Die silberne Flöte. Sylvia Obergfell

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Die silberne Flöte - Sylvia Obergfell

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große Musiker und geben Konzerte vor Hunderten von Leuten“, erklärte sie.

      Misha verstand nicht so recht, was das mit ihm zu tun hatte.

      „Wir suchen immer talentierte Kinder und ich denke du bist eines. Vielleicht hast du mal Lust bei uns zu spielen“, fuhr Valerie fort.

      „Nein ich spiele auf der Straße“, entgegnete Misha, der auf keinen Fall wollte, dass jemand herausfand, dass er gar nicht spielen konnte.

      „Aber du könntest damit noch sehr viel mehr Geld verdienen“, warf Valerie ein, „du könntest von der Straße wegkommen.“

      Es störte Misha, dass jeder gleich annahm er würde auf der Straße leben, deshalb sagte er böse: „Ich lebe nicht auf der Straße, ich lebe bei meinem Vater.“

      „Ok, ok.“ Valerie hob beruhigend die Hände, „Ich will dich nicht drängen. Hier ist meine Karte mit meinem Namen und der Adresse der Schule. Vielleicht überlegst du es dir ja noch, dann komm einfach vorbei.“

      Sie legte die Karte vor ihn auf den Tisch und durchquerte schnellen Schrittes das Café. Misha sah ihr hinterher, wie sie durch die Tür trat und schließlich verschwand. Er sah auf die Karte, die schon etwas abgenutzt aussah und las: VALERIE TSANOVKA; MUSIKSCHULLEHRERIN. Darunter stand eine Adresse die schon leicht verblichen, aber noch gut zu lesen war. Obwohl Misha eigentlich nicht vorhatte, jemals dorthin zu gehen, steckte er die Karte in seine Tasche, dann verlies er das Café. Draußen war es schon dunkel und wie immer bitterkalt, deshalb beschloss er nach Hause zu gehen. Er stellte sich vor, wie es war vor Hunderten von Leuten zu spielen und in seinem Kopf formten sich Bilder. Überall würden Plakate hängen mit der Aufschrift: MISHA; MEISTER DER FLÖTE oder DER BESTE FLÖTENSPIELER ALLER ZEITEN; HEUTE BEI UNS. Alle Leute kämen fein angezogen, die Damen in wunderschönen Kleidern und die Herren in teuren Anzügen. Misha würde auch einen Anzug tragen, vielleicht mit einer Fliege.

      Alle Leute würden sagen: „Was für ein hübscher Junge“ oder „Ich wünschte, das wäre mein Sohn.“

      Sein Vater würde in der ersten Reihe sitzen, natürlich auch im Anzug und ihm zurufen: „Ich bin stolz auf dich.“

      Sobald die ersten Töne erklängen, wäre der ganze Saal hin und weg und hinterher würden ihm alle versichern, dass er der beste Spieler der ganzen Welt sei und er würde zu den reichsten Leuten zum Büffet eingeladen werden, wo es Pasteten und Braten, Kuchen und Eis geben würde...

      „He Misha“, rief jemand hinter ihm, mitten in seine Gedanken hinein und er erkannte hinter sich den alten Oleg, der vor seinem Laden stand und ihm zuwinkte. Misha hatte vor lauter träumen gar nicht bemerkt, dass er hierher gelangt war, aber wenn er nun schon mal hier war, konnte er Oleg einen kurzen Besuch abstatten, also ging er hinüber. Er begrüßte Oleg, der wie immer seine alte Fellmütze über dem grauen Haar trug und viele graue Stoppeln im Gesicht hatte. Er trug diese Mütze immer, egal ob drinnen oder draußen, er hatte sie schon im Krieg angehabt und dort hatte sie ihm immer Glück gebracht, wie er erzählte. Der alte Oleg bat Misha herein. Sie gingen durch den Laden, der wie immer mit allem möglichen Gerümpel voll stand, nach Holz roch und so überfüllt war, dass man sich in dem ohnehin viel zu kleinen Raum kaum bewegen konnte. Dahinter lag das Büro, welches noch viel kleiner war und aus einem Ofen, einem Regal, einem Tisch und zwei klapprigen Holzstühlen bestand. Auf dem Tisch standen eine Kanne Tee und ein Becher.

      „Hier, trink etwas!“ befahl der alte Oleg und schenkte ihm mit zittrigen Händen Tee in den Becher. Der warme Tee tat gut, man konnte fühlen, wie er als warmer Strahl die Kehle hinunter in den Magen floss und den Körper von innen wärmte.

