Die silberne Flöte. Sylvia Obergfell

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Die silberne Flöte - Sylvia Obergfell

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ganz so kalt und es schneite leicht, die Bäume, Häuser und Autos waren schon weiß gefärbt. Normalerweise hätte sich Misha gefreut, denn er mochte Schnee, aber heute hatte er keine Augen dafür. Er lief hindurch, ohne überhaupt recht zu begreifen, dass es schneite und sein Schritt war so schnell, dass er schon kurze Zeit später vor Olegs Laden stand. Die Tür öffnete mit einem lauten Bim – Bam und schon konnte Misha die Fellmütze des alten Oleg hinter einem riesigen Holzschrank, der fast mitten im Raum stand, erkennen. Olegs Gesicht sah um die Ecke und als er Misha erkannte machte er ein paar Schritte auf ihn zu.

      „Na“, meinte er grinsend, „dein Vater war wohl doch nicht so begeistert vom Flötenspiel.“

      Früher hatte Misha den alten Oleg eigentlich immer gemocht, hatte bei ihm Tee getrunken und gutes Geld von ihm bekommen, aber heute hasste er ihn und wusste nicht einmal genau weshalb.

      „Hast du sie?“ fragte er und versuchte seine Aufregung zu verbergen, aber zu seinem Entsetzen schüttelte Oleg den Kopf.

      „Hab sie grade verkauft“, antwortete er und zeigte nach draußen. „Dort der Mann, dem der Lastwagen gehört hat sie für seine Tochter gekauft.“

      Misha sah nach draußen. Dort stand tatsächlich ein Lastwagen mit großen roten Streifen an der Seite. Oleg schien seine Aufregung nicht zu verstehen und meinte: „He, arbeite doch wieder für mich, vergiss einfach...“, aber Misha hörte ihm gar nicht mehr zu, sondern stürmte aus dem Laden.

      „He“, rief ihm der alte Oleg hinterher, dann zuckte er mit den Schultern und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Misha war inzwischen schon auf der anderen Straßenseite angekommen, stellte sich zur Deckung in einen Hauseingang und beobachtete den Laster. Der Fahrer, der wohl derjenige war, der die Flöte gekauft hatte, saß im Führerhaus und las in einer Zeitung. Wie sollte er bloß einem Mann, der die Flöte eben gekauft hatte klar machen, dass er sie wieder zurückhaben wollte? Als Misha noch darüber grübelte, ertönte plötzlich ein lautes Knattern, der Auspuff des Lastwagens stieß eine Rauchwolke aus und das gesamte Fahrzeug ruckelte hin und her. Der Fahrer hatte wohl vor loszufahren und damit raubte er Misha die Möglichkeit alles ganz genau zu überlegen, denn wenn er jetzt nicht schnell handelte, war seine Flöte für immer verloren, deshalb sprang er ohne lange nachzudenken aus dem Schatten des Hauseingangs und stand mit zwei großen Schritten an der Hinterseite des Lasters. Es war nicht schwer auf die Ladefläche zu klettern, denn der Lastwagen hatte hinten nur eine Plane, die noch nicht mal an der Seite befestigt war, sondern locker herunterhing. Misha hoffte nur, dass ihn der Fahrer nicht zum Fenster hinaus oder im Rückspiegel gesehen hatte, aber kaum war er oben ging ein Ruck durch das Fahrzeug und es setzte sich in Bewegung. Anfangs musste sich Misha gut am Rand festhalten, um nicht hin und her zu rutschen, denn der Lastwagen fuhr mal schnell, mal langsam, stoppte und fuhr wieder an, aber nach einer Weile nahm er gleichmäßige Fahrt auf, wahrscheinlich waren sie aus der Stadt heraus und Misha hatte Zeit sich umzusehen. Viel war nicht geladen, außer in der rechten Ecke, in der ein paar Holzfässer standen. Es war ziemlich dunkel hier drinnen und der Boden auf dem Misha saß war sehr schmutzig, zudem roch es merkwürdig, aber er konnte nicht sagen nach was. Jetzt hatte Misha Zeit sich zu überlegen, wie er dem Mann die Flöte abschwatzen konnte. Bei den meisten Leuten war eine Geschichte gut, die Mitleid erweckte, zum Beispiel: „Ich habe die Flöte von meiner Mutter bekommen und nach ihrem Tod ist sie das Einzige, was mich an sie erinnert, aber mein Vater trinkt und hat sie verkauft, um Geld zu bekommen“, oder vielleicht: „Ich habe drei Wochen hart gearbeitet um diese Flöte kaufen zu können, aber gerade als ich das Geld beisammen hatte war sie weg.“

      Es gab aber auch Menschen, die sich nicht erweichen ließen, da half es besser ihnen einen Schrecken einzujagen, in etwa: „Ich möchte sie nicht beunruhigen, aber ich kannte das Mädchen, das auf dieser Flöte spielte. Sie war sehr krank und kein anderes Kind durfte in ihre Nähe, weil es so ansteckend war.“

