Verschenke kleine Sonnenstrahlen. Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski
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Nicht für das Fundbüro geeignet
In einer Zweimillionenstadt werden tagtäglich unzählige Menschen in den Bahnwaggons des Verkehrsverbundes von einem Stadtteil in den anderen befördert.
Grußlos betreten überwiegend einzelne Personen den Wagen und lassen sich auf einem freien Sitzplatz nieder. Man sitzt oft eng auf Tuchfühlung nebeneinander und bleibt doch anonym. Viele der Fahrgäste verschanzen sich hinter ihrer Zeitungslektüre und nehmen so den Nächsten überhaupt nicht wahr. Vor ein paar Tagen aber war ein blumiger Anlass für eine Frau ein Grund zu einem Gespräch. Und das gestaltete sich so:
In einem U-Bahnwagen saßen ein Mann und zwei Frauen. Als der Mann aussteigen wollte, lag auf der Bank neben seinem Sitzplatz unverkennbar ein eingepackter Blumenstrauß. Die eine der beiden Frauen war sehr aufmerksam, und sie rief noch hinter dem Aussteigenden her: „Sie haben ihre Blumen liegengelassen!“ Und sie bekam zur Antwort: „Nein, das sind nicht meine Blumen, die lagen da schon auf der Bank, als ich eingestiegen bin.“ Der Zug setzte pünktlich seine Fahrt fort. Jetzt saßen nur noch die beiden Frauen im Wagen. In Gedanken versunken, so schien es jedenfalls, schaute die junge Blondine mit auffallend langen Haaren während der Fahrt aus dem Fenster. Schräg gegenüber saß die Frau im besten Mittelalter mit fast schwarzen kurzen Locken und einem freundlichen Gesicht. Unvermittelt schauten sie sich dann aber spontan an. „Also, wenn der schöne Blumenstrauß von jemandem vergessen wurde und nun in den nächsten Stunden ohne Wasser gewiss bald vertrocknet sein wird, schlage ich doch vor, dass Sie den Strauß in Ihre Obhut nehmen, denn ich bin noch länger unterwegs und für das Fundbüro sind die schönen Blumen nicht geeignet“, sagte die wachsame Frau im mittleren Alter zu ihrem Gegenüber. Doch im Gesicht der Angesprochenen spiegelten sich ein Verlegensein und eine spürbare Unentschlossenheit. „Einen Blumenstrauß, den ich nicht käuflich erworben oder geschenkt bekommen habe, möchte ich nicht an mich nehmen“, sagte die junge Frau dann ganz offen und ehrlich. Doch spontan hatte die Frau mit den wachen Sinnen der Mitfahrenden einen gut überlegten Vorschlag zu machen. „Wie wäre es, wenn sie den Blumenstrauß jemandem schenken würden, vielleicht Ihrer Mutter?“ Mit einem Leuchten in ihrem Gesicht antwortete darauf die junge Frau: „Ja, das ist eine prima Idee, denn ich habe meine Mutter schon so lange nicht mehr besucht.“ Und bei der nächsten Bahnstation steigt eine erwachsene Tochter aus und winkt der Weiterfahrenden fröhlich mit dem verpackten Blumenstrauß zu, als wär’s ein Dank an sie.
Eine Rose verschenkt, zwei Umarmungen bekommen. Wenig gegeben, reichlich genommen.
Sein neues Amt
Langsam steigt er von seinem Fahrrad und lüftet die grüne Schirmmütze, bevor er das versteckt gelegene kleine Restaurant betritt, das von stattlichen hoch betagten Lebensbäumen und zahlreichen Kiefern beschützt wird. Seit seiner Pensionierung kehrt der freundliche Herr zu Kaffee und Kuchen fast jeden Tag in diesen Familienbetrieb ein. Diesen kleinen Luxus leistet sich der ehemalige Beamte nicht nur des selbstgebackenen Kuchens und des guten Kaffees wegen. Der groß gewachsene Ruheständler bringt stets so viel Fröhlichkeit mit an den so genannten Stammtisch, an dem weder Karten gespielt, noch Bier getrunken wird. Dort ist der Treffpunkt für Alleinlebende, für Einsame und Kontaktsuchende. Die Menschen, die sich um den schönen Holztisch im alten Forsthaus versammeln, haben in dieser Gemeinschaft die Möglichkeit, dass sie ein Urbedürfnis eines jeden Menschen, nämlich das sich Mitteilen dürfen, hier stillen können. Sie sitzen auf der stoffbezogenen rustikalen Bank dicht beieinander. In ihren Wohnungen müssen sie schon genug mit dem Alleinsein leben. Und sie sind so treu und zuverlässig, dass man fast die Uhr nach ihrem Eintreffen stellen könnte. Die Pünktlichkeit ist vielleicht eine noch nicht erloschene auferlegte Eigenschaft aus den aktiven Berufsjahren. Mehr vermute ich jedoch, dass ihnen das Zusammensein so wichtig ist.
