Laborratten. Niels Wedemeyer

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Laborratten - Niels Wedemeyer

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verhieß nichts Gutes.

      Bereits um 18 Uhr 30 stand Weinert vor Kälte zitternd vor dem Theater und wartete auf Maja. Sie trug ein langes schwarzes Abendkleid, das trotz der Kälte tief ausgeschnitten und ärmellos war. Die wilden Locken waren hochgesteckt und das Gesicht dezent geschminkt. Fast hätte Weinert Maja nicht erkannt, war sie doch im Labor stets zurückhaltend gekleidet, meist im weißen Kittel. Jetzt sah er, wie unglaublich hübsch sie doch war. Durch ihre unerwartete Eleganz wurde Weinert ganz verlegen, hinsichtlich seiner eher legeren Kleidung. Zwar trug er den besseren seiner beiden Blazer und sein blaues Lieblingshemd, aber dazu eine recht verwaschene Jeans. Obwohl er gar keine anderen Hosen besaß, kam er sich doch reichlich unpassend vor. Es war nicht mehr zu ändern. Als Maja ihn in der Menge ausmachte, kamen wieder diese wunderbaren Grübchen zum Vorschein. Sie rannte ihm entgegen und rief ihm schon von weitem ein „Super, dass Du kommen konntest.“ entgegen.

      „Wartest Du schon lange?“

      „Nö, ich bin auch gerade erst gekommen“, log Weinert und fragte sich, warum er das tat. Auf dem Weg durch das Foyer fragte ihn Maja, ob er das Stück schon mal gesehen hätte. Er verneinte. Weinert ging nie ins Theater. Er war sich nicht ganz sicher, das Stück einmal in der Schule behandelt zu haben, aber wenn, dann war absolut nichts mehr hängen geblieben. Er wusste nur von dem Eingangsplakat, dass das Stück von einem gewissen Samuel Beckett stammte, den er aber auch nicht kannte. Er fühlte sich plötzlich sowohl für das Treffen mit Maja als auch für das Theaterstück ziemlich schlecht vorbereitet. Die Konversation mit Maja hätte sich vermutlich schwierig gestaltet, wenn er selbst die Gesprächsführung hätte übernehmen müssen. Er war in ihrer Gegenwart immer schon wie betäubt, insbesondere jetzt, wenn sie so umwerfend zurechtgemacht war, nicht mehr in der Lage, charmant oder gar geistreich zu sein.

      Zum Glück übernahm Maja die Initiative und erzählte ihm einiges über das Theater, das sie nach eigenen Angaben jeden Monat besuchte sowie über das Stück. Dieser Samuel Beckett sei von Haus aus Ire gewesen, hätte aber in Frankreich gelebt und auch alle Stücke in Französisch geschrieben. Er schrieb meistens philosophische Theaterstücke über den Sinn des Daseins und bekam für seine Werke 1969 den Nobelpreis für Literatur. Weinert wusste nicht genau, ob ihn das Gesagte tatsächlich interessierte, aber Maja hatte so eine wundervolle Art zu erzählen. So viel Leidenschaft und Wärme war in ihrer Stimme.

      Das Theaterstück irritierte ihn nicht weniger als Maja selbst. Es ging um zwei Landstreicher, die auf einen gewissen Godot warteten, der aber nie kam. Zwar wurde er unter anderem von einem Jungen zwischendurch wieder angekündigt, kam dann aber trotzdem nicht.

      Das Warten wurde zur Qual. Die Landstreicher versuchten aus Verzweiflung Selbstmord zu begehen, scheiterten aber. Die beiden schienen sich nun unentwegt durch Unterhaltung ablenken zu wollen, obwohl die Dialoge ständig konfuser wurden. So endete das Stück, ohne das Godot erschien. Weinert war völlig durcheinander, meinte schon, er wäre zu blöd, der Logik des Stückes folgen zu können. Dieser Komplex trat bei ihm immer wieder zu Tage. Er war sich seiner manchmal recht behäbigen Art durchaus bewusst und wusste, wie dies von Leuten wie Traubl ausgelegt wurde. Er selbst sagte sich zwar, dass er so unterbelichtet gar nicht sein konnte, schließlich hatte er sowohl das Abitur als auch das Diplom ohne Probleme geschafft, aber die Unsicherheit gegenüber intellektuellen Persönlichkeiten blieb dennoch. Maja fragte ihn, ob er Lust hätte, mit ihr noch das Café gegenüber dem Theater zu besuchen. Er nickte kurz, da man in der herausströmenden Menschenmenge kaum etwas verstand. Nachdem sie den letzten freien Bistrotisch bekommen hatten, bestellten sie sich beide einen Latte Macchiato. Weinert trank sonst nie Kaffee, meinte aber durch die Bestellung eines Modegetränks etwas weltmännischer zu wirken.

