Geschichten aus dem Leben. Claus Beese
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Zum Glück hatte ich selten mit solchen Äußerungen zu tun. Das Thema Krieg ist leider immer noch präsent zwischen diesen beiden Ländern, doch zum Glück nur bei wenigen Menschen. Familienangehörige, Freunde und
Bekannte fragten eher besorgt: „Kannst du Deutsch sprechen?“
„Ähm…, nein!“
„Hast du schon einen neuen Arbeitsplatz?“
„Nein!“
„Und wie willst du das machen? Wie stellst du dir das vor?“
„Ach! Es wird schon gehen!“
Ich bin schon immer eine Optimistin gewesen. Noch dazu war ich verliebt, hatte meinen Freund zwei Jahre zuvor kennengelernt und wollte sowieso seit einiger Zeit aus meiner Region weg, von zu Hause weg. Also, warum nicht nach Deutschland? Nach monatelangem Hin- und Herfahren zwischen Frankreich und Deutschland wurde es langsam Zeit zu überlegen, wie es weitergehen soll…
Viele hatten Bedenken. Ich nicht. Ich hatte ein gutes Gefühl. Und ich hatte recht, es ging! Es ging sogar sehr gut! Es war die richtige Entscheidung! Ich bin so froh, dass ich diesen Schritt ins Unbekannte gewagt habe. Dass ich „Bonjour Deutschland!“ sagen wollte.
Urlaub am Jadebusen
Von Jürgen Niemeyer
Es wurde sehr bedenklich. Der Gezeitenstrom trieb mich immer weiter vom Ufer weg. Ein leichter Wind kam auf und ließ aus meiner Haut eine Gänsehaut werden. Es war unmöglich, nur mit den Händen die Luftmatratze wieder zum Ufer zu bewegen. Gnadenlos zog mich die Ebbe immer weiter aufs offene Meer hinaus.
Ich hob den Kopf. Wo war denn überhaupt das Land? Vielleicht war es hier gar nicht tief, und ich könnte mich hinstellen, um die Richtung zu bestimmen, in der die Küste lag. Möglicherweise käme ich dann nicht mehr zurück auf meine schwimmende Unterlage. Ich traute mich nicht einmal, den Oberkörper aufzurichten, um das Land zu erkennen, wo meine Eltern und die Brüder am Strand waren. Hier oben, auf der Luftmatratze war ich sicher, musste nur aufpassen, dass ich nicht kenterte oder herunterrutschte.
Ich drehte den Kopf, und sah, wie ich auf einen umgedrehten Reisigbesen zutrieb. Ich musste ihn irgendwie zu fassen bekommen, um mich daran festzuhalten. Ich schaffte es, konnte nun nicht mehr weiter abtreiben. Ich hoffte, dass mich schon jemand finden würde. Vielleicht war ich aber auch schon in England, und die Leute hier konnten mich überhaupt nicht verstehen. Wie sollte ich dann jemals nach Hause kommen? Angst stieg in mir auf, furchtbare Angst.
„Hallo! Hört mich jemand? Hallo! Ich will zurück!“, schrie ich so laut ich konnte.
„Meine Güte, Jürgen! Was schreist du denn so laut?“, hörte ich die Stimme meines Vaters dicht hinter mir. Überrascht drehte ich den Kopf.
„Vati! Wo kommst du denn her? Bist du hier ganz hergeschwommen? Bis nach England?“, fragte ich ihn erleichtert.
„England? Nein nicht ganz, nur die letzten paar Meter bin ich zu dir geschwommen. Und England ist noch weit weg. Wir sind noch im Jadebusen. Aber du solltest doch nicht so weit mit der Luftmatratze raus schwimmen. Hier kannst du nicht mehr stehen, und das ist sehr gefährlich. Die Strömung kann dich bis in die offene Nordsee treiben, und da gibt es keinen Kakao.”
Keinen Kakao? Das würde ich mir merken. Ich musste tatsächlich zukünftig besser aufpassen. Keinen Kakao!
„Ja, in Ordnung“, seufzte ich. Seit mein Vater da war, ging es mir schon besser, auch die Gänsehaut war wieder verschwunden. Er legte sich auf das hintere Ende meiner Luftmatratze und schob mich schwimmend bis zum Campingplatz zurück.
