Rauch und Asche. Gitte Loew
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»Hatte Frau Walter in diesem Stadtviertel Kunden? «
Sie überlegte. »Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich war nach dem Tod von Edgar zwar Ullas einzige Vertraute, doch was ihre Kunden betraf, verhielt sie sich sehr reserviert. Was ist mit ihr geschehen? « Frau Holler wirkte tief erschüttert.
»Wir haben zwischenzeitlich den Obduktionsbericht von der Gerichtsmedizin erhalten. Die sterblichen Überreste, die in dem Mercedes gefunden wurden, können eindeutig Ulla Walter zugeordnet werden. «
Ihr fehlten buchstäblich die Worte. Sie stotterte: »Wie ist das passiert? «
»Der Wagen wurde angezündet. «
»Nein, das kann ich nicht glauben. Ulla war der netteste Mensch, den Sie sich vorstellen können. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie sehr gegen die Einsamkeit ankämpfen müssen. Das Ehepaar hatte keine Kinder. Die beiden führten aber eine glückliche Ehe. Die Boutique bedeutete Ulla sehr viel.« Sie hielt atemlos inne.
»Das verstehen wir. Ich muss Sie trotzdem fragen, ob Frau Walter auf der Suche nach neuen Männerbekanntschaften war? «
Die Frau wich Hannas Blick aus. Sie rang förmlich nach Fassung.
»Ulla wünschte sich einen männlichen Begleiter an ihrer Seite. Nicht das, was Sie vermuten. Sie fühlte sich einsam. Ich habe ihr zur Seite gestanden, so oft ich konnte. Aber ich bin verheiratet, und muss mich auch um meine Familie kümmern. «
In diesem Augenblick wurde die Tür aufgeschoben. Ein junger Mann kam auf die Terrasse.
»Das ist mein Sohn Alexander«, sie sprang auf und legte den Arm um ihren Sohn. »Stell dir vor, Ulla ist etwas Schreckliches passiert. Sie ist umgebracht worden. «
Margit Holler lehnte ihre Stirn an die Schulter ihres Sohnes und begann zu weinen.
Der Mann blickte misstrauisch zu den Kriminalbeamten. Er nahm seine Mutter am Arm und führte sie zum Stuhl zurück, dann setzten sie sich an den Tisch. »Was ist geschehen? «, wollte er wissen.
Hanna beobachtete den Sohn der Familie eingehend. Sie räusperte sich. »Wir haben die sterblichen Überreste in dem verbrannten Mercedes von Frau Walter identifiziert. Das Auto wurde angezündet. «
»Ein Unfall? « Frau Holler war offensichtlich irritiert und verstand nicht sofort, was das alles zu bedeuten hatte.
»Nein. Niemand steigt in den Kofferraum seines eigenen Autos und zündet sich an «, stellte Torsten Schwarz nüchtern fest.
Sie schluchzte laut auf und begann zu weinen.
»Sind Sie sicher? Der Sohn wirkte deutlich gefasster als seine Mutter. «
Kommissarin Wolf warf ihm einen kühlen Blick zu: »Das Ergebnis der Gerichtsmedizin ist eindeutig. Kannten Sie Frau Walter eigentlich? «, wollte sie wissen.
»Ja, meine Mutter und Ulla sind schon seit Jahren befreundet. Ich habe Frau Walter hin und wieder mit dem Auto geholfen. Den Wagen zur Reparatur gebracht, oder mich um den Reifenwechsel gekümmert. Sie bat mich außerdem am Jahresende, im Geschäft die Inventur über EDV zu erfassen. «
Hanna horchte auf. »In der Boutique steht kein Computer? «
»Ich habe den Bestand in mein Laptop aufgenommen und die Daten auf einer DVD abgespeichert. Ulla wollte in nächster Zeit auf EDV umstellen. Frau Walter hatte die Jahre zuvor die Inventur handschriftlich notiert. «
»Ist Ihnen dabei etwas besonders aufgefallen? «
»Nein, es war alles wie immer. Der Warenbestand war nicht sehr groß. Ulla hat selbst eingeräumt, dass die Geschäfte nicht mehr so gut liefen. Ich empfahl ihr, sich das mit dem Computer nochmals zu überlegen. «
»Haben sie Frau Walter auch sonst geholfen? « Hanna Wolf beobachtete den Sohn aufmerksam.
