Der tote Hund in der Dachrinne. Axel Birkmann
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Читать онлайн книгу Der tote Hund in der Dachrinne - Axel Birkmann страница 16
Ein paar Minuten später parkte Kreithmeier den Dienstwagen vor der SGM, der Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München mbH in der Terminalstrasse. Ein aufgeregter übergewichtiger Mann in einer dunkelblauen Uniform rannte auf sie zu und riss die Wagentür auf.
»Kommissar Kreithmeier?«
»Ja!«
»Ludwig Huber. Kommen Sie. Sind Sie allein? Wo ist Ihr Team«, fragte er nervös. Er schwitzte. Sein Gesicht war feucht. Und er atmete schwer.
Melanie Schütz und Kreithmeier stiegen aus. Gizmo sprang freudig bellend hinterher.
»Das ist meine Kollegin Melanie Schütz und das ist mein Hund Gizmo. Beide begleiten mich. Die Spurensicherung kommt noch, die brauchen immer länger, bis sie ihren ganzen Krempel zusammen gepackt haben.«
Als Gizmo den Sicherheitschef entdeckte, stellte er sich breitbeinig vor ihm auf und knurrte ihn an. Huber rückte einen Schritt zurück.
»Gizmo!«, rief Melanie scharf und sofort war der Hund still und blickte treu auf die Kommissarin. Kreithmeier blickte erstaunt auf seine beiden Partner. Es war unglaublich wie das Tier dieser Frau folgte, dachte er. Der Rüde war sicher schwanzgesteuert. So folgte er ihm selbst niemals.
Huber hielt gebührenden Abstand zu dem Rüden.
»Ist das ein Polizeihund?«, fragte er.
»Gewissermaßen.«
»Ungewöhnlich. Ich dachte, Sie haben nur deutsche Schäferhunde.«
»Gizmo ist eine Ausnahme. Und sehr zuverlässig.« Kreithmeier kraulte Gizmo den Nacken, während er sprach.
»Und wo liegt jetzt der Tote.«
»Auf dem vorderen Teil des Rollfelds. Wir fahren mit einem Marshaller Fahrzeug dort hin. Beamte des Bundesgrenzschutzes haben mit meinen Leuten zusammen den Fundort gesichert und abgeriegelt. Kommen Sie.«
Kreithmeier zog seine Jacke aus dem Wagen, schlupfte hinein und klappte den Kragen hoch. Obwohl es bis jetzt noch keine einzige Flocke Schnee gegeben hat, war es kalt, ein eisiger Wind fegte über das ebene Gelände des ehemaligen Erdinger Mooses. Für den Bau des Flughafens hatte man künstlich den Grundwasserspiegel gesenkt. Die Feuchte des Mooses war verschwunden und die regelmäßigen Nebelbänke hatten sich aufgelöst.
Ludwig Huber schritt voran zu einem schwarzgelb karierten Bus, der normalerweise für das Einwinken der Flugzeuge gedacht war. Er öffnete die Schiebetür und sagte: »Bitte nehmen Sie Platz. Wenn Ihre Leute kommen, wird sie ein Kollege von mir zu uns aufs Flugfeld fahren.«
Ludwig Huber nahm neben dem Fahrer Platz.
Kreithmeier, Gizmo und Melanie Schütz setzten sich hinter die beiden in den Bus. Gizmo freute sich, dass er dabei sein durfte, er legte sich ruhig zu den Füssen der beiden Kommissare und wedelte freudig mit seinem Schwanz. Seine beiden Fledermausohren waren aufgestellt, so als ob er jedes Wort mitbekommen wollte, was fortan gesprochen wurde.
Der Fahrer steuerte den Wagen zu einem Tor in der Flughafenumzäunung. Jemand vom Wachdienst öffnete und schon fuhren sie mit Blaulicht über das riesige Vorfeld an den Maschinen von Air Berlin vorbei, die seit einiger Zeit fast die gesamte Hälfte des Terminal 1 belegten. Nach einer breiten Brücke über die Anfahrtstrasse ging es auf einen der Taxiway bis auf die Startbahn. Aus der Ferne konnte Kreithmeier mehrere Blaulichter erkennen, die in einem Kreis mitten auf der Betonpiste aufgestellt waren. Abrupt bremste der Fahrer vor einem Jeep des Bundesgrenzschutzes.