Vor zwei Tagen waren wir in Dangast auf dem Campingplatz Rennweide angekommen. Kurzfristig hatten sich unsere Eltern entschlossen, dass wir uns in den Schulferien zwei Wochen an der See erholen sollten. Meine Eltern von der Arbeit, meine Brüder von der Schule und ich vom Kindergarten. Sie hatten die wunderbare Idee, die Zeit mit uns während eines Campingurlaubes in einem Wohnwagen zu verbringen. Wir fünf, das waren Mutti, Vati, ich, der Jürgen, und meine Brüder Heinz und Manfred. Als wir ankamen und durch den Deichschart fuhren, sahen wir schon die vielen schönen Wohnwagen, die in mehreren Reihen standen. Sie ließen bei uns Kindern Abenteuerlust aufkommen. Die Eltern meldeten uns bei der Rezeption an und fragten nach unserem angemieteten Wohnwagen. „Wohnwagen?“, fragte der Platzverwalter und lachte. „Na, ich glaub, ich begleite euch mal dahin.“
Im Gänsemarsch folgten wir ihm, vorbei an den schönsten Wohnwagen. Wir freuten uns schon, denn wir dachten, er ginge mit uns bis an die erste Reihe der Wagen, direkt an den Strand. Unser Platzwart indes steuerte auf einen kleinen Borgward-Bus zu und blieb davor stehen.
„Ist das unser Wohnwagen?“ wollte mein Vater wissen und schaute ungläubig auf das Vehikel. Der Platzwart nickte.
„Der ist aber sehr klein für fünf Personen. Der ist doch nicht größer als ein VW-Bus.“
„Ja, stimmt!“, antwortete der Friese nur knapp. „Ich baue euch noch ein Vorzelt davor, dann wird es schon gehen.”
Tatsächlich stand bald ein geräumiges Vorzelt neben dem Bus, in das drei Luftmatratzen für uns Kinder gelegt wurden. Es waren schöne Luftmatratzen. Sie hatten eine Stoffschicht mit einer blauen und einer roten Seite. Unsere Sachen wurden aus Onkel Erichs Kombi geladen, der uns hergefahren hatte. Meine Eltern hatten, wie fast alle in der Straße, in der wir wohnten, kein eigenes Auto. Onkel Erich musste gleich wieder zurück, weil er in seiner Bäckerei noch die Brote fertigmachen musste.
Mutti kochte uns Nudeln mit Jägersoße. Sie wollte nicht das Geschrei von hungrigen Jungen hören, wenn wir den Ort erkundeten. Für unterwegs sollte jeder von uns noch einen Dauerlutscher bekommen, doch so sehr sie auch suchte, sie fand sie nicht.
„Hat jemand die kleine Tüte mit kirschroten Dauerlutschern gesehen?“
„Nö, ich nicht.“
Meine Antwort war, so glaube ich heute, zu schnell. Alle guckten mich an.
„Jürgen, du hast die Tüte nicht gesehen?“, fragte Vater noch einmal, diesmal etwas eindringlicher.
„Nö!“
„Warum sind denn deine Lippen und die Zunge so rot?“
„Äh, im Kofferraum vom Onkel lagen doch ein paar rote, süße Kügelchen an weißen Stielen, die habe ich natürlich genommen. Oder waren das etwa die Dauerlutscher?“
„Jürgen!“, fauchte Mutter mich an. Sie schien ziemlich sauer zu sein. Gott sei Dank waren beide in Urlaubslaune und so blieb mir eine Strafe erspart. Alles war mit einem missbilligenden Kopfschütteln erledigt. Na, prima.
Strandgang war angesagt, um die Füße mal ins Nordseewasser zu stellen. Zu unserem Erstaunen mussten wir feststellen, dass kein Wasser da war.
„Wer hat denn den Stöpsel rausgezogen?“, wollte ich wissen. „Das Wasser kann doch nicht einfach so verschwinden, oder?“
„Das war der Mond“, antwortete mein Vater und es hörte sich so an, als meine er das ernst.
„Der Mond hat ja gar keine Hände um den Stöpsel zu ziehen“, zweifelte ich an seiner Aussage.