Verloren. Josef Rack

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Verloren - Josef Rack

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langen Stehen auf einer Stelle und von der Kälte.

      Wsem wychoditj – Weshi ostawitj! (Alles aussteigen - Gepäck drinlassen!)

      Vater im Himmel - das ist bestimmt unsere letzte Stunde?!

      Für die Transporte sind jeweils Sprecher der Evakuierten ausgesucht worden, die russisch reden. Mit diesen besprechen die Russen etwas.

      Alle spitzen die Ohren. Unruhe, Angst…

      Manche fangen schon an zu weinen. Mütter drücken ihre Kinder an sich, Männer umarmen ihre Angehörigen.

      Ihr Sprecher kommt auf sie zu: „Wir machen hier Rast, es passiert euch nichts, ihr könnt austreten, aber dass keiner den Versuch unternimmt, abzuhauen. Die warten nur drauf, sie möchten gern mal wieder schießen und die Hunde möchten auch ihren Spaß haben.“

      Alle reden durcheinander.

      „Wir müssen auch etwas essen, in den Wagen war es ja nicht gut möglich.“

      Der Sprecher entfernt sich, verhandelt und kommt wieder zurück. „Also gut, ihr dürft von euren Sachen was herausnehmen, aber alles wieder in die Wagen legen, es kann jederzeit weitergehen.“

      Hektik. Die einen bemühen sich, schnell etwas aus ihrem Bündel herauszuholen, andere suchen, soweit es ihnen ermöglicht wird, ein Plätzchen, wo sie sich erleichtern können. Hemmungen haben jetzt keine Gültigkeit mehr.

      Überleben heißt die Devise.

      Bohrende Fragen haben die Unglücklichen auf den Lippen:

      „Wo sind wir, wo werden wir hingebracht, was wird mit uns geschehen?“

      Ihr Sprecher hat eine beruhigende Erklärung parat:

      „So viel ich weiß, werden wir alle in den Westen gebracht, bestimmt nach Österreich oder Deutschland. Zurück kommen wir bestimmt nicht mehr. Ich glaube auch nicht, dass wir in Gefangenschaft müssen.“ Gemischte Gefühle. Erstmal Erleichterung, die Minen hellen sich auf.

      Der Verlust ihrer Heimat tut weh - wird aber im Augenblick verdrängt.

      Wichtig ist jetzt, den Transport zu überstehen. Wie weit ist Deutschland überhaupt entfernt? Die ganze Zeit in dem eiskalten Zug, da werden viele erfrieren.

      Reicht unser Essen? Die geben uns bestimmt nichts! (so viel sie sehen, leben die Soldaten auch nicht üppig).

      Sie stehen mit ihrem Zug auf freiem Gelände, offensichtlich eine Ausweichstrecke. In einiger Entfernung sieht man einen großen Fluss. Das muss die Donau sein.

      Zwei Transportzüge mit Militärfahrzeugen beladen und ein Zug mit Soldaten, fahren in Gegenrichtung vorbei, wahrscheinlich in Richtung Heimat.

      Zum Teil fröhlich dreinblickende Gesichter schauen aus den Fenstern, manche singen sogar.

      Ein Soldat wirft irgendeine Dose heraus.

      Bevor aber ein Kind danach greifen kann, hat sie schon einer ihrer Wächter an sich genommen. Der reißt die Dose auf und verschlingt den Inhalt. Offensichtlich war was Essbares drin.

      Pfeifen, Befehle, es geht weiter. Dawaj, dawaj idi!

      Schnell alles zusammenpacken und einsteigen. Im ganzen Durcheinander, bemerkt man erst jetzt, dass die alte Frau, die schon im Wagen den Zusammenbruch hatte, reglos im Schnee liegen bleibt. Zuerst wollen zwei Männer sie aufheben, in den Wagen rein hat aber keinen Sinn – zu spät! Begraben? – unmöglich.

      „Dawaj“ - in die Wagen, schnell, schnell.

