Der geheime Pfad von Cholula. Michael Hamberger

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Der geheime Pfad von Cholula - Michael Hamberger

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Ich war dazu fest entschlossen. Ich hatte alles verloren. Meine Frau, meine Tochter, meine Ehre und meinen Status als Jaguarkrieger. Ich lag die nächsten Stunden also nur entehrt und kraftlos auf dem Nachtlager meines Hauses und wurde von all meinen Freunden gemieden, wahrscheinlich sogar verflucht. Doch dann passierte es! Nach drei Tagen verwandelte ich mich in etwas Monströses, etwas Tödliches, etwas, das ich bisher noch nicht kannte. Ich tötete die Frau eines Nachbarn auf bestialische Art.

      Jetzt verachteten mich meine ehemaligen Freunde nicht nur, jetzt hatten sie regelrecht Angst vor mir. Selbst Cuitláhuac, unser Huey Tlatoani wollte nichts mehr von mir wissen. Ich wurde verstoßen. Nicht einmal der ehrenhafte Blumentod als Opfer für die Götter wurde mir noch gewährt. Mir wurde Nahe gelegt, dass ich Tenochtitlán mit sofortiger Wirkung zu verlassen hätte und nie mehr zurückkehren dürfe. Ich, der größte Krieger aller Zeiten war plötzlich nicht mehr erwünscht. Also verließ ich tief gekränkt und entehrt und mit großer Schuld auf meinen Schultern das Volk der Mexica und musste fortan alleine versuchen, zu überleben.

      Neue Erfahrungen

      Der Sonnenuntergang erleuchtete den westlichen Himmel über dem Mexikanischen Hochland mit brillanten Rot- und Scharlachtönen. Diese Farben kombinierten perfekt mit der Braun- und Grautönen der Wüstenebene. Ein heißer Wind ließ kleine Staubwirbel tanzen. Normalerweise würde solch ein Anblick Layla Méndez in Erzückung bringen, aber dieses Mal hatte sie keinen Blick dafür übrig. Dafür hatte sie in den letzten drei Tagen einfach zu viel erlebt. Ganz knapp war sie nur dem Tode entronnen und das gleich mehrfach. Dabei verstand sie nicht einmal, was denn genau passiert war.

      Sie zitterte immer noch, wie Espenlaub und konnte sich fast nicht auf den Weg vor ihr konzentrieren. Eigentlich war es ja gar kein Weg, sondern sie raste mit viel zu hoher Geschwindigkeit querfeldein über die Steinwüste des Mexikanischen Hochlandes. Dementsprechend wurde sie durchgeschüttelt. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie mit einem Felsen zusammenstieß, oder in eines der größeren Löcher, die es hier wie Sand am Meer gab, stürzte. Trotzdem fuhr sie nicht langsamer. Sie konnte und wollte es sich einfach nicht leisten, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Jede Verzögerung und war es nur die Allerkleinste konnte ihren definitiven Tod zu Folge haben.

      Tränen liefen ihr heiß über die Wangen. Wie konnte dies alles nur passieren? Wie war sie in diesen tödlichen Sumpf überhaupt hineingeraten?

      Angefangen hatte alles mit einem rätselhaften Anruf einer jungen Frau an ihrem Arbeitsplatz in Basel.

      *

      „Redaktion der Basler Woche, Abteilung Nachrichten aus aller Welt, Layla Méndez am Apparat. Was kann ich für Sie tun?“

      „Sind Sie an der Story Ihres Lebens interessiert“

      „Welcher Journalist ist dies nicht? Aber wissen Sie, wie oft mir dies schon angeboten wurde? Da müssen Sie mit schon wesentlich mehr Informationen kommen, um mein Interesse zu wecken.“

      Die Frau zögerte, fast so, als ob sie sich die Wörter noch zurechtlegen musste. Es konnte mit Sicherheit nicht daran liegen, dass sie Layla nicht richtig verstand. Sie hatte zwar einen südländischen, wahrscheinlich Spanischen Akzent, aber sie schien perfekt Deutsch zu sprechen. Layla wollte gerade auflegen, da begann die Frau:

      „Kennen Sie die Stadt Cholula, im Mexikanischen Hochland, in der Nähe vom Vulkan Popocatépetl?“

      „Muss ich wohl, mein Vater war Mexikaner. Und was ist so besonders an Cholula“

      „Kennen Sie auch den geheimen Pfad von Cholula, einen Pfad, vor dem jeder Angst hat, den aber niemand kennt?“

      Das klang jetzt schon interessanter. Layla, die bisher eher gelangweilt auf ihrem Stuhl saß, setzte sich auf und nahm einen Stift in die Hand.

      „Nein, den kenne ich nicht. Was hat es damit auf sich!“

      „Das kann ich Ihnen hier am Telefon nicht erzählen!“

      „Jetzt hören Sie mir einmal zu, gute Frau. Ich muss schon so in etwa wissen, um was es geht. Ich kann es mir nicht erlauben, meine Zeit mit sinnlosen Aktionen zu verplempern!“

      „Ich weiß, wo dieser Weg liegt, ich bin sogar auf ihm gegangen!“

      „Und?“

      „Er hat mit den verschwundenen Frauen zu tun!“

      „Welchen verschwundenen Frauen!“

      „Das kann ich Ihnen erst bei einem Treffen erzählen!“

      „O.K. Ich sehe, das führt nicht weiter. Ich muss zugeben, Sie haben ganz leicht meine Neugierde geweckt, aber wirklich nur ganz leicht. Ich habe heute Mittag etwas Zeit. Wo können wir uns treffen?“

      „Um 15:00 Uhr in der Hotelbar des ‚St.Gotthard’“

      Damals war Layla noch nicht ganz davon überzeugt, dass sich daraus eine Story entwickeln könnte. Aber es wäre eine Sünde, es sich nicht zumindest einmal anzuhören, was diese rätselhafte Frau ihr zu erzählen hatte. Vielleicht ließ sich ja doch etwas daraus machen. Layla war gewohnt, dass die Leute oft mit den irrwitzigsten Geschichten zu ihr kamen. Im überwiegenden Teil konnte man glatt vergessen, was einem die Leute erzählen. Nur circa eine von hundert solchen Geschichten brachte es dann überhaupt dazu, dass darüber berichtet wurde. Und die wirklich große Story, die war noch seltener, als ein Sechser im Lotto. Aber nichtsdestotrotz musste sie sich durch diesen Urwald von Geschichten durchhören, in der Hoffung, dass sie am Ende immer noch den Wald vor lauter Bäumen sah.

      Deshalb war Layla zu diesem Zeitpunkt noch eher gelangweilt, als sie sich auf den Weg zum Hotel St.Gotthard machte. Die Wahrscheinlichkeit war nach Laylas Einschätzung jedoch noch ziemlich hoch, dass sie der Frau nach circa 10 Minuten den Kaffee bezahlte und sich auf den Rückweg zur Redaktion machte. Zum Glück war das besagte Hotel St.Gotthard ganz in der Nähe der Redaktion.

      Deshalb rief sie auch weder bei ihrem Boss an, noch meldete sie sich bei der Sekretärin ab. Es war wohl eher, wie ein verspätetes Mittagessen.

      *

      Angekommen im Hotel St.Gotthard sah sich Layla erst einmal um. Es waren sehr viele Leute in der Eingangshalle, aber diese schienen alle Geschäftsleute zu sein, die gestresst ihren Beschäftigungen nachgehen. Aus allen Ecken hörte man überlaut geführte Handygespräche. Es hörte sich fast an, wie bei den Marktschreiern auf dem Kartoffelmarkt. Es war eine richtige Volkskrankheit geworden. Genervt suchte Layla weiter. Da entdeckte sie die Bar und durchschritt mit großen, eiligen Schritten die Hotellobby. Um diese Uhrzeit war die Bar natürlich, wie ausgestorben. Layla genoss kurz die wohltuende Stille, dann sah sie sich um.

      Ihre Augen mussten sich erst einmal an das schummrige Licht der Bar gewöhnen, weshalb Layla die Frau, die an einem Tisch ganz in der Ecke, möglichst weit von der Tür entfernt saß, erst gar nicht sah. Sie wollte schon enttäuscht abdrehen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah. Da war also tatsächlich jemand gekommen! Layla näherte sich dem Tisch und betrachtete die junge Frau, die dort saß. Im schummrigen Licht konnte Layla noch keine Einzelheiten erkennen, doch musste die Frau eine rassige Schönheit sein. Layla erinnerte sich an den spanischen Akzent in der Aussprache der Anruferin. Das musste also ihre Verabredung sein. Vor dem Tisch blieb Layla stehen und fragte:

      „Guten Tag, kann es sein, dass wir verabredet sind?“

      „Wenn Sie Layla sind,

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