      „Wie hat Dir das Stück gefallen?“. Vor dieser Frage von Maja hatte sich Weinert bereits den ganzen Abend gefürchtet.

      „Gut. Tolle Schauspieler. Auch die Kulisse war eindrucksvoll.“, gab er von sich, in der Hoffnung, das Thema damit beenden zu können. Aber Maja setzte nach:

      „Ich meine das Stück.“

      „Also, ehrlich gesagt, weiß ich bis jetzt nicht genau, worum es sich hier eigentlich drehte“, gab Weinert kleinlaut wieder und rührte dabei intensiv seinen Milchkaffee um. Maja grinste ihn fröhlich an.

      „Ich habe das Stück schon dreimal gesehen. Beim zweiten Mal mit meinem damaligen Freund, der Literaturwissenschaft studierte.“ Die Erwähnung ihres ehemaligen Freundes versetzte ihm einen kleinen Stich. Er hatte sich bislang noch keine Gedanken gemacht, ob Maja überhaupt liiert ist.

      „Natürlich ist sie das,“, dachte Weinert, „so ein attraktives Mädchen läuft nicht lange frei herum“. Maja fuhr fort:

      „Beim ersten Mal habe ich mich über das Stück sehr aufgeregt. Blöde konfuse Dialoge, kein richtiger Handlungsstrang, kein vernünftiges Ende. Dann hat mir mein Ex den Sinn des Stückes erklärt: Godot ist Gott. Die Landstreicher, einer ein Realist, der andere ein Träumer, warten erfolglos auf Gott und auf Erlösung. Zwar wird immer wieder ihre Hoffnung geschürt, dass Godot also Gott doch noch kommt, aber er wird nie kommen, solange sie sich nicht bewegen. Die Welt um sie herum verändert sich mit der Zeit, unsere beiden Landstreicher aber harren aus. Man muss nach Gott suchen, um Erlösung zu finden, er wird niemals zu einem hinkommen.“ Maja trank nun genüsslich ihren Milchkaffee und blickte ihn ernst an. Plötzlich hatte Weinert eine Ahnung.

      „Was hat Deine Freundin eigentlich für eine Krankheit?“

      „Gar keine. Sie ist kerngesund.“, sagte Maja und grinste ihn spitzbübisch an.

      „Ich wollte, dass Du mit mir in dieses Stück gehst.“ Weinert war perplex.

      „Ich wollte, dass Du Dich fragst, was Du eigentlich willst. Und worauf Du wartest. Das, was Du willst, wird niemals zu Dir kommen. Du musst Dich bewegen, nicht die Welt.“

      „Meinst Du das in Hinblick auf meinen Job?“

      „Auch. In diesem Institut wirst Du nicht mehr glücklich werden, weil Traubl es nicht zulassen wird. Du hoffst nur deshalb auf Vertragsverlängerung, weil Du Angst vor der Welt da draußen hast, obwohl genau dort irgendwo Dein berufliches Glück liegt.“ Vermutlich hat sie sogar ein Stück weit recht, dachte Weinert. Dass sie ihm das sagen musste, schmerzte ihn dennoch. Er fühlte sich ertappt. Er war sich bewusst, dass er alles andere als ein entscheidungsfreudiger Mensch war, hätte sich aber auch niemals als ängstlich eingeschätzt.

      „Aber Du hast doch heute von meinem sensationellen Ergebnis gehört. Vermutlich eröffnen sich dadurch für mich ganz neue Möglichkeiten im Institut“, rechtfertigte sich Weinert.

      „Das Ergebnis ist wie der Junge, der den beiden Landstreichern sagt, dass Godot morgen auf jeden Fall kommt. Es sind diese kleinen falschen Verheißungen, die uns immer wieder glauben lassen, wir müssten uns nicht bewegen.“

      „Weißt Du, wie lange ich schon auf dieses Ergebnis warte?“, Weinert wurde allmählich ärgerlich,

      „Fast 6 Jahre habe ich für diesen Moment geschuftet, und Du sagst, ich hätte mich nicht bewegt?“.

      „Es tut mir Leid. Ich wollte Dich nicht verletzen.“, sagte Maja kleinlaut. „Von außen sieht das alles ganz einfach aus. Einfach alles hinpfeffern, wenn es nicht mehr läuft. Aber so geht das nicht. Auch wenn es unangenehm ist, muss man sich seiner Verantwortung stellen.“, brauste Weinert sichtlich getroffen auf.

      „Ich möchte gerne zahlen“, rief er dem vorbei eilenden Kellner zu. Maja und Weinert verabschiedeten sich vor dem Café. Er war immer noch tief verletzt, zumal er meinte, dass Maja die völlig falschen Schlüsse gezogen hatte.

      „Ja,

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