Unersättlich. Hermann Mezger

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Unersättlich - Hermann Mezger

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sich zurück und faltete unbeeindruckt die Hände über dem Bauch.

      „Da könnte ja jeder kommen! Die Akten bleiben hier!“

      In Bramme stieg die Wut hoch. Was wollte der Giftzwerg mit seinem Verhalten erreichen? Wollte er Macht, die er in Wirklichkeit gar nicht besaß, demonstrieren oder hatte er gar etwas zu verbergen?

      „Erstens bin ich nicht zu meinem Vergnügen hier, und zweitens bin ich nicht jeder.“

      Bramme zog ein Papier aus der Brusttasche, entfaltete es und reichte es Caldelas.

      „Wenn Sie mit mir nicht zusammenarbeiten wollen, dürfen Sie das nur sagen. Ein Anruf von mir genügt, und Sie sind Ihren Job los.“

      Stille trat ein und man konnte förmlich das Knistern hören, das in der Luft lag. Der Comissario überflog das Schreiben mit dem ihm wohlbekannten Briefkopf; er wirkte verunsichert, aber schließlich kippte die Stimmung. Bramme hatte gewonnen.

      Caldelas öffnete wortlos die Schublade seines Schreibtisches, holte eine Akte heraus und ließ sie betont widerwillig vor sich auf den Tisch fallen.

      „Bitteschön!“

      „Danke!“, bemerkte Bramme übertrieben freundlich, griff nach der Akte, setzte sich ungefragt an einen kleinen Tisch und begann, darin zu blättern.

      Ganz oben auf waren Fotos abgeheftet, die den Ermordeten zeigten. Bramme hatte schon viele Tote gesehen und er war einiges in dieser Hinsicht gewohnt. Aber immer, wenn der Tod einen Menschen in der Blüte seiner Jahre gewaltsam an sich riss, wurde er sentimental.

      „Blattschuss!“, murmelte Bramme vor sich hin, während Vilar und Caldelas zum Schweigen verurteilt waren. „Mitten ins Herz! Saubere Arbeit.“

      Auf den folgenden Seiten fand er nur noch die Protokolle der Spurensicherung, dahinter einige nichtssagende Zeugenaussagen. Wie bei dem unbefriedigenden Ende eines Romans drehte er das letzte Blatt in der Akte mehrfach um. Er wollte sicher gehen, dass er nichts übersehen hatte. Mit erhobenen Augenbrauen sah er zu Caldelas auf.

      „Wo ist denn der Obduktionsbericht?“

      „Obduktionsbericht? Wozu das denn? Der Mann ist mit einer Kugel hingerichtet worden. Das sieht doch jedes Kind“, erwiderte der Comissario, und machte dabei den Eindruck eines auf frischer Tat ertappten Diebes.

      „Sie wissen doch genau so gut wie ich, dass jeder Ermordete in die Gerichtsmedizin muss!“

      „Dazu ist es zu spät“, sagte Caldelas kleinlaut.

      „Zu spät?“, mischte sich da Vilar ein, „heißt das, der Tote ist schon beigesetzt worden?“

      „Es war der ausdrückliche Wunsch der Familie Mora, den Toten umgehend zu beerdigen.“

      „Kein Mensch kann sich über die bestehenden Gesetze hinwegsetzen, auch die Familie Mora nicht!“ Bramme zwang sich ruhig zu bleiben. „Veranlassen Sie, dass der Tote sofort wieder ausgegraben wird!“ Er klatschte die Akte zu und unterstrich damit, dass seine Forderung unwiderruflich war. Im Augenwinkel sah er, wie Caldelas der Schweiß auf die Stirn trat.

      „Muss das sein?“, fragte dieser nervös.

      „Das muss sein! Und zwar sofort! Sorgen Sie dafür, dass die Leiche nicht hier untersucht wird, sondern in Lissabon!“

      Vilar holte sein Handy aus der Tasche. „Ich werde sogleich das Nötige veranlassen!“

      Bramme griff nach seinem Trenchcoat, klemmte sich die Akte unter den Arm und schickte sich an, zu gehen. Caldelas hörte zähneknirschend zu, wie Vilar mit der Staatsanwaltschaft telefonierte. Als Bramme noch einmal innehielt und sich nach Caldelas umdrehte, hätte dieser sich am liebsten in Luft aufgelöst.