      Nein, das war vielleicht doch nicht so gut. Misha grübelte lange, kam aber zu keinem Entschluss. Schließlich wurde ihm die Entscheidung abgenommen, als der Lastwagen plötzlich stoppte, die Plane zur Seite gezogen wurde und ehe Misha etwas sagen konnte, ein sichtbar überraschter, aber überaus wütender Fahrer ihn anschnauzte: „Was willst du hier? Scher dich sofort von meinem Lastwagen herunter!“

      Der Mann war etwas rundlich, sah aber dennoch recht stark und kräftig aus. Sein Gesicht war vor Wut rot angelaufen und an der Seite seiner Stirn, die nur noch spärlich mit Haaren bedeckt war, konnte man eine Ader pochen sehen. Er hob drohend die Faust und lies ein paar Schimpfworte auf ihn niederprasseln, so dass Misha es vorzog zu flüchten, denn in diesem Augenblick hatte er keine Chance seine Flöte wiederzubekommen. Geschickt tauchte er unter den Armen des Mannes hindurch und verschwand blitzschnell um die nächste Häuserecke. Er konnte sich nicht vorstellen, dass so ein wütender Mann eine kleine Tochter zuhause hatte, der er eine silberne Flöte von seinen Reisen mitbrachte. Vorsichtig spähte Misha um die Ecke, denn er wollte den Mann und den Lastwagen auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Der Mann schimpfte noch immer vor sich hin und zerrte wütend an der Plane herum, um sie mit einigen Gummischnüren an der Seite zu befestigen, wobei sie ihm immer wieder aus der Hand rutschte, weil er mehr Zeit damit verbrachte sich aufzuregen, anstatt sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Schließlich schaffte er es und verschwand in dem Gebäude, vor dem er geparkt hatte. Misha las, dass es ein Restaurant war, welches auch Zimmer vermietete, war sich aber unschlüssig, ob der Fahrer nur essen oder tatsächlich dort übernachten wollte. Es musste schon Spätnachmittag sein, denn die Sonne, die sich gerade eben erst ihren Weg durch die Wolken erkämpft hatte, stand schon tief am Himmel. Misha verspürte ein Hungergefühl im Magen, denn er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Zwei Häuser weiter entdeckte er einen kleinen Laden und entschloss sich, den Lastwagen kurze Zeit aus den Augen zu lassen, um sich etwas zu kaufen. Der Laden war klein, besaß aber alles, was das Herz begehrte, so kaufte sich Misha zwei Brötchen, ein Stückchen Käse und leistete sich sogar den Luxus eines Schokoladenriegels, denn er hatte ja genügend Geld dabei. Dazu kaufte er sich eine große Flasche Wasser, um seinen Durst zu stillen. Er schlang alles sehr schnell hinunter, nur die Flasche behielt er in seiner Hand, dann kehrte er auf seinen Platz zurück und spähte um die Ecke. Der Laster stand noch immer am selben Fleck, von dem Fahrer war nichts zu sehen. Misha beobachtete die Sonne, die langsam hinter dem Horizont verschwand, der Fahrer blieb noch immer verschwunden und Misha begann zu frieren, denn mit dem Abend kam auch die Kälte. Misha fing gerade an sich ein wenig zu langweilen, natürlich ohne den Laster dabei aus den Augen zu verlieren, da wurde er plötzlich derb in die Seite gestoßen und war von einer Sekunde auf die andere von drei Jungen umringt. Der, der ihn gestoßen hatte, war fast einen Kopf größer als er, aber ziemlich dünn, der, der direkt vor ihm stand war nur ein wenig größer, aber breit und kräftig und der, der rechts stand war ungefähr so groß wie er und ebenfalls sehr dünn.

      „Na, du bist wohl neu hier“, stellte der, der vor ihm stand fest und fixierte ihn mit seinen großen dunklen Augen.

      Misha war überrumpelt und brachte keinen Ton heraus, aber er kam auch gar nicht dazu etwas zu sagen, denn sein Gegenüber packte ihn an seiner Jacke und drückte ihn gegen die Häuserwand. Er war sehr kräftig, so hatte Misha keine Chance sich gegen ihn zu wehren.

      „Pass auf“, riet ihm der Kräftige, der versuchte seine Stimme gefährlich klingen zu lassen, was reichlich albern klang, die Situation für Misha aber keineswegs ungefährlicher machte.

      „Das hier ist unser Revier, wir wollen keine Fremden und wenn sich doch jemand hier aufhält, gehört sein ganzes Geld uns.“

      Misha versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, doch sobald er sich bewegte, drückte ihn sein Peiniger noch kräftiger gegen die Wand. Seine beiden Begleiter grinsten schadenfroh, aber der Kräftige, der zweifelsohne ihr Anführer war, schnauzte sie sofort an: „Grinst nicht so dämlich, los durchsucht ihn!“

      Ihre Gesichter erloschen und der Große riss Misha die Wasserflasche aus der Hand und warf sie achtlos zur Seite, dann begannen die beiden

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