Verfluchtes Erbe. T.D. Amrein
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Читать онлайн книгу Verfluchtes Erbe - T.D. Amrein страница 6
Nadine hatte keine Möglichkeit gehabt, die Sendung irgendwie aufzuzeichnen oder sich eine Telefonnummer zu merken. Alles war viel zu schnell gegangen. Danach hatte sie die ganze Nacht versucht, Cécile zu erreichen.
Einzig, dass diese Klinik in Salzburg lag, wusste sie mit Sicherheit. Dorthin waren sie jetzt unterwegs. Ohne Anmeldung. Nadine war sehr überzeugend gewesen.
Jetzt auf der Reise, meldeten sich die ersten Zweifel bei Cécile. „Wie kommt er nach Österreich?“, fragte sie leise.
„Das weiß ich doch nicht!“, antwortete Nadine. „Aber er ist es. Natürlich ist er abgemagert. Das Bild hat mich wie ein Blitz getroffen. Ich bin sicher“, schob sie noch nach.
„Und er kann sich an nichts erinnern?“, fragte Cécile, nicht zum ersten Mal.
„So etwa haben sie das gesagt: Der Patient hat keine Erinnerung. Sollten Sie ihn erkennen, melden Sie sich bitte bei uns. Ich habe mich so aufgeregt. Bis ich soweit war, um die Telefonnummer aufzuschreiben, war die Sendung schon zu Ende. Nachher habe ich mir gedacht, nach Salzburg ist nicht so weit. Wir fahren einfach hin, dann haben wir sofort Gewissheit.“
Gewissheit; dachte Cécile. Was ist, wenn er mich nicht erkennt? Was tun wir dann? Wie soll das weitergehen?
***
Cécile bezahlte den Taxifahrer, der sie zur Uniklinik gefahren hatte, großzügig in Schweizerfranken. Zum Geldwechseln waren sie noch nicht gekommen.
Erst am Empfang verlor sie die Haltung. Nadine musste nach dem Komapatienten fragen. Cécile fühlte sich inzwischen so nervös, dass sie sich kurz hinsetzen musste. Eine Schwester erschien. Schweigend folgten sie ihr durch die Flure. Cécile ließ sich zitternd an Nadines Hand mitziehen. So erreichten sie einen eher schäbigen Teil der riesigen Klinik. Ein Viererzimmer, Desinfektionsmittel lag in der Luft. Cécile ließ ihren Blick über die Betten schweifen, dann erstarrte sie. Erich. Da lag er.
Schwindel erfasste sie. Irgendwie erreichte sie das Bett. Noch registrierte sie das Gefühl, eine Puppe zu umarmen, die mit reglosen Augen an die Decke starrte. Danach blieb nur noch Dunkelheit, in die sie sich versinken ließ.
„Er ist es“, stöhnte Nadine. „Er lebt.“
Die Schwester kümmerte sich bereits um Cécile, die regungslos auf dem Patienten lag.
Mit leichten Ohrfeigen versuchte sie, sie zurückzuholen. Aber auch Schütteln und Umdrehen half nicht. „Kommen Sie!“, rief sie Nadine zu. „Bringen Sie bitte einen Stuhl!“
Gemeinsam setzten sie die Ohnmächtige hin. Nadine musste Cécile die ganze Zeit festhalten, sonst wäre sie einfach auf den Boden gerutscht.
„Bleiben Sie da. Ich hole etwas“, hörte sie die Schwester sagen, die sich rasch entfernte. Nun versuchte Nadine, ihre Freundin aufzuwecken. „Cécile, hörst du mich? Wach doch auf. Ich bin’s, Nadine!“
Keine Reaktion. Endlich wagte auch Nadine einen Blick auf Erich, der zwar kurz die Augen bewegte, aber nicht in ihre Richtung sah. Nur seine Atmung wechselte plötzlich zu einem anderen Geräusch.
„Erich?“ Vorsichtig sprach sie ihn an. „Erkennst du mich?“ Keine Reaktion.
