SILBER UND STAHL. Nicole Seidel

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SILBER UND STAHL - Nicole Seidel

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dem Hinweg.

      Die untergehende Sonne verschwand hinter den Baumwipfeln und hüllte die schwarze Ruine in Dunkelheit. Drinnen lagen schlafend sieben unschuldige Buben in absoluter Finsternis. Ein sanfter Windhauch wirbelte Laub auf und vom Himmel herab stieß ein schwarzer Schatten auf den Eingang der Ruine zu. Die Schwingen des Vogels rauschten und sein dreifaches „Krah!“ durchbrach die Ruhe schaudernd. Doch niemand sah, wie der Rabe durch die Öffnung flog und auf dem ersten Sarg nieder sank. Die Jungen darin schliefen noch und hörten somit nicht das viermalige Klopfen des Schnabels. Jedes Klopfen löste einen Nagel und das Schlusskrähen vollzog die Verwandlung – unsichtbar im tiefsten Dunkeln verborgen. Dies wiederholte der einsame Rabe noch sechs Mal an jedem einzelnen Sarg. Dann flog er so unerwartet fort, wie er gekommen war.

      Die Nacht brach herein. Eine einsame krumme Gestalt folgte einem schmalen Pfad, eine Öllampe in der Hand haltend, die ihr den Weg leuchtete. Die Gestalt, die sich des Nächtens so heimlich durch den Wald schlich war keine geringere als die alte Hexe Alesandretta. Und ihr Ziel waren die verkohlten Mauern der schwarzen Ruine.

      Ein kratziges Kichern entrann sich ihrer faltigen Kehle, als die alte Frau die sieben Särge im Raum stehen sah. „Ah, lecker! Das wird ein Festmahl für mich geben!“ Denn die Vettel Alesandretta dürstete es schon lange nach frischem, jungem Menschenfleisch.

      Sie ging an den vordersten Sarg heran und ihre langnaglige Klauenhand griff den Sargdeckel und zog ihn mit einer unglaublichen Kraft nach oben, die man der Alten nie zugetraut hätte. Doch der Sarg im Innern war leer – die dunkle Bewegung im finstersten Eck übersah sie.

      „Was?!“ schrie sie auf und rannte zum nächsten Sarg. Ein Griff, ein Krachen und wieder lag kein Junge darin.

      Sie lief zum nächsten, griff den Deckel und zog ihn auf – auch hier kein Bube.

      Beim vierten flog der Deckel fort und ein schwarzer Schatten flatterte ihr ins Gesicht. Wild fuchtelte die Alte den Vogel von sich. „Fort, du Höllenvieh!“ Da flogen drei weitere Schatten aus den bereits offenen Särgen: Raben.

      „Ah! Man hat mich reingelegt!“ schrie Alesandretta und stolperte aus dem Raum. „Man hat mich um meinen Lohn gebracht!“ grummelte die Alte, während sie fluchend den Weg zurück lief.

      Die vier Raben flatterten einige Zeit aufgeregt ihm Raum umher, bis sie sich um die Öllampe versammelten und sich gegenseitig besichtigten.

      „Bist du das – krah – Edelward?“ wurde der größte unter ihnen gefragt.

      „Krah, ja. Und du – Gustad?“

      Wieder ein Nicken. „Krah – was ist mit uns geschehen?“

      Da klopfte es aus den restlichen drei Särgen und ersticktes Krähen war daraus zu hören. Die vier verwandelten Rabenbrüder halfen ihren drei Brüdern aus den Holzkisten heraus, sie mussten nur noch je die Deckel zur Seite schieben – was sie mit Krallen und Schnäbel dann auch schafften.

      „Krah – der Vater war’s!“

      „Ein – krah – Opfer für das Schwesterlein.“

      Denn sie kamen schnell dahinter, was ihnen geschehen war und warum, sie waren keine dummen Müllersöhne.

      Der Müller Conrad war nach Hause gefahren und hatte sich wachend neben das Bettchen seines Töchterleins gesetzt und war dann schnell eingeschlafen.

      Der Hahn krähte auf dem Misthaufen und sagte so der Sonne guten Morgen. Sabryn schlug ihre Äugelein auf und fand ihren Vater im Sessel schnarchend vor.

      „Papa, ich hab Hunger!“

      Conrad blinzelte ganz verwundern, erhob sich und nahm sein Töchterlein in die Arme und drehte sich voller Freude im Kreis.

