Der tote Hund in der Dachrinne. Axel Birkmann

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Der tote Hund in der Dachrinne - Axel Birkmann

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schließlich dahinter kam, war es schon zu spät. Ohne gemeinsame Kinder war die Trennung recht einfach. Eine Schuldfrage wurde von keinem von beiden gestellt. Jeder hatte wohl oder übel seinen Teil dazu beigetragen. Sie trennten Bett und Tisch. Die große Dreizimmerwohnung im Neustift wurde verkauft und die Möbel aufgeteilt. Seine Frau zog mit ihrem Fliesenleger zusammen. Und er suchte sich eine kleine Wohnung mit Balkon, die er sich leisten konnte: im Lerchenfeld, dem südlichsten Stadtteil von Freising, mit relativ vielen neuen Mehrfamilienhäusern. Und um nicht ganz allein zu sein, hatte er sich einen Hund zugelegt: Gizmo. Der knuddelige Hund, der sich jetzt unter dem Tisch an sein Bein schmiegte, hatte wenigstens einen zweiten Herzschlag in sein tristes Heim gebracht.

      »Schmeckt es dir?«, fragte plötzlich seine Kollegin, störte seine Gedanken und brachte ihn zurück in die Wirklichkeit.

      »Ja, lecker. Ich war schon lange nicht mehr aus. Und an meine letzte Pizza, die nicht aus dem Tiefkühlregal stammt, kann ich mich nicht mehr erinnern.«

      »Ich finde es hier super. Viele Studenten hier, ganz gemütlich und die Preise sind in Ordnung. Was meinst du?«

      »Ja, ja. Alles gut.« Kreithmeier war es nicht mehr gewohnt, Small Talk in einem Speiserestaurant mit einer hübschen Frau zu sprechen. Die letzten Jahre waren da eher bescheiden ausgefallen.

      »Weiß du Kreiti, was mir aufgefallen ist, die Löbingers haben so sonderbare Namen, überhaupt nicht bairisch. Die sprechen auch nicht mal Dialekt. Wo kommen die her?«

      »Ich weiß es nicht. Aus Freising?«

      »Wie heißt der Vater mit Vornamen, kannst du dich noch daran erinnern, sie hat es uns heute früh gesagt?«

      »Tobias, glaube ich.«

      »Richtig Tobias.« Melanie schob sich eine Gabel Nudeln in den Mund, dann sagte sie mit vollen Backen: »Sara, Hannah, David, Tobias und Joshua.«

      »Joshua?«

      »Der tote Hund. Joschi war nur sein Spitzname.«

      »Ja, du hast Recht.«

      »Das sind alles jüdische Namen, wenn ich mich nicht irre.«

      »Wie kommst du denn da drauf?«

      »Also bei Sara und David, da weiß ich es definitiv, bei Joshua auch, bei Hannah und Tobias bin ich mir nicht ganz sicher.«

      »Tobias heißt „der Herr ist mein Gut“«, klärte Alois sie auf, »Tobias ist auch ein jüdischer Vorname. Und Hannah kommt von Johanna. Auch ein biblischer Name, heißt so viel wie „Gnade oder Anmut“.«

      Melanie pfiff anerkennend durch die Zähne: »Woher weißt du das alles? Das ist ja geil.«

      »Meine Frau und ich wollten vor Jahren unbedingt ein Kind. Da hatten wir im Vorfeld schon einige Vornamen ausgewählt. Aber letztendlich hatte es nicht sollen sein. Also gut, zurück zu den Löbingers, alles biblische Namen. Könnten die Löbingers Juden sein? Und was spielt es für eine Rolle, und wenn, ja?«

      Melanie legte ihre Gabel auf den Teller, putzte sich die Hände an der Serviette ab, griff in ihre Handtasche und zauberte ein Smartphone daraus hervor. Mit dem Daumen gab sie sekundenschnell ein paar Buchstaben ein.