Wenn die junge Wirtin die Kerze auf dem Tisch angezündet hat, bekommen die Augen im warmen Licht einen leichten Glanz. Es wird erzählt, gefragt, gelacht, und immer darf jeder ausreden. Man geht diszipliniert und rücksichtsvoll, ja kameradschaftlich miteinander um. Eine warme Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens macht es möglich, dass auch über die Untersuchungsergebnisse der letzten Arztbesuche und über Erkrankungen gesprochen wird. Die Gleichgültigkeit hat auf dieser Bank keine Chance, hier ist kein Platz für sie. Und wenn einer aus der vertrauten Runde mal an einem Nachmittag fehlt, ruft abends ein Besorgter gleich bei ihm an. Im Krankheitsfall wird ganz selbstverständlich Hilfe geleistet.
Oft jedoch klingelt zusätzlich bei dem Ältesten aus dieser Runde zu verschiedenen Tageszeiten das Sorgentelefon. Wie wohltuend ist es für die Anrufer, dass sie stets mit zuhörenden Ohren und menschlicher Wärme beschenkt werden. Wenn der väterliche Freund zu Hause ist, meldet er sich immer, und die Hilfesuchenden haben das gute Gefühl, dass sie im Moment für ihn das Wichtigste sind. Viel, sehr viel Zeit verschenkt der lebenserfahrene Mann ganz selbstverständlich an etliche Mitmenschen. Seine Ausgeglichenheit und seine Güte wirken bei den langen und auch kurzen Telefonaten so, als würde dem Leidgeprüften lindernde Salbe auf seine wunde Seele gelegt. Mit seiner ruhigen Stimme macht der Einfühlsame immer wieder Mut zu den kleinen Schritten, zur praktischen Lebensbewältigung im Alltag. Die Ratsuchenden spüren viel Verständnis, und niemals müssen sie eine Verurteilung verkraften. Es ist kein Geheimnis, dass ihr Vertrauensmann die Kraft für seine lebenserfüllende Aufgabe sich im täglichen Gebet von unserem Gottvater schenken lässt. Und sein Schlüsselwort heißt Nächstenliebe. Dieser praktizierende Christ lebt bewusst nach dem brüderlichen Rat Albert Schweizers, sich ein Nebenamt zu verschaffen, das die Tage auch nach der Pensionierung sinnvoll ausfüllt.
Der Nächstenliebe geht es wie der alten Brücke.
Sie braucht immer wieder kräftige Verstärkungen,
damit sie tragfähig bleibt.
Kleine Residenz
Das würfelförmige weiße Haus schmiegt sich unauffällig in die Reihe der vielen Giebelhäuser, die bei genauem Hinschauen einträchtig vereint wie eine Geschwisterschar auf mich wirkt. Einer stützt in Sturmzeiten den anderen, hilft selbstverständlich und ungefragt beim Ausbessern des Daches mit. Im Schutze der Hauswand klettert ein üppiger roter Rosenstock mit viel Blühkraft, so als wolle er noch in diesem Sommer die Regenrinne küssen. Die schmale Straße, die die Häuser und den Boot tragenden Fluss trennt, schlummert in der warmen Mittagssonne. Auch die Geschäftsleute genießen ihre wohlverdiente Pause.
Ein schlankes braunes Boot liegt artig angebunden am grünen Ufer.
Davor zwischen blau blühenden Lupinen erspähe ich an einem Gartentisch eine malende Frau. Sie scheint ganz in ihr Spiel mit den bunten Farben eingetaucht zu sein. Doch dann läuft ein winziger weißer Hund auf mich zu, schnuppert an meinen Schuhen und Hosenbeinen, und er akzeptiert mich. In diesem Moment treffen sich die Offenheit und Freundlichkeit zweier Frauen. „Darf ich mal schauen, was Sie da malen?“ – „Ja, gerne, kommen Sie doch zu mir und setzen Sie sich in den Strandkorb.“ Unsere Hände berühren sich, aber noch intensiver begegnen sich unsere wachen Augen. Wir sind beide fast gleichaltrig, haben erwachsene Kinder und immer noch viele kreative Einfälle. Gemeinsame Interessen weben schnell eine warme Verbindung. Ich verweile gerne in der Nähe dieser Frau. Ja, ich fühle, dass wir uns besonders gut verstehen.