Laborratten. Niels Wedemeyer
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„Au, Backe.“, dachte Weinert. Er hatte dieses Experiment natürlich auch geplant, es aber im Laufe der Woche nicht zuletzt aufgrund des Drucks von Traubl schlicht und einfach vergessen.
„Nein. Dieses Experiment ist für morgen geplant. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich immer in jeder Gelspur gleichviel auftrage. “, gab Weinert mit schwacher Stimme von sich, instinktiv wissend, dass seine Erklärung der neuen Abteilungsleiterin nicht genügen würde. Sein Hals war wie zugeschnürt. Frau Schultheiß-Gottlob schob ihren ausgemergelten Kopf etwas nach vorne, um die Kraft ihrer Worte noch ein wenig zu verstärken:
„Das bedeutet, dass sie noch gar keine exakte Aussage treffen können, ob es tatsächlich in der Hypophyse verstärkt gebildet wird?“ Treffer versenkt.
„Ja richtig. Das kann ich eigentlich noch nicht. Es ist mehr so eine Art Vermutung.“, stöhnte Weinert. Frau Schultheiß-Gottlob hatte jetzt Blut geleckt. Energisch setzte sie nach:
„Gibt es experimentelle Daten oder Hinweise aus der Literatur, die Ihre Vermutung unterstützen, Herr Weinert?“. Er fragte sich gerade, woher sie seinen Namen kannte, da er ihr noch nicht offiziell vorgestellt worden war.
„Nein. Sie haben Recht. Ich ziehe hiermit meine Vermutung zurück“. Weinert schwamm davon. Eine klassische K.O.-Niederlage in der ersten Runde. Doch Frau Schultheiß-Gottlob gehörte zu den Menschen, die nicht aufhören zu kämpfen, wenn der Gegner „nur“ am Boden liegt.
„Erklären Sie mir dann bitte, warum Sie uns hier wissentlich fehlinformiert haben. Stellen Sie sich vor, ihre falsche Interpretation wäre nicht entdeckt worden und einige Mitarbeiter wären jetzt schnell aufgesprungen, um auf der Grundlage ihrer aus den Fingern gezogenen Mutmaßungen nachfolgende Experimente durchzuführen. Das hätte viel Geld und wertvolle Zeit gekostet.“ Sie lehnte sich zurück und atmete tief durch.
„Normalerweise verweise ich nur bei Studenten des Grundstudiums auf die Wichtigkeit von Kontrollversuchen. Bei Studenten des Hauptstudiums setze ich dieses Wissen voraus. Einen Doktoranden, der wissentlich darauf verzichtet, schmeiße ich ohne weitere Begründung raus. Mit einem Postdoc, der so fahrlässig handelt, sollte noch härter verfahren werden“, ihre Stimme hatte unangenehm an Schärfe und Lautstärke zugenommen.
„Aber es ist mein erster Tag an diesem Institut. Da sollte man nicht gleich mit einem Massaker beginnen“, meinte sie eine Spur milder mit so etwas Ähnlichem wie ein Lächeln im Gesicht und ergänzte gehaucht: „Aber ab morgen werde ich diese Weichheiten sicher abgelegt haben.“ Weinert konnte jetzt die Berichte von Sterbenden nachvollziehen, die am Punkt Null ihr Leben haben an sich vorbeiziehen sehen. Er sollte Recht haben mit der Vermutung, dass dies der Anfang einer Vielzahl unangenehmer Vorkommnisse sein würde.
Die Aufklärung der genetisch bedingten Magersucht bei Ratten zog sich noch weiter hin. Mit Akribie und Präzision, die er jetzt schon allein zu seiner eigenen persönlichen Sicherheit an den Tag legte, schloss er Kandidatengen für Kandidatengen aus, ohne jedoch seinem Ziel der Aufklärung der Krankheit näher gekommen zu sein. Die Zeit drängte. Traubl und Schultheiß-Gottlob machten in jeder Arbeitsgruppensitzung vor versammelter Mannschaft unmissverständlich deutlich, dass man ihm ohne endgültige Aufklärung seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern würde. Aus seinem vormals wegen der von ihm neuartigen Technologie so gefragten Projekt wurde mehr und mehr ein „altes Geschwür am Hintern des Instituts“, wie es Traubl einmal formulierte.
Weinert wurde zu allem Überdruss noch Frau Schrepper abgezogen, die er nach 5 Jahren endlich so weit geschult hatte, dass sie einfachere Experimente selbständig ohne Beaufsichtigung durchführen konnte. Aber schlimmer noch war für Weinert der Umzug in das Kellerlabor, das über 30 Jahre als Abstellkammer für aus der Mode gekommene oder defekte Geräte gedient hatte. Die meisten davon gehörten Bergius, der gegen den Abtransport zum Elektroschrott für seine Verhältnisse überaus heftig protestierte. Lamprecht ließ sich, nachdem ihm Traubl lediglich ein kleines fensterloses Büro zugestanden hatte, kaum noch blicken und war daher auch keine Hilfe im Kampf gegen die neuen Kräfte. So blieb Weinert nichts anderes übrig, als das Loch, in dem er jetzt saß, so schnell als möglich in ein funktionsfähiges Labor umzurüsten und bei seinem Projekt auf ein Wunder zu hoffen.