      „Warst lange nicht mehr hier“, stellte Oleg fest, der seine Hände über den alten Holzofen hielt, der in der Ecke stand.

      „Hm“, machte Misha, „Hab jetzt was anderes.“

      Der alte Oleg hob die Augenbrauen.

      „Das ist ja was neues“, meinte er, „sag bloß dein Vater geht wieder arbeiten.“ Misha schüttelte den Kopf, nahm den letzten Schluck aus dem Becher und stellte ihn auf den Tisch.

      „Na, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen“, bohrte Oleg weiter.

      „Ich spiele Flöte“, gab Misha zur Antwort.

      Oleg sah ihn ein bisschen zweifelnd an. „Du kannst doch gar nicht Flöte spielen.“

      Misha war allmählich genervt, denn erstens wollte er gar nicht alles erzählen und zweitens ging es Oleg auch gar nichts an, was er tat.

      „Hab`s mir selber beigebracht“, log er, damit Oleg endlich mit seiner Fragerei aufhörte.

      „Damit kann man niemals genügend Geld verdienen“, meinte dieser, „Was sagt denn da dein Vater?“

      „Ich verdiene mehr Geld als vorher“, gab Misha trotzig zurück, „und solange Geld da ist, ist auch mein Vater zufrieden.“

      Oleg zuckte mit den Schultern, dann sagte er: „Du weißt ja, dass ich dir immer gutes Geld bezahlt habe für deine Sachen.“

      Misha wusste nicht so recht, was Oleg damit meinte, aber er verstand die Erwachsenen sowieso meistens nicht. Allerdings begann er sich langsam etwas unbehaglich zu fühlen, deshalb sagte er schnell: „Es ist spät, ich muss heim“, und bevor Oleg antworten konnte war er durch den Laden und zur Tür hinaus. Es war noch gar nicht spät und plötzlich hatte Misha keine Lust mehr nach Hause zu gehen. Er irrte eine Weile umher, die Hände tief in den Taschen, bis seine Hände zufällig die alte Karte in die Hand bekamen, die er vorhin eingesteckt hatte. Misha zog sie heraus, sah darauf und stellte fest, dass er die Straße kannte. Es war eine noblere Gegend, früher war er dort manchmal zum Stehlen gewesen, hatte aber nie viel erbeutet. Wie von selbst schlugen seine Beine die Richtung ein und einige Zeit später stand er vor einem großen Gebäude, welches als Eingang eine große, hölzerne Tür besaß. In manchen Fenstern brannte noch Licht, es musste also noch jemand da sein. Eigentlich hatte Misha nicht vorgehabt hineinzugehen, aber da er jetzt hier und es außerdem bitterkalt war, siegte doch die Neugier. Die Tür war schwer, lies sich aber leicht öffnen und führte in einen hohen, schmalen Gang mit weißen Wänden. Eine Frau kam Misha entgegen, die einen vornehmen Mantel trug und ein kleines Mädchen mit einem Geigenkasten bei sich hatte. Die Kleine hatte ebenfalls einen hübschen, dicken Mantel an, dazu Lackschuhe und sah ihn mit großen dunklen Augen an, aber die Mutter zog sie schnell weiter. Misha kam sich irgendwie fehl am Platz vor, trotzdem ging er weiter. Überall hingen Bilder von Kindern, die ein Instrument spielten und alle in schicke Kleider oder Anzüge gekleidet waren. Ein Bild fiel Misha besonders ins Auge: Es zeigte einen Jungen etwa in seinem Alter, der auf einer Flöte spielte. Misha betrachtete es eine Weile und stellte sich vor, dass er es war, der anstelle des Jungen dort stand.

      „Gefällt es dir?“ fragte eine Stimme hinter ihm.

      Erschrocken stellte er fest, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie Valerie Tsanovka hinter ihn getreten war. Am liebsten hätte er sich in Luft aufgelöst, aber das ging natürlich nicht, also musste er mit ihr reden, aber ihm fiel nichts ein. Valerie nahm ihm diese Entscheidung ab, indem sie sagte: „Ich freue mich, dass du doch gekommen bist. Soll ich dir mein Zimmer zeigen?“

      Misha nickte und Valerie führte ihn den Gang entlang, ein paar Treppen hinauf und schließlich in ein hübsches helles Zimmer mit riesigen Fenstern. Misha hatte noch nie ein solch schönes Zimmer gesehen. Auf dem Fensterbrett standen allerlei Pflanzen, in der Ecke ein großer Tisch mit Stuhl, an der Wand hingen überall Bilder von Flöte spielenden Kindern, gemalte und fotografierte und an der rechten Wand stand ein wunderschönes schwarzes

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