Dame in Weiß. Helmut H. Schulz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dame in Weiß - Helmut H. Schulz страница 22

Dame in Weiß - Helmut H. Schulz

Скачать книгу

recht ist«.

      »Mir ist es recht«, sagte Verena Stadel, »Wird dich dein Mann abholen?«

      »Wir reisen von hier aus nach Kanada. Bob will fischen; lange Ferien.«

      Verena begann zu schwärmen: »Da habt ihr es, wir reisen von hier aus nach Kanada. Ihr wisst überhaupt nicht, wie gut ihr es habt.«

      Meine Schwester sah mich an, und ich erklärte ihr, dass ich Verena eine Reise nach Ungarn, oder wohin sie sonst wollte, vorgeschlagen, ohne dass sie eingewilligt hätte.

      Meine Mutter lachte hellauf. »Er versteht nichts, dein Bruder versteht nichts, das ist köstlich an ihm. Was geht mich Ungarn an? Mir liegt nichts am Reisen. Ich kann nicht, falls ich es wollte, wohin ich will. Man verwehrt es mir. - Denkst du wirklich, ich würde mit dir nach Ungarn reisen? Ich würde vielleicht dort sterben, weil ich das Klima nicht vertrage oder das Essen, und es soll auch sehr unsauber in Ungarn sein.«

      Meine Schwester bekundete weder Zustimmung noch Ablehnung.

      »Dein Bruder ist recht trocken geworden, mein Kind«, sagte meine Mutter, »die Luft hier bekommt ihm nicht.«

       Kapitel 5

      Zehnjährig machte ich einen Schritt ins soziale Leben, den Ersten. Den Ersten? Zumindest einen Wichtigen ...

      »Wir kauften deine erste Uniform, Hannes, ich entsinne mich daran wie heute. Da gab es ein Geschäft für Uniformen und Effekten in der Schönhauser Allee. Dort bekamen wir alles, was du brauchtest, die schwarze Cordhose, das braune Hemd mit den Achselstücken und den aufgenähten Taschen, den Lederknoten, durch den ihr das schwarze Fahrtentuch zogt, und ein Käppi. Dazu gehörten ein Koppel mit Schulterriemen und ein Paar Bundschuhe. Wir kauften auch gleich die, Winteruniform, lange Hosen und Bluse; so etwas wie einen Waffenrock. Das Fahrtenmesser bekamst du erst nach einer Zeit der Bewährung, ich glaube, ihr musstet einen Schwur leisten oder etwas Ähnliches ...«

      Jendokeit, der Schleppfuß Goll, Bruchner und Schott, so hockten wir eines Nachmittags uniformiert, das Käppi übers Knie gelegt, in meinem Zimmer in der Hallandstraße. Goll musste das Bein seitlich wegstrecken. Wir begutachteten uns.

      »He, Teja, ist deine Hose nicht etwas lang geraten?«

      Goll schüttelte den Kopf. Getragen wurde die Hose eine Handbreit über dem Knie, es gab für alles Vorschriften. Die Hand lang über den Nasenrücken gelegt, musste die Spitze des Käppis in der Verlängerung des Zeigefingers liegen; leicht schräg durfte das Käppi jedoch stehen.

      Schott, zwar nicht der Größte von uns, aber der Behäbigste und Schwerste, sah in Uniform miserabel aus. Jendokeit hatte, wie es schien, nie etwas anderes getragen, und das lahme Bein gab Goll zusammen mit der Uniform sogar etwas Gestandenes, im Kampf Gewesenes.

      Meine Mutter kam herein, »Lasst euch mal ansehen.«

      Wir stellten uns in eine Reihe, verlegen lachend, aber mit Stolz auf die neue Würde, und meine Mutter rückte an den Sachen, bis sie mit deren Sitz zufrieden war ...

      »Ihr seid richtig nette kleine Jungen gewesen, wie Kadetten: die kurz geschnittenen Haare, die sauberen Hände und die fröhlichen, frischen Gesichter, gesund und wohlgenährt - man konnte vergessen, dass wir uns im zweiten Kriegsjahr befanden.«

      Auf dem Hof einer Schule standen wir in Reih und Glied, der Länge nach, in drei Staffeln. Ein größerer Junge stand mit gespreizten Beinen vor uns, die Hände in die Seiten gestemmt, und musterte uns ernst. Auf seinen Wink kamen ein paar andere ältere Jungen, die unsere Fußstellungen korrigierten - wie ein rechter Winkel gebildet wurde, wussten die wenigsten von uns, aber genau in diesem Winkel hatten die Füße zu stehen. Die Hände an der Hosennaht, Arme leicht angewinkelt, sodass eine Lücke zwischen Armbeuge und Körper entstand - so lernten wir die ersten militärischen Kommandos, lernten den Gleichschritt, das Ohne-Tritt-Marsch, lernten, wie man richtig rechtsum macht, wie man grüßt, den Arm hochreißt und den Kopf zum Vorgesetzten hindreht