»Folgen Sie mir!« Ludwig Huber sprang aus dem Bus und öffnete die Schiebetür. Galant bot er Melanie die Hand an um ihr herauszuhelfen. Sie hatte immer noch ihre Pumps und ihren Minirock an. Absolut nicht die richtige Bekleidung für einen Einsatz auf einem windigen Flugplatz, doch sie ließ nicht erkennen, dass sie fror. Sie hatten keine Zeit gehabt, sich umzuziehen. Und eigentlich musste sie die Klamotten seit Sonntagabend anhaben, dachte Alois. Sie waren gleich nach dem Dienst zum Essen gefahren. Und jetzt direkt vom Lindenkeller hierher. Der Wind zerzauste Melanie die Reste ihrer Frisur. Sie hielt sich wacker. Sie stand ihren Mann, dachte Alois, und sah dabei auch noch hübsch und begehrenswert aus.
»Wo liegt der Tote?«, fasste er sich schnell wieder und schob die Gedenken an den gemeinsamen Abend weg.
»Hier mitten auf der Startbahn«, sagte Huber und schob zwei Beamte mit automatischen Waffen zur Seite. Jetzt konnte ihn auch Kreithmeier sehen. Mitten zwischen zwei Farbmarkierungen lag ein Mann in einem eleganten Anzug und teuren Schuhen, so weit er das einschätzen konnte, auf dem Rücken. Das ehemals schneeweiße Hemd hatte sich dunkel verfärbt. Mitten auf seiner Brust waren drei schwarze Löcher im Hemd. Einschusswunden schlussfolgerte der Kommissar.
»Wer hat die Leiche gefunden?«
»Einer unserer Marshaller, einer der Einwinker der Flugzeuge. Normalerweise warten sie am Ende der Landebahn auf die Maschine und geleiten sie dann persönlich zu ihrer jeweiligen Endposition. Und das auch nur, wenn das elektronische Einweisungssystem ausgefallen oder überlastet ist. Einer der Piloten einer landenden Maschine hat per Funk weitergegeben, dass etwas auf der Betonpiste liegt. Erst daraufhin ist jemand dorthin gefahren. Die Start- und Landebahnen sind tabu für Bodenfahrzeuge, nur im Notfall erlaubt: Feuer, Entführung oder bei einer Notlandung.«
Kreithmeier blickte den Toten an, dann den Leiter der Sicherheit und schließlich besorgt in den Himmel.
»Und Sie sind absolut sicher, dass in der nächsten Zeit hier keine Maschine landen wird, auch nicht aus Versehen?«
»Die Landebahn ist gesperrt. Und wir haben jetzt Nacht, da gilt das Nachtflugverbot. Am Flughafen München ist deshalb zur Nachtzeit Flugbetrieb nur mit besonders lärmarmen Flugzeugen und nur in eingeschränktem Umfang zugelassen. Die ersten Maschinen starten wieder um 5.45. Bis dahin sollten Sie mit Ihrer Arbeit fertig sein.«
Kreithmeier starrte wieder auf die Leiche. Dass der Mann tot war, schien außer Frage. Den Beweis musste er nicht erbringen. Was jetzt von Interesse sein sollte, war der Fundort auch der Tatort, und seit wann lag die Leiche hier und vor allem wie kam sie hierher. Der Flughafen war von allen Seiten mit einem über drei Meter hohen Maschendrahtzaun mit Stacheldraht eingezäunt. Überall Patrouillen von Beamten des Bundesgrenzschutzes und des Zoll. Wie sollte da jemand hineinkommen und vor allem warum? Warum tötete man jemanden hier und legte dann die Leiche an einen so exponierten Ort? Was wollte der Mörder damit sagen? Kreithmeier suchte nach seiner Begleitung. Gizmo hatte er im VW-Bus gelassen. Der würde hier jetzt nur alle verwirren, anknurren und anbellen und herumspringen. Da war er im Bus besser aufgehoben.
Melanie Schütz hatte sich weiße Silikonhandschuhe angezogen und untersuchte vorsichtig die männliche Leiche. Der Mann kam aus gutem Hause, hatte schwarzes leicht gelocktes Haar, manikürte Hände, einen guten Schneider und keine billigen Schuhe an. Er musste um die 40 sein, vielleicht sogar älter, maximal 43. Kein Arbeiter, ein Bürogänger. Er sah auch nicht aus wie ein Krimineller, Drogenhändler oder Waffenschieber, der einer internen Säuberungsaktion zum Opfer gefallen war. Nein, er sah aus wie ein unbescholtener Familienvater, auf dem Weg nach Hause nach einem arbeitsreichen Tag. Ihrer Schätzung nach war der Tod noch nicht lang eingetreten. Der Körper war zwar schon kalt, aber das konnte auch am eisigen Westwind liegen. Vorsichtig griff sie dem Toten in die Innentasche seines Sakkos. Und sie hatte Glück. Zwischen Zeige- und Mittelfinger