      „Hihi“, lachte das Mädchen, „mir wird schwindelig, Papa!“

      „Sabryn, mein Liebling!“

      Seit diesem Tage wurde es wieder anders auf dem Müllerhof. Ein helles Mädchenlachen klang über den Hof und der Müller Conrad verhätschelte das Töchterlein, so oft er nur konnte. Doch die Mutter des Mädchens blieb seither traurig zurück und erledigte ihre Arbeiten auf der Mühle wie mechanisch.

      Erst als fast täglich sieben Raben auf dem Dach der Mühle saßen und das menschliche Treiben darunter stets ausführlich beobachteten, hegte Elevin neue Hoffnung, diese Raben mögen ihre Söhne sein, die dem Tod in Gestalt schwarzer Vögel entkommen waren.

      So zogen die Jahre ins Land...

      Als Sabryn fast vierzehn war, lief sie einmal einen schmalen fremden Pfad im Wald entlang, der bei einer schwarzen Ruine endete. Seit ihrem Erwachen vor dreieinhalb Jahren hatte sie immer das Gefühl gehabt, dass etwas Entscheidendes in ihrem Umfeld fehlte. Aber sie erinnerte sich nicht daran. Sie jagte zwei Schmetterlingen nach, die sie immer weiter in die Ruine hinein führten.

      Unheilvoll dunkel gähnte ihr der Eingang zum verrotteten Haus entgegen. Mutig schritt Sabryn darauf zu und zwängte sich an der halb aus den Angeln gerissenen Tür ins düstere Innere. Sie tastete sich voran und stieß plötzlich mit dem Bein gegen einen festen Wiederstand. „Autsch!“

      Sie fühlte neben sich eine Holzkiste ohne Deckel. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die räumliche Dämmerung und sie erblickte weitere sechs Kisten, die willkürlich im Raum verteilt waren. Und diese Kisten hatten Deckel, die neben dran lagen und die Form von ... „Das sind ja Särge!“ entfuhr es dem Mädchen.

      Doch sie waren leer, was Sabryn ganz gut fand. Wer wohl darin gelegen hatte? Sieben Särge. Da schob sich plötzlich eine Erinnerung aus früherer Kindheit vor ihr geistiges Auge: Sieben Buben umringten sie, spielten mit ihr, verhätschelten sie. Sieben Brüder. Und sie erinnerte sich wieder an sie und wusste nun, was den leeren großen Raum in ihrem Herzen einst ausgefüllt hatte: „Ich habe sieben Brüder! Doch wo sind sie? Was ist mit ihnen geschehen?“

      Sabryn rannte hinaus. Lief den Weg durch den Wald zurück, schnurstracks zur Mühle zurück. Dort fragte sie den Vater – doch der verleugnete die sieben Söhne. Da lief sie zur Mutter und fragte sie nach ihren Brüdern – doch diese rannte weinend fort und schloss sich ins Schlafzimmer ein. Viele Tage lang wollte niemand ihr eine Auskunft geben.

      „Ich werde fortlaufen und sie suchen gehen“, meinte eines Abends das Mädchen. „Ich weiß, dass ich einst sieben Brüder hatte. Mein Herz sagt es mir. Es sagt mir auch sie sind nicht tot!“

      „Diesen Unsinn schlag dir aus dem Kopf, Kind“, meinte der Vater und sperrte sie über Nacht in ihrem Zimmer ein, so dass sie nicht fortlaufen konnte.

      Doch gegen Mitternacht, als alle schliefen, schlich sich die Mutter Elevin in das Zimmer ihrer Tochter und erzählte ihr von der schändlichen Tat ihres Mannes Conrad. Auch sie glaubte nicht daran, dass die sieben Buben tot seien und erzählte ihr von den sieben Raben, die anfangs einige Zeit die Mühle bewacht und beobachtet hatten. Doch nach einem lauen Winter waren die sieben Vögel verschwunden.

      „Mutter, ich werde sie suchen gehen!“

      „Ich werde dich nicht aufhalten, mein Kind.“

      So packte sich das Mädchen Sabryn ein Bündel mit Ersatzkleidung und Essensproviant und machte sich noch in der gleichen Nacht auf. Sie lief fort und suchte ihre Brüder.

      Doch

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