Die silberne Flöte. Sylvia Obergfell

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Die silberne Flöte - Sylvia Obergfell

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dieser Herrlichkeit, deshalb sagte er nichts, sondern sah sich nur staunend um.

      „Du kannst etwas spielen, wenn du willst“, schlug Valerie vor, „Hier drin hört sich das noch viel besser an, als draußen auf der Straße.“

      Misha wollte eigentlich ablehnen, doch da berührte seine Hand, die immer noch in der Tasche steckte, die Flöte und ihn durchströmte ein warmer Puls. Er konnte doch spielen. Niemand würde sehen, dass seine Finger von alleine die Löcher fanden. Er zog die Flöte aus der Tasche, blies vorsichtig hinein und tatsächlich: Hier drinnen, in diesem hohen weiten Raum, klang alles noch viel schöner. Seine Angst war wie weggeblasen, seine Finger hüpften über die Löcher und die Töne sirrten durch die Luft. Wieder gab es für ihn nichts anderes mehr als die Musik, es gab nur ihn und seine Flöte und wahrscheinlich hätte er noch ewig weitergespielt, wenn Valerie ihn nicht unterbrochen hätte.

      Als sie ihn am Arm berührte fuhr Misha erschrocken zusammen, aber sie lächelte gleich und meinte: „Man merkt, dass dir das Spielen Spaß macht“, dann zog sie aus der Tasche, die sie über die Schulter trug ein Heft und fragte: „Sag mal, kannst du eigentlich auch Noten spielen?“

      Sie zeigte Misha eine Seite mit geraden Linien, auf die schwarze Punkte gemalt waren. Misha hatte so etwas noch nie zuvor gesehen und schüttelte den Kopf. „Hm“, meinte Valerie, „wie wäre es, wenn ich dir ein paar Noten beibringen würde?“

      Das Angebot klang verlockend, er bekam die Chance öfters in diesem wunderbaren Haus einzukehren und Valerie, die ihm gut gefiel, öfters zu sehen, aber natürlich konnte er das nicht annehmen, denn dann musste er ja zugeben, dass er gar nicht richtig spielen konnte.

      „Ich kann das nicht bezahlen“, antwortete er deshalb, aber Valerie gab nicht so schnell auf.

      „Das macht nichts“, meinte sie, „Ich schlage dir ein Geschäft vor. Am Freitagabend ist ein Vorspiel. Du spielst etwas für mich und im Gegenzug gebe ich dir ein paar Unterrichtsstunden.“

      Misha traute seinen Ohren nicht, davon hatte er doch geträumt, vor so vielen Menschen zu spielen, aber jetzt, da er die Chance dazu hatte bekam er plötzlich Angst, also schüttelte er entschieden den Kopf.

      „Du brauchst keine Angst zu haben“, versuchte Valerie es noch einmal, „Wer so gut spielen kann, sollte es andere hören lassen.“

      Plötzlich fiel Misha ein, was die Märchenfrau damals zu ihm gesagt hatte: „Die Leute werden dir zuhören.“

      Und es stimmte. Die Leute auf der Straße waren alle reihenweise stehen geblieben, um ihm zuzuhören.

      „Wann ist dieses Konzert“, fragte er Valerie.

      „Es ist morgen um fünf Uhr. Du kannst aber schon ein bisschen früher kommen, sagen wir um vier“, gab Valerie zur Antwort, „Komm einfach hierher, dann werde ich dir alles Weitere erklären.“

      Misha nickte, verabschiedete sich von Valerie und ging wieder hinaus. Er konnte sein Glück noch gar nicht fassen. Die Märchenfrau musste eine gute Fee oder so etwas gewesen sein, denn seit er die Flöte hatte, passierten die wunderbarsten Dinge. Er bekam viel Geld, er musste nicht mehr stehlen, er fror nicht mehr in der Kälte, er konnte im Café sitzen und jetzt sollte er sogar ein Konzert geben. In dieser Nacht schlief Misha wunderbar und er träumte davon, wie die Leute ihm zujubelten und immer mehr von ihm hören wollten, wie er ganze Hallen füllte und schließlich in einer wunderschönen Villa mit Pool und Dienstboten lebte, wie die Leute vor seiner Tür Schlange standen, um ein Autogramm zu bekommen...doch ein polterndes Geräusch riss ihn aus seinen Träumen und durch seine schlaftrunkenen Augen konnte er seinen Vater wahrnehmen, der vor seinem Bett umherlief. Auf einmal fiel Misha ein, dass er vor lauter Gedanken vergessen hatte die Flöte in seinem Schuh und seinem Leistenversteck zu verbergen. Sein Herz machte einen gewaltigen Sprung und sein Atem ging plötzlich schneller. Er musste sich eiligst etwas einfallen lassen, aber da war es schon zu spät. Sein Vater hielt bereits seine Jacke, die auf dem Boden in der Ecke gelegen hatte in der Hand und begann die Taschen zu durchsuchen.