      »Hier Löbinger«, sie hielt ihrem Kollegen das Display vor die Nase, »schau mal. Namenkundelexikon. Löbinger ist ein jüdischer Name. Ein alter jüdischer Name, stammt von Levi: Sohn des Jakob. Du hast Recht. Die Löbinger sind alles Juden.«

      »Es ist doch nicht verboten, Jude zu sein. Was wollen Sie mir damit sagen?«

      »Gar nichts. Es war mir nur aufgefallen. Ich habe übrigens mal die Einkommensverhältnisse der Familie überprüft.«

      »Wann haben Sie das denn getan, Frau Schütz?«

      »Als du die Frau vernommen hast.«

      »Und?«

      »Und was?«

      »Was haben Sie herausgefunden?«

      »Ach so. Der Löbinger Bau geht es nicht so gut. Der letzte größere Auftrag war der Ausbau des Münchner Flughafens. Beim Terminal 2 haben sie mitgearbeitet. Das Vorfeld stammt von ihnen. Und einige Betonplatten, unter anderem auch für dieses riesige Parkhaus neben dem Airport Center.«

      »Das ist aber schon 10 Jahre her. Was haben sie in der Zwischenzeit gebaut?«

      »Sie haben am Flugplatz in Memmingen einen Auftrag gehabt, aber größtenteils sich mit kleineren Projekten über Wasser gehalten. Flugplätze werden ja auch nicht in der gleichen Anzahl gebaut wie Einfamilienhäuser. Es laufen im Moment Ausschreibungen in Wien, in Salzburg, für die Dritte Startbahn hier im Moos und eine am Flughafen Dortmund.«

      »Und alle diese Bauvorhaben sind politisch noch nicht abgesegnet und schweben in der Luft. Gefährlich, sich auf so etwas einzulassen. Es wäre gut, wenn Sie da mehr recherchieren würden. Wer weiß was da noch alles zu Tage kommt?«

      »Etwas Süßes, etwas zum Nachtisch, oder nur einen Espresso«, fragte Melanie ihren Kollegen.

      »Einen Espresso, das reicht, Danke, ich habe sowieso viel zu viel gegessen. Und wenn ich da an Ihre Bemerkung von heute morgen denke. Übergewicht, zu wenig Sport, zu wenig Bewegung, und dass ich älter aussehe als ich tatsächlich bin. Wie alt ist eigentlich der Zeidler?«

      »Wer?«

      »Na, der Zeidler aus der Spurensicherung.«

      »Ach der Rainer. Was schätzt du denn?«

      »So alt wie ich.«

      »Denkste. Der hat dieses Jahr seinen Fünfzigsten gefeiert. Da staunste was? Was so ein bisschen Sport und die richtige Ernährung alles bewirken können. Ich sage nur fünf Tibeter.«

      »Dann hätte ich aber nicht mit essen gehen dürfen.«

      »Jetzt übertreibst du es aber. Klar! Eine mittlere Pizza hätte es auch getan, und nicht die Familiale mit 33 cm Durchmesser.«

      »Und Sie können ohne Probleme abends Nudeln, also Kohlenhydrate essen, und Sie nehmen nicht zu?«

      »Mein lieber Kreiti, wenn du dich am frühen Morgen von deinem Hund durch die Nebelschwaden der Isarauen ziehen lässt, jogge ich durch den Kranzberger Forst, jeden Tag 8 bis 10 Kilometer. Das macht Kondition, muskulöse Beine, eine gut durchblutetes Herz und einen knackigen Hintern. Während deine Frischluftabenteuer nur eine Alibifunktion haben. Ohne Gizmo würdest du doch in deiner Bude an Sauerstoffmangel verrecken.«

      »Also hören Sie mal.«

      »Ja?«

      »Ach, nichts. Einen Espresso. Nur noch einen Espresso, dann zahlen wir mal. Morgen ist auch noch ein Tag.«

      Kreithmeier schaute nach der Bedienung. Er vermied den Augenkontakt mit Melanie. Sie hatte Recht, auch wenn es ihm schwer fiel, es zuzugeben. Seine Untätigkeit und vor allem seine kalorienhaltige Ernährung bestehend aus Fertigpizzen, Lasagne aus der Frischetheke und Dauerwürsten mit Senf und Sonnenblumenbrot hatten ihn in den letzten Monaten auseinandergehen lassen. Ohne Gizmo hätte er sicher gar keine Bewegung mehr. Und wann ist er das letzte Mal einem Autodieb

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