Geschichten aus dem Leben. Claus Beese
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„Oskar, gute Nachrichten! Wir können das Auto morgen Mittag abholen und du sollst mitkommen. Der Mechaniker aus der Werkstatt ist ein alter Freund von mir, und du sollst die Lenkstange mitbringen. Der will mal nachschauen, wieso sich da die Mutter gelöst hat und eine Ersatzmutter kannst du bestimmt auch gleich bekommen.“
„Mensch Papa, du bist Klasse!“
Ich kann dem Gespräch irgendwie nicht folgen. Wieso kriegt der Junge morgen eine Ersatzmutter? Doch Oskar will mir unbedingt seine Familienverhältnisse erklären.
„Also, ich bin der Mittlere von fünf! Meine große Schwester ist ein halbes Jahr in Amerika, mein großer Bruder ist auf Klassenfahrt und meine Mama ist mit den beiden Kleinen auf Borkum zur Kur. Und deshalb bin ich alleine, und traurig war ich, weil ich beim Seifenkistenrennen ausgeschieden bin. Ich hatte die Mutter verloren und deshalb hat die Lenkung geeiert und ich bin von der Strecke abgekommen und der Patrick, der Arsch ...“
„Oskar!“
„Ja, ist ja gut, also, der Patrick, die Pfeife, hat gewonnen, obwohl ich das ganze Rennen geführt habe.“
Ich glaube, mein Gesichtsausdruck ist momentan nicht sehr geistreich. Oskar will mir noch mehr erzählen.
„Und wenn du wissen willst, wie meine Geschwister heißen, dann kannst du das bei meinem Papa nachlesen.“
Er zerrt die Hemdsärmel seines Vaters weiter nach oben und dort steht in schönen, verschnörkelten Buchstaben auf dem rechten Unterarm geschrieben: Judith, Jasmin und Janina und auf dem linken Unterarm: Oliver und Oskar.
„Und mein Papa heißt Otto, deshalb fangen die Jungennamen alle mit O an und meine Mama heißt Jenny und deshalb fangen die Mädchennamen alle mit J an. Und vielleicht kriegen wir noch ein Kind, aber Mama sagt, das muss dann ein Junge werden, sonst ist der Mädchenarm überfüllt.“
Der Vater lächelt etwas verlegen. „Jetzt hör aber auf! Ich glaube nicht, dass das die Dame interessiert. Ach, übrigens Mama und Jasmin haben angerufen und wollten dich sprechen. Sie rufen heute Abend noch mal an, wenn wir zu Hause sind.
“Und die Beerdigung?“, stammele ich fassungslos.
„Oh, das war die Beerdigung meiner Uroma“, erläutert Oskar, „die war achtundneunzig, und der Papa hat gesagt, es war gut, dass die Uroma endlich sterben konnte, weil sie schon zwei Jahre schlimm krank war.“
Am liebsten würde ich vor Scham im Boden versinken. Was habe ich diesem Mann alles unterstellt. Der Zug verlangsamt sein Tempo und fährt in den nächsten Bahnhof ein. Der Vater steht auf.
„Komm, Oskar, wir müssen aussteigen. Auf Wiedersehen, ich hoffe, dass mein Sohn Ihnen nicht zu sehr auf die Nerven gegangen ist.“
Da steht er vor mir, Otto, ein Bild von einem Mann, gutes Benehmen, angenehme Stimme. Den Tiefkühlvater nehme ich in Gedanken zurück. Dieser Familienvater ist eher das Modell Kachelofen, beständig, zuverlässig, solide gemauert, an dem sich eine Frau und fünf Kinder wärmen können.
„Auf Wiedersehen!“, antwortete ich beschämt. Wie gut, dass man Gedanken nicht lesen kann.
Oskar ruft: „Tschüss!“, und Vater und Sohn verlassen das Abteil. Wenig später entdecke ich sie auf dem Bahnsteig. Der Vater trägt seinen Sohn auf dem Rücken und galoppiert mit ihm zum Ausgang.
Nichts als Ärger
Von Claus Beese
Der Rollladen klemmt. Eine Leiter muss her, damit ich auf das Flachdach komme. Nur von dort aus erreiche ich den streikenden Fensterverdunkler. Und eine Holzplatte, damit die zweite Leiter auf der Dachpappe keine Löcher macht. Also, rauf und die Platte hochasten. Schweeeer! Ich wuchte die zweite Leiter hoch aufs Dach, klettere hinauf, gucken, runter, Werkzeug holen. Rauf, reparieren. Und wenn ich doch gerad schon mal oben auf dem Dach stehe ...