      Wir hatten Vorgesetzte mit Fangschnüren von der Achsel bis zur Brusttasche und Rangabzeichen auf den Ärmeln. Und wir hatten eine Fahne. Und wir hatten Trommeln, die langen, dumpf bellenden Landsknechtstrommeln, die im Rhythmus des Marschtritts der alten Heere dröhnten: Hüt-dich-Bauer-ich-komm, hüt-dich-Bauer-ich-komm ..., eine Schlagfolge, die auf längere Dauer in einen stumpfsinnigen Trott fallen lässt, man geht nur noch mit halbem Bewusstsein, aber man geht, an diesen Kolonnenschritt gefesselt,

      Nach unserem Eintritt in das Jungvolk hatten wir wöchentlich zweimal Dienst, Geländespiele nach dem Schema: Der Feind sucht die Fahne zu gewinnen - die Partei, welche die Fahne zuletzt im Besitz hat, ist die Siegerpartei. Bann hieß der dem Fähnlein folgende größere Verband, dann folgten das Gebiet und der Gau.

      Wir lernten Lieder, das Deutschlandlied mit allen Strophen, das Lied der Hitlerjugend, das Horst-Wessel-Lied; wir zogen zu den Stätten vergangener Kämpfe und gedachten schweigend der Opfer.

      »Jedenfalls hattet ihr eine Aufgabe, ihr wusstet, wohin, und du bist wie deine Freunde gern in die Jugendstunden gegangen. Leider hattest du schon etwas übertrieben Hartes in deinem Wesen, etwas Introvertiertes, möchte ich sagen, das wurde durch diese Erziehung nur noch verstärkt, aber das lag wohl überhaupt in der Zeit. Was ich damals an Heftpflaster für dich verbraucht habe ...«

      Die Aufmärsche aus irgendwelchen Anlässen, auf dem Reichssportfeld, auf dem Tempelhofer Feld: hunderttausend uniformierte Jugendliche, Tausende Fahnen aus allen Gebieten und Gauen, eine Reiterkavalkade mit wehenden Bannern, Motorradstaffeln - unten auf dem Feld sorgsam gedrillte Jungen, die sich auf Kommando drehten und wendeten. Sonnenwendfest. Riesige Holzstöße loderten, im exakten Karree die deutsche Jugend, schweigend ...

      Meine Tante Barbara erregte sich, ihre Stirn glänzte feucht. Das Pony musste verkauft, der Neufundländer nach Hammelspring gebracht werden Auguste, die Schwester Verenas und Barbaras, Verena und ich saßen um den Tisch in der Veranda. Die Türen waren geschlossen, es wehte durch die Ritzen. Barbara stocherte wütend im Ofenloch herum und legte große Holzscheite nach.

      »Also, was wollt ihr von mir?«

      Das Haar hing ihr seitlich über die Schläfen, sie sah blass aus - ich war auf Distanz gegangen und wartete ab, was geschehen würde.

      »Es hat keinen Zweck, sich zu sträuben, wenn Vater das Haus verkaufen will. Er braucht es nicht, und du ...«

      Barbara nickte ihrer Schwester Gusti zu. »Und ich? Es ist wahrhaftig nicht meine Schuld, dass du und Heinz nicht miteinander auskommt.«

      Sie unterbrach sich und meine Mutter sagte mit schwerem Seufzer: »Unter Schwestern - Herrgottnochmal. können wir denn nicht mal einen Augenblick lang, ich will ja nicht sagen, Liebe füreinander empfinden, das ist wohl nicht möglich, aber doch wenigstens Verständnis aufbringen?«

      »Verständnis? Nennen wir doch das Kind beim Namen, ihr wollt mich los, sein, mich, das schwarze Schaf.«

      »Du hast dich selbst zum, schwarzen Schaf gemacht.«

      Sie fuhr auf. »Seit wir diesen irrsinnigen Krieg haben, seid ihr alle verrückt geworden, aber denkt an mich, es wird ein schlimmes Ende nehmen, und dann wird das Geschrei groß sein über uns angetanes Unrecht.«

      Gusti lächelte überlegen, und Verena winkte ab.

      »Ja, lassen wir das«, sagte Barbara. Sie

Скачать книгу