein kühler Morgen, Nebelschwaden zogen vom Wasser heran, bildeten mal Schleier mal breite Bänke, die schweren, feuchten Vorhängen gleich über die Landschaft zogen. Zwischen den Schwaden hing plötzlich Rauch in der Luft, wallte, noch nicht vom Nebel verschluckt, dicht über dem Boden auf sie zu. Da brannte mehr als nur eine Herdstelle und sie folgten zu dritt dem Gewölk, das sich allmählich vom Boden erhob, brandig auf sie zu trieb und ihnen signalisierte, dass sie zu spät kommen würden. Der Rauch wurde dichter, nahm ihnen bald den Atem, ließ sie voranjagen, bis sie endlich der prasselnden, knisternden Brunst gegenüber standen. Vor ihnen, in einer flachen Senke, brannte ein Kloster. Ein kleines Kloster, dessen armselige Gebäude sich hinter der Kirche wie schutzsuchend zusammendrängten. Die Flammen schlugen bereits an mehreren Stellen aus Fenstern und Dächern, fraßen sich mit rasender Geschwindigkeit knisternd und heulend durchs Gebälk.

       Einer Fackel vergleichbar brannte der kleine Turm der Klosterkirche, hielt sein stählernes Kreuz schwarz und aufrecht in die Flammen. Kein Mensch, kein Tier! Der Ort wirkte gespenstisch verlassen, wie eine brennende, rauchende Insel, umwallt vom Meer undurchsichtigen Nebels.

       Hier hatte sich religiöser Wahn ausgetobt, hatte gewütet, geschändet, und in wilder Gier was brauchbar war geplündert.

       Sie stürmten ahnungsvoll in die kleine Kirche. Wenigen Stunden zuvor noch geheiligter Ort, entsprach sie jetzt eher einem Vorort der Hölle, in dem die Flammen des brennenden Chorgestühls ein grauenhaftes Szenarium beleuchteten: In waberndem Rauch und strudelndem, wirbelndem Funkenflug, angelehnt an den Tabernakel, saß der alte Zisterzienserabt auf dem Altar; die Frevler hatten ihm den Schädel eingeschlagen.

       Direkt vor dem Altar lagen sieben Mönche, erschlagen und in ungehemmter Wut verunstaltet. Ihr Blut war von den Füßen ihrer Mörder in einer grausigen Spur bis vor die Tür getragen worden.

       Als sie die Mönche abseits auf der kleinen Anhöhe begruben, fand Johannes das Kruzifix. Einem der Erschlagenen musste es aus dem Gewand gefallen sein.

      Mit brennenden Augen starrte Pater Gregor auf das Kreuz: Es war eine der ersten Kriegserfahrungen, die er damals machte, sie veränderte sein Leben.

      Als sie einen Tag später in Wolgast den Dänen stellten, waren Johannes und er in fürchterlichem und wie sie glaubten gerechtem Hass einem Blutrausch erlegen. Im Haufen Wallensteins mitrennend, metzelten sie erbarmungslos alles Protestantische nieder, was ihnen in die Hände fiel. Tief und immer noch sehr deutlich prägten sich ihm die Bilder des Geschehens ein. Das wilde Zustechen, Zuschlagen, das Geschrei der Wütenden und das der Sterbenden, ja selbst die Gerüche dieses fürchterlichen Gemetzels haben sich ihm eingebrannt. Entsetzt über die eigene orgiastische Lust am Töten hatte er die Armee sofort verlassen.

      Johannes ging es nicht viel anders als ihm, aber er brauchte den Sold und blieb deshalb noch beim Wallenstein.

      Dieses Kruzifix trug er nach Wolgast ständig an einem Lederband um den Hals, gewissermaßen als Schutz und Warnung zugleich. Niemals hätte er sich davon getrennt.

      Mit großen Augen schaute Pater Gregor von der Kerze weg ins Leere: Er ahnte den Grund, warum Johannes sich von diesem Kruzifix trennen musste. Und er wusste nun auch, warum ihn der Anblick der Frau vor dem Haus des Bäckers so irritiert hatte: Hühner füttern und Ziegen melken, wie leicht ließ sich das Auge täuschen!

      Sie hatte ihn also wiedergefunden, wusste ganz offensichtlich, dass er hier war. Nur eines wusste sie sicher nicht: Dass auch der Dritte im Bunde, der Pocher, der Scharfrichter, sie wiedergefunden hatte. Dass dieser ihr und damit auch ihm schon dicht auf den Fersen war. Ein weiteres Mal würde sie ihm nicht entkommen – und er dann auch nicht.

      2. Die Wechsel des Fürstbischofs

      Es war Krieg und Ingolstadt schien im Belagerungszustand zu sein. Soldaten, Milizionäre aus dem ganzen Lande, Händler, Gaukler und natürlich der unvermeidliche riesige Tross waren wie die achte Plage über die Menschen im Ort und in seiner Umgebung hereingebrochen. In einem breiten Ring lagerte der Großteil von ihnen auf den Wiesen und Feldern rund um die Stadt. Ingolstadt, die stolze Handelsstadt an der Donau, platzte aus allen Nähten, drohte in Anarchie, im Unrat und Gestank zu versinken.

      Therese war dieser Zustand nur zu bekannt. Selbstsicher und unbesorgt bewegte sie sich daher vom Haus des Bäckers quer durch die Stadt zu ihrem Ziel. Die Gewissheit, dass Pater Gregor ihre Botschaft nun sicher entdeckt und entschlüsselt haben würde, machte sie geradezu fröhlich. Er hatte sie eben erkannt; seine Irritation war ihr nicht verborgen geblieben. Und er würde eine Gelegenheit finden, bei der sie miteinander reden konnten. Außerdem hatte der Pocher zu spüren bekommen, dass sie wieder zurück war. Das Spiel hatte begonnen.

      Ungehindert bewegte sie sich dicht an den Häusern entlang, ging dort, wo hin und wieder Steine lagen und der Boden nicht mehr aufgeweicht war. Und unvermittelt war sie nicht mehr die einzige, die auf dem trockenen Bereich der Straße unterwegs zum Rathaus und zum Salzmarkt war.

      Hier pulsierte die Stadt bereits: Menschen kamen ihr entgegen, drängten sich mit Körben und Säcken beladen an ihr vorbei, zogen Ziegen, blökende Kälbchen oder junge Fohlen am Strick hinterdrein. Immer wieder musste sie stehen bleiben, drückte sich dann eng an die Hauswand, um nicht in den Straßenkot ausweichen zu müssen. Durch die noch aufgeweichte, enge Straße quälten sich Fuhrwerke, ohne eine Spur im morastigen Straßengrund zu hinterlassen.

      Vor ihr öffneten die ersten Verkaufsluken, erlaubten ihr im Vorbeigehen einen Blick in die verschiedenen Werkstätten und auf die ausgestellten Waren. Gleichzeitig entströmte ihnen eine Vielzahl unterschiedlichster Düfte hinaus auf die Straße, wo diese sich über den feuchten Muff und den Gestank erhoben, der zwischen den Häusern hervorkroch.

      Abrupt

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