Gucken, Kopf schütteln, runter in den Schuppen, Besen holen, wieder aufs Dach, fegen (was sich da so alles ansammelt!), und ... Oooooh! Schadhafte Stellen an den Fugen eines anderen Rollladens. Runter und aus dem Schuppen Dichtacryl holen, rauf aufs Dach, und rauf auf die Leiter, Fugen neu abspritzen. Runter, Silikonpistole wegbringen. Und wieder rauf aufs Dach, da war doch was ... Oooooh! Mein prüfender Blick lokalisiert schadhafte Stellen an einem Wandanschluss, die Dachpappe wird dort nicht dichthalten. Also, wieder runter, Eimer mit Bitumenspachtel holen. Rauf aufs Dach und auf die Knie, reicht nicht. Platt auf den Bauch, jau, jetzt komm ich da ran. Wat'n Smeerkrom! Warum kriege ich immer mehr ab als die zu reparierenden Stellen?
Erledigt. Eimer wieder runter, zweite Leiter wieder runter. Handfeger und Kehrblech holen. Wieder nach oben und Dachrinne saubermachen (wenn man schon mal da oben ist). Runter, Dreck wegbringen. Wieso klebt das alles an meinen Händen und wieso sind sie schwarz? Bin ich Kaminkehrer? Ach, der Bitumenkleber. Es gibt doch für alles eine logische Erklärung. Rauf. Was war da noch ...? Oooooh! Schadhafte Stellen an Nachbars Wand. Die hatte ich doch schon übergestrichen, aber an dem Riss im Putz blättert die Farbe. Nach unten, das Dichtacryl wiederholen. Rauf. Riss verschmieren. Wat'n Smeerkrom! Ich kriege mal wieder mehr ab als die zu reparierenden Stelle? Runter.
Eimer wegbringen, zweite Leiter wegbringen. Holzplatte wegbringen. Wo ist die? Oooooh, noch oben. Rauf, Platte runterhieven. Mann, ist die schwer. Aber runter geht irgendwie leichter als rauf. Platte wegbringen, Leiter wegbringen.
Wo ist der verdammte Nitroverdünner? Ganz oben im Schrank, wer hat den denn dahingestellt? Stuhl holen, rauf, Buddel nehmen, runter. Reinigungsversuch. Geglückt! Mehr oder weniger. Rauf, Buddel zurückstellen. Wenigstens weiß ich nun, wo sie ist.
Fertig! Stöhn! Ich muss die Tür zum Haus aufschließen, was sich angesichts meiner zitternden Glieder als nicht ganz einfach erweist. Ich bekomme den Schlüssel nicht ins Loch. Was müssen so alte Zausel auch auf Dächer kriechen?! Wo steckt meine bessere Hälfte? - Natürlich mal wieder nicht da, wenn man sie braucht. Sie ist zur Arbeit, lässt mich hier im Stich und ich muss zusehen, wie ich die schweren Arbeiten voreinander bekomme, während sie sich im Büro vergnügt.
Ich schaffe die Tür, schlurfe kraftlos in die obere Etage. Ich schwitze, alles klebt, ein ekliges Gefühl. Bloß raus aus der Hose. Ich habe schwarzen Bitumen und weißes Acryl überall an und auf mir, muss vorsichtig sein, dass ich nichts an die Möbel schmiere. Vorsichtig lege ich die dreckige Hose auf ein Stück Papier, um nichts einzusauen, da klingelt es. Also wieder runter. Frau Hermes mit einem Päckchen. Sie steht wortlos da, stiert mich an, mit offenem Mund, verdreht die Augen und ist einer Ohnmacht nah. Na, also so schlimm sehe ich doch auch nicht aus. Ich betrachte meine Arme und Hände. Fast sauber, naja, fast…
Da spüre ich, wie es mir unten herum kühl ans Gebein zieht. Was war da noch ...?
Ich will nach Deutschland
Von Martine Lestrat, veröffentlicht in ihrem Buch „Bonjour Deutschland“ im Elvea Verlag
Als ich 1984 an meinem damaligen Arbeitsplatz in Nordfrankreich mit Freude ankündigte, dass ich nach Deutschland zu meinem Freund umziehen werde, erwiderte mein Vorgesetzter: „Man sollte dir eigentlich die Kopfhaare abrasieren, weil du mit einem Deutschen schläfst. Man sieht sowieso, dass du mit Deutschen zu tun hast. Du trägst schon Stiefeletten.“ Mir blieb die Spucke weg. Mit so etwas hatte ich wirklich nicht gerechnet!
Ein Patient sagte mir enttäuscht: