Cave Cobaltum. Gerhard Gemke

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Cave Cobaltum - Gerhard Gemke

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Wortlos drehte sie sich um und verließ Meiers Büro. Ihr wurde fast schlecht, als sie die Tür hinter sich knallen hörte und ihre Absätze auf dem Fliesenboden.

      Aus Anitas Büro drang Telefonklingeln und Sekunden später fröhliches Lachen. Hätte Jade länger gelauscht, hätte sie gehört, wie dieses Lachen in ein Schluchzen überging.

      „Nichts habe ich ausgeplaudert, wirklich nichts.“

      Kurze Pause.

      „Ich … nein, bestimmt nicht. Auch nicht das mit dem Schwert. Das musst du mir glauben, lieber Heribert.“

      Als Anita das Gespräch beendete und zwei Tränen von ihren Wangen auf das Antragsformular auf ihrem Schreibtisch tropften, hatte Jade schon das Gebäude verlassen. Von Knut war nichts zu sehen. Er saß bestimmt in seinem Kellerloch und war beschäftigt. Jade beeilte sich, nach Hause zu kommen.

      Noch zwei weitere Telefonate führte Meier. Eines mit einem Psychologen, der regelmäßig für die Stadt Weißenhall arbeitete, und eines mit Knut Schröder. Man habe doch einen Schredder angeschafft, ja richtig, einen Olympia PS 24 CCD. Ob Knut bitte sofort in Meiers Büro kommen könne, es gebe Arbeit.

      Da waren Schritte hinter ihrem Rücken, die sich schnell näherten. Jade erhöhte ihr Tempo. Als sie den keuchenden Atem schon in ihrem Nacken spürte, sprang sie nach links über eine niedrige Mauer in einen Gemüsegarten. Ein meckerndes Lachen ertönte und Jade sah dem Jogger hinterher, bis er an der nächsten Ecke verschwand.

      „He, was machen Sie in meinem Salat?“

      Jade entschuldigte sich hastig und kletterte aus dem Beet. Den Rest des Weges rannte sie.

      Sofort nach Betreten des Hauses zog sie sich um. Die ganze Aktion war übel misslungen. Wütend warf sie den Rock in den Schrank und tauschte ihn gegen eine schwarze Jeans.

      Sie hatte sich vorgenommen ab sofort nur noch zusammen mit Ronja das Haus zu verlassen. Die Hündin bellte überglücklich, als Jade ihr am Abend das Halsband anlegte und sich den langen Ledermantel überwarf. Obwohl sie in der letzten Nacht kaum ein Auge zugemacht hatte, wusste sie, dass sie vor Mitternacht keinen Schlaf finden würde. Sie ging in die Dämmerung hinaus. Ronja zerrte an der Leine und hielt Kurs auf das nahegelegene Waldstück, in dem irgendwo weiter oben der Eingang von Helldor lag. Jade ließ sich von ihr führen.

      Was hatte sie erreicht? Noch schlimmer: Was hatte sie in Händen? Nichts, gar nichts. Wie einer dummen Göre hatte sie sich die Blätter aus der Hand reißen lassen!

      Jade sah ihn schon von weitem. Sein längliches Gesicht unter dem breitkrempigen Hut. Jade wollte umkehren, aber Ronja zog mit aller Kraft. Als sie näher kam, sah sie, dass der Mann sich eine Zigarette in den Mund gesteckt hatte und offenbar die Manteltaschen nach einem Feuerzeug durchsuchte. War er es wirklich? Jade ging weiter, Ronja würde sie verteidigen.

      „Haben Sie Feuer, Madam?“

      Wer sprach heutzutage noch Frauen mit Madam an? Jade schüttelte hastig den Kopf und stolperte an ihm vorbei. Hinter ihr hörte sie ein leises Lachen, oder sie hatte es sich nur eingebildet.

      Was war los mit ihr? Erst flüchtete sie vor einem harmlosen Jogger über eine Gartenmauer, nun traute sie sich nicht, einem abendlichen Spaziergänger Feuer zu geben, obwohl sie die Schachtel Streichhölzer deutlich in ihrer Manteltasche fühlte. Und jetzt blieb Ronja auch noch an ihrem Lieblingsbaum stehen, um ihr Geschäft zu erledigen. Jade blickte sich unruhig um. Verdammt, der Kerl ging ihr nach, mit langen ruhigen Schritten.

      „Suchen Sie doch mal in Ihren Manteltaschen.“

      Seine Stimme klang rau. Jade zitterte. Wenn er noch näher kam, nahm sie sich vor loszurennen. Ihre Beine fühlten sich an wie festgefroren.

      „Hier.“ Sie streckte ihm die Streichholzschachtel entgegen.

      Er lächelte schief und schloss seine Finger um ihr Handgelenk. Jade schrie. Ronja knurrte und kam mit gesträubtem Nackenfell auf den Mann zu.

      „Schon gut, schon gut.“

      Er ließ Jades Handgelenk los und bückte sich nach der Schachtel die Jade fallen gelassen hatte. Ronjas Drohgebärden schienen ihn nicht im geringsten zu beeindrucken. Und Jade roch es wieder. Diesen dumpfen Salzgeruch, der sie an die Helldor-Stollen erinnerte.

      „Wer sind Sie?“, stieß sie hervor.

      „Das willst du gar nicht wissen“, war seine knurrende Antwort im Weggehen. „Ach.“ Er blieb stehen und drehte sich halb um, sodass Jade sein vorspringendes Kinn deutlich im Profil sehen konnte. „Ihre Streichhölzer.“

      Jade sah die Schachtel in hohem Bogen auf sich zufliegen. Instinktiv griff sie danach. Ronja bellte. Als Jade wieder in die Richtung des Fremden schaute, war er verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Jades Blicke suchten die dichte Front der nachtschwarzen Tannen ab. Nichts. Auch kein Geräusch.

      Jade rannte.

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