      Gott sei Dank, ein paar waren so beherzt und haben die Notdurft-Ecke sauber gemacht. Vom Gebüsch hat man Zweige abgerissen und in die Ecke gelegt. So ist der Platz nicht mehr ganz so unansehnlich. Ist alles beieinander? Der Verschlag wird schon zugehauen und verriegelt. Pfeifen, Kommandos, Ruckeln und schon setzt sich der Zug langsam in Bewegung. Die an der Seitenwand Stehenden sehen noch aus den Ritzen das traurige Bündel Mensch, das einsam im Schnee im Nirgendwo zurückbleibt.

      Tränen in den Augen.

      Also: Westen. Zukunft ungewiss.

      Diesmal dauert es nicht mehr Stunden.

      Die Stimmung ist durch das Klammern an die Hoffnung auf einen relativ guten Ausgang ihrer Reise gestiegen. Die Fahrt verlangsamt sich. Es geht an bereits stehenden Zügen vorbei. Überall Soldaten. Zeltlager. Im Schritttempo immer weiter.

      Stillstand. Warten. Endlos.

      Die Ungeduld wächst. Wieder ein Stück weiter. Es wird hoffentlich bald Tag.

      Stopp. Warten.

      Anschwellendes Stimmengewirr. Quietschende Riegel. Öffnen des Türverschlags.

      Wychodi, weshi bratj s soboj. (Aussteigen, alles ausräumen)

      Wieder das qualvolle Aussteigen. Wieder fallen ein paar Schwache zur Luke hinaus auf den Schotter. Einer Frau fällt ihr Baby aus den Händen hinunter, wo es schreiend liegen bleibt. Andere werfen zuerst ihre Habseligkeiten hinaus und folgen gleich hinterher, um ja nichts zu verlieren.

      Es ist offenbar eine Bahnstation und Sammelplatz.

      Überall sind Scheinwerfer aufgestellt.

      Alle Aussteigenden werden von Bewachungstrupps umstellt.

      Kommandos zum Nachfolgen. Sie werden durch Gassen von bereits angekommenen Leidensgenossen bis zu einem freien Platz geführt. Da wird ihnen verständlich gemacht, dass sie sich niederlassen sollen. Schnell packen sie ihre Decken und Ähnliches aus. Zusammengehörige versuchen sich etwas zu schützen, indem sie sich dicht aneinanderdrängen.

      Die eiskalte Nacht müssen sie überstehen. Zum Morgen hin ist die Kälte am schlimmsten. Überall vor Kälte wimmernde Menschen. Kurzer Dämmerschlaf erlöst sie von den Schmerzen und quälenden Gedanken. Ein eiskalter klarer Morgen lässt sie aber wieder schlotternd erwachen.

      Überall Husten, Schnäuzen. Jammern.

      Aufstehen, die Gelenke bewegen, die Glieder reiben - ja nichts erfrieren. Das lässt sich aber bei vielen nicht vermeiden.

      Ein Militär-Jeep fährt vor. Einer unterhält sich mit ihrem Sprecher. Dieser wendet sich anschließend an seine Gruppe:

      „Ein Wunder geschieht, fünf Mann müssen mitkommen, Geschirr mitnehmen, wir sollen was zu Essen holen.“ Freudenäußerungen gehen durch die Reihen. Jeder will natürlich mit. Mit fünf Ausgewählten marschieren sie ab.

      Die Zurückbleibenden warten sehnsüchtig.

      Es vergehen aber über zwei Stunden bis sie zurückkommen.

      Die Hungrigen stehen schon lange da und warten darauf, was die sechs Männer bringen werden. Endlich, die Kolonne ist in Sicht. Die Hälse werden lang. Kinder können es nicht mehr aushalten, Wachen wollen sie zurückdrängen.

      Vergeblich, die Kinder wuseln ihnen zwischen den Beinen durch und rennen auf die Entgegenkommenden zu.

      Voll bepackt, eine Schubkarre haben sie

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