      „Gibt es auch eine Akte über den verschwundenen Zöllner?“

      „Sicher!“, entgegnete Caldelas, einem Nervenzusammenbruch nahe, „möchten Sie die auch haben?“

      „Ich möchte nur mal einen Blick hineinwerfen.“

      4. Kapitel

      Vor dem Abendessen hatte Bramme das Bedürfnis nach etwas Bewegung. Nachdem er sein Zimmer bezogen hatte und sein bisschen Gepäck losgeworden war, machte er einen Spaziergang durch den Garten des Hotels. Das prachtvolle Renaissancegebäude türmte sich elegant in den purpurnen Abendhimmel; von der See her wehte eine angenehme Brise. Zufrieden schlenderte er einen Kiesweg entlang, wandelte unter Palmen an den in allen Farben leuchtenden Bougainvilleas vorbei, hörte dem aufgeregten Gezwitscher der Vögel zu und schaute interessiert einer Smaragdeidechse nach, die vor ihm über den Weg huschte und in einer Mauerritze verschwand. Er genoss dieses paradiesische Flair in vollen Zügen.

      Auch wenn er seine Arbeit liebte, so waren ihm diese Momente äußerst wichtig. Sie bildeten den nötigen Ausgleich, damit man in der ständigen Hektik und Anspannung nicht den Kopf verlor. Zu seinem großen Glück war ihm bisher Leid erspart geblieben. Er wusste nicht, wie es sich anfühlte, wenn man einen guten Freund oder einen nahen Verwandten verlor.

      Während er so durch den Garten schlenderte und mit den Fingern gedankenverloren über die raue, faserige Oberfläche einer Palme strich, musste er an die Familie Mora denken und an die Schmerzen, die er ihr durch die Exhumierung ihres Sohnes zufügen würde. Sicher, es war überhaupt nicht geklärt, unter welchen Umständen und aus welchen Motiven der Mord an Miguel Mora begangen worden war. Doch Mord war Mord, und ein getöteter Mensch und die, die um ihn trauerten, verdienten Respekt. Dieser Respekt konnte aber nicht so weit gehen, dass man bestehende Gesetze missachtete.

      Gerade beugte er sich über die hellgelbe Blüte einer ihm unbekannten Blume, als Vilars Stimme ertönte und ihn zusammenfahren ließ.

      „Na, habe ich Ihnen zu viel versprochen?“

      Bramme richtete sich auf und lächelte Vilar an, der ihm entgegenkam.

      „Keineswegs, hier kann man es aushalten!“

      „Ist alles in Ordnung?“, fragte Vilar besorgt, der offensichtlich Brammes nachdenkliche Miene bemerkt hatte, doch dessen Lächeln wurde breiter.

      „Wollen wir essen gehen?“

      Vilars Gesicht hellte sich sofort auf.

      „Nichts lieber als das!“

      Sie schlenderten langsam zum Hotel zurück und nahmen auf der Terrasse Platz. Von hier aus konnten sie nicht nur den schönen Garten bewundern, sondern auch den golden und purpurrot schimmernden Sonnenuntergang.

      Ein Ober brachte die Speisekarten, und Vilar bestellte ungefragt zwei Porto seco.

      „Was können Sie mir denn empfehlen?“, fragte Bramme, der mit der Speisekarte nicht zurechtkam.

      „Also ich bestelle Segredo de Maria. Das ist ein Mus aus Muscheln mit Reis.“

      „Oh, nein danke!“, entgegnete Bramme, der nach etwas suchte, was ihm wenigstens halbwegs bekannt vorkam. Nur allzu gut erinnerte er sich noch an das Hammelauge, das er in Zentralasien hatte verdrücken müssen. „Wie wäre es denn mit sechs Austern als Vorspeise und danach ein Seezungenfilet?“

      „Das

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