Der Mann schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, Ulla war eine Freundin meiner Mutter, ich habe anderes zu tun. «
»Was machen Sie beruflich? «
»Ich werde Jura studieren. Im Moment leiste ich meinen Zivildienst, aber im Frühjahr fange ich mit dem Studium an. «
»Wo sind Sie im Einsatz? «
»Ich arbeite in einem Sportzentrum bei der Betreuung behinderter Kinder. Ich unterstütze die Gruppenleiter bei ihrer Arbeit. Manchmal helfe ich auch in Sportgruppen für Herzkranken aus. «
Nachdem sich Frau Holler ihre Nase geputzt hatte, fügte sie hinzu: »Alexander ist außerdem schon lange Mitglied bei der Frankfurter Rudergesellschaft, hier in Sachsenhausen. Es ist ein Verein mit langer Tradition. Sie rudern nicht nur auf dem Main, sondern nehmen auch an Wettkämpfen teil. « Ihr mütterlicher Stolz, war weder zu übersehen, noch zu überhören.
»Ist Ihnen in der letzten Zeit etwas bei Ulla Walter aufgefallen? Hat sie Ihnen von einem neuen Mann berichtet? «
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es war alles wie sonst. Ulla ist eine Frau, die gut allein zurechtkommt. «
»Sie war eine selbstständige Frau. Ulla ist tot«, korrigierte Alexander seine Mutter. «
Torsten beobachtete mit unverkennbarer Abscheu den eingebildeten Dandy. Er trug zur dunkelblauen Hose ein weißes Hemd und hatte einen Seidenschal umgebunden. An seinem Hosengürtel blinkte eine Gürtelschnalle aus Metall, auf der ein historisches Emblem eingestanzt war. Die Eltern würden ihm nach Abschluss des Studiums bestimmt eine Anwaltskanzlei auf dem Lerchesberg einrichten. Der affige Kerl hatte von Gangster Rap bestimmt noch nichts gehört. Ein junger Konservativer.
Hanna Wolf ließ nicht locker. »Wie hat Frau Walter die Männer kennengelernt? «
Frau Holler zuckte mit den Schultern. »Ulla hat nichts gezielt unternommen. Es ergab sich hin und wieder eine Bekanntschaft durch Verkaufsgespräche. Die Boutique führt auch Herrenwäsche im Sortiment. Sie dürfen das aber nicht überbewerten. Soviel ich weiß, gab es nur wenige Kontakte, die sich letztendlich in Wohlgefallen aufgelöst haben. «
»Wann haben Sie Frau Walter zum letzten Mal gesehen, oder mit ihr gesprochen? «
»Telefoniert haben wir meistens wöchentlich. Mein Mann spielt freitags Tennis und isst anschließend im Klub zu Mittag. In dieser Zeit konnten wir in Ruhe miteinander reden. Wir haben uns das letzte Mal vor zwei Wochen im Palmengarten getroffen. «
»Sonst nichts? «
»Ich kann Ihnen nichts Außergewöhnliches berichten. «
»Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, hier ist meine Karte mit der Telefonnummer«, Hanna erhob sich.
Margit und Alexander Holler standen gleichzeitig auf und begleiteten die Kriminalbeamten zur Tür.
Als Hanna im Auto saß, klopfte sie mit der Hand aufs Armaturenbrett. »Alles gutbürgerlich. Ich wette, die hat uns nicht alles gesagt, aus welchen Gründen auch immer. «
»Oder Frau Walter hatte ganz bewusst Geheimnisse vor ihrer besten Freundin«, stellte Torsten nüchtern fest.