      „Bitte“, hoffte Misha im Stillen, „bitte lass ihn die Flöte nicht finden“, aber er wurde nicht erhört, denn schon hatte sein Vater sie in der Hand.

      Mit einem Satz war Misha aus dem Bett, vergessend dass er sich schlafend stellen wollte und schrie: „Das gehört mir!“

      Sein Vater fuhr erschrocken herum, dachte aber nicht daran die Flöte herzugeben, sondern hielt sie mit der einen Hand fest und versetzte Misha mit der anderen einen Stoß, so dass dieser nach hinten fiel.

      „Wozu brauchst ne Flöte“, lallte er. Sein Atem stank furchtbar nach Alkohol und er konnte kaum noch stehen, aber Misha wusste, dass er gerade in diesem Zustand Bärenkräfte entwickeln konnte.

      Er fühlte Angst und Wut zugleich, aber die Wut war ein bisschen stärker, also schrie er: „Gib das her! Das gehört mir und geht dich gar nichts an!“, aber sein Vater achtete gar nicht auf ihn, sondern brabbelte vor sich hin: „Geld machen...spielt keiner Flöte“, dann wandte er sich Richtung Tür, die Flöte noch immer in der Hand.

      Misha wollte hinterher, doch plötzlich verspürte er die Angst, die jedes Mal kam, wenn sein Vater in diesem Zustand war und er fühlte sich wie gelähmt, unfähig sich zu rühren. Er wollte seinem Vater die Flöte aus der Hand reißen, war aber nicht mal fähig etwas zu sagen. Heiße Tränen der Wut und Enttäuschung liefen über seine Wangen, wobei er mehr wütend auf sich selbst war, als auf seinen Vater, weil er die Flöte einfach vergessen hatte. Er fühlte sich schwach, klein und unnütz und alles schien auf ihn einzustürzen. Langsam sank er auf seinem Bett nieder und schloss die Augen, um nichts mehr von dieser Welt zu sehen. Nach einer Weile beruhigte sich sein Herzschlag, sein Atem ging ruhiger. Er überlegte was zu tun sei. Vielleicht gelang es ihm die Flöte zurückzuholen, wenn sein Vater schlief oder vielleicht konnte er morgen früh vernünftig mit seinem Vater reden. Er lauschte, es war kein Geräusch aus den anderen Zimmern zu hören, aber er musste sich trotzdem noch eine Weile gedulden. Er versuchte an etwas Schönes zu denken, aber das trieb nur wieder die Tränen in seine Augen, weil seine Traumbilder einfach so verpufften. Seine Augen drohten ihm zuzufallen, er war hundemüde, dennoch hielt er sie mit aller Gewalt offen. Als er eine Weile gewartet hatte und kein Geräusch mehr aus der Wohnung zu hören war, stand er auf und schlich auf Zehenspitzen hinaus in den Hausflur. Sein Vater schlief im Wohnzimmer, halb auf dem Tisch, halb auf dem Sofa, die Flöte war aber nirgends zu sehen. Misha durchsuchte das Wohnzimmer, sah in alle Schränke, durchsuchte die Taschen seines Vaters, der sich nicht mehr rührte, suchte am Boden und auf und unter dem Tisch, aber nirgends war sie zu finden. Er sah im Gang nach, im Schlafzimmer seines Vaters, in der Küche und im Bad. Je länger er suchte, umso größer wurde seine Verzweiflung, aber von der Flöte keine Spur. Wieder stiegen Tränen in seine Augen, auch wenn er sich verzweifelt dagegen wehrte. Was sollte er Valerie sagen? Er konnte doch auf keiner anderen Flöte spielen und er würde niemals wegkommen aus dieser Wohnung und von diesem Vater, der nichts als Trinken im Kopf hatte. Langsam ging Misha zurück zu seinem Bett, lies sich darauf fallen und starrte durch den Schleier seiner Tränen zur Decke. Er sah keinen Konzertsaal mehr, sondern einen kleinen, reichen Jungen, der von seinen Eltern zum Geburtstag seine Flöte geschenkt bekam, obwohl er gar nicht darauf spielen konnte. Irgendwann war Misha so müde, dass ihm die Augen zufielen und als er sie wieder aufschlug war bereits heller Tag. Voller Panik sprang er aus dem Bett, denn wenn er zu lange geschlafen hatte war sein Vater vielleicht schon weg und mit ihm die Flöte. Eiligst zog er sich seine Kleider über und lief hinüber ins Wohnzimmer, aber schon im Gang bemerkte er, dass die Schuhe seines Vaters nicht da waren und seine letzte Hoffnung erlosch. Was sollte er bloß tun? Er kämpfte damit nicht schon wieder zu weinen und überlegte, was sein Vater tun würde, wenn er die Flöte zu Geld machen wollte. Wahrscheinlich würde er sie zum alten Oleg bringen. Ja, das war seine Chance. Wenn der alte Oleg die

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