Kapitel 3 - Das Wunder
Nikolas Weinert starrte angespannt auf seinen Computerbildschirm. Schon seit ungefähr einer halben Stunde, mit offenem Mund und halb zugekniffenen Augen. Er hatte gerade das letzte, noch verbliebene Kandidatengen in einer so genannten Sequenzierung untersucht. Dabei entschüsselt man in mehreren biochemischen Schritten die Erbinformationen eines bestimmten DNA-Abschnitts, z.B. eines Gens. Weinert hoffte wie schon bei den vorangegangenen 47 Kandidatengenen, endlich auf eine Erbveränderung, auch Mutation genannt, zu stoßen. „Wenn Sie auch bei Ihrem letzten verbliebenen Kandidatengen nichts finden sollten, können Sie sofort Ihre Sachen packen und sich nach einem neuen Job umsehen“, hatte ihm Traubl erst letzte Woche unmissverständlich deutlich gemacht.
Und tatsächlich gab es in diesem Gewirr von zackeligen roten, schwarzen, grünen und gelben Kurven, die mit den Buchstaben A, C, G und T in den gleichen Farben unterlegt waren, eine Abweichung. Die 423. Kurve war eindeutig grün, und zwar ausschließlich bei den erkrankten Ratten. Er schaute sich noch einmal hektisch die gestern erstellten Daten an. Tatsächlich. Gesunde Ratten hatten an der gleichen Stelle eine rote Kurve. Dennoch nagte der Zweifel in ihm. Die letzten Monate hatten sein Selbstbewusstsein auf ein Minimum schrumpfen lassen, so dass er sich jetzt nicht mehr sicher war, ob es sich bei dem vorliegenden Ergebnis nicht um ein Artefakt, also ein nicht reales Ergebnis, handelte. Er wiederholte daher den gesamten Versuch abermals, ohne den anderen im Institut davon zu berichten, und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass die Mutation immer noch da war. Zweifelsfrei.
Das, was nicht mehr für möglich gehalten wurde, war eingetreten. Er hatte die genetische Ursache der Magersucht bei Ratten aufgeklärt. Die Wüste war durchwandert, vor ihm lag ein fruchtbares Tal. Jetzt würde alles gut werden, dachte Weinert, ein Fachartikel in einer Spitzenzeitschrift, eine
sie mit diesem süßem Dialekt, den er so gern hörte.
„Ja“, dachte Weinert, „aber die werde ich Dir lieber nicht beichten.“ Seit sie vor drei Jahren in das Vertragsverlängerung und, wesentlich wichtiger, die Rückkehr in sein altes Labor. Er war sich nun sicher, dass das Ergebnis schlussendlich auch Traubl und Schultheiß-Gottlob überzeugen würde. Bislang wusste noch keiner aus dem Institut von diesen Daten. Weinert konnte es daher kaum noch bis zur Arbeitsgruppensitzung in einer Stunde abwarten. Plötzlich klopfte es an der Labortür und Maja Prokowski kam mit Schreibblock und Stift herein. Sie war die junge polnische Technische Assistentin von Costas.
„Ich sammele gerade Bestellungen für Chemikalien ein. Hast Du irgendwelche Wünsche?“, fragte Institut gekommen war, hatte sich Weinert in sie verliebt. Nicht das sie eine dieser klassischen Schönheiten von den Titelblättern der Modezeitschriften war, aber mit ihrer Fröhlichkeit untermalt von den frechen Grübchen flogen ihr die Sympathien nur so zu. Wenn Weinert es recht bedachte, hatte er sich in jedem Labor, in dem er bisher gearbeitet hatte, immer in eine Mitarbeiterin verliebt. Jedesmal ohne Erfolg. Es schien sich hierbei eindeutig um einen unausweichlichen Automatismus zu handeln. Aber seine Scheu dem anderen Geschlecht gegenüber war derartig groß, dass er nie gewagt hatte, sich Maja zu offenbaren. Ganz im Gegensatz zu Costas, der ihr permanent, wenn auch erfolglos versuchte, Offerten zu machen.
„Ja, danke, dass Du fragst. Natriumacetat und Chloroform gehen zur Neige.“, sagte Weinert bemüht sachlich. Sie notierte und ging wieder in Richtung Tür.
„Ach, hättest Du Lust mit mir heute ins Theater zu gehen? Ich habe Karten