Die bizarre Situation wurde durch die zurückgekehrte Schwester unterbrochen. Sie schob Cécile eine kleine Tablette unter die Zunge. Wieder begann sie ihr Gesicht zu tätscheln. „Hören Sie mich? Aufwachen, gnädige Frau.“
Nadine musste trotz der ernsten Lage ein Lächeln unterdrücken. Gnädige Frau und Ohnmacht, das passte ganz gut zusammen.
Endlich regte sich Cécile. Sie wollte aufstehen, aber die Schwester hielt sie auf den Stuhl gedrückt. „Bleiben Sie noch ein wenig sitzen, sonst fallen Sie gleich wieder um.“
Cécile gehorchte. Einen Moment lang schien sie nachzudenken, bevor sie sich zu ihrem Erich umwandte.
Geräuschlos begann sie zu weinen.
Nadine reichte ihr ein Taschentuch. Selbst gegen die Tränen kämpfend, weil auch ihr der Zustand des Patienten klar wurde. Er lebte. Das war offenbar schon alles. Wenn er nicht einmal seine Frau erkannte. Das bedeutete dann wohl, dass er überhaupt keine Erinnerungen mehr hatte.
„Kann er sprechen?“, fragte Nadine schließlich die Schwester.
Diese schüttelte nur den Kopf.
„Was kann er noch?“
„Nichts weiter“, lautete die niederschmetternde Antwort. „Seit einigen Tagen hat er die Augen geöffnet. Das ist die erste Veränderung seit Jahren.“
„Denken Sie, dass er Fortschritte machen kann?“
„Das kann man nie sagen. Manchmal geschehen Wunder“, antwortete die Schwester. „ Aber fragen Sie den Professor. Ich bin nur eine Pflegekraft.“
Cécile hatte nur zugehört. Das Allerschlimmste, das sie sich vorgestellt hatte, war eingetroffen. Seltsam klar wusste sie gleich: Er wird nie wieder gesund werden. Trotzdem stand sie jetzt doch auf. Streichelte ihm über die Wangen. „Erich, ich bin’s“, flüsterte sie ihm zu, während ihre Tränen auf sein Gesicht tropften.
***
„Leider kann ich Ihnen keine große Hoffnung machen“, erklärte der Professor, der sie in sein Büro gebeten hatte. „Sein Zustand ist seit Anfang praktisch unverändert. Dass er jetzt die Augen offen hat, ist offensichtlich ein Fortschritt, der uns natürlich freut. Trotzdem kann man nicht von einer wesentlichen Veränderung sprechen.
Viel wichtiger dürfte sein, dass Sie jetzt nicht mehr in dieser Ungewissheit leben müssen. Das bedeutete natürlich eine große Belastung für Sie!“
Cécile sah ihn mit großen Augen an. Kann er wieder gesund werden, Herr Professor?“
Dieser zuckte mit den Schultern. „Alles ist möglich. Es sind schon Komapatienten nach Jahren wieder aufgewacht. Damit zu rechnen ist allerdings bei ihrem Mann ...“ er räusperte sich. „Es ist äußerst unwahrscheinlich. Freuen Sie sich an der Zeit, die Sie mit ihm noch haben. Es könnte auch ziemlich schnell zu Ende sein, aber genauso kann es noch viele Jahre dauern. Er braucht auf jeden Fall intensive ärztliche Betreuung. Blutwerte müssen überwacht und im Gleichgewicht gehalten werden. Seine Ernährung ist jederzeit zu überprüfen. Dazu kommt die äußere Pflege. Es können sich Liegewunden bilden. Das alles ist eine sehr schwierige Aufgabe, die eigentlich nur eine Klinik leisten kann.
Eine richtige Behandlung, im Sinne des Wortes, ist trotz allem Fortschritt nicht möglich.
Darüber sollten Sie sich im Klaren sein.“
„Also gibt es keine Hoffnung“, stellte Cécile fest. „Hoffnung gibt es immer, gnädige Frau. Aber machen Sie sich auf eine schwierige Zeit gefasst. Das ist leider alles, was ich Ihnen mitgeben kann“, antwortete der Professor.
***
Schon seit einigen Stunden saß Cécile nun wieder an seinem Bett. Sie würde das so nicht hinnehmen, überlegte sie. Für diesen Professor war Erich doch nur ein Patient mehr. Dazu noch ein Ausländer. Weshalb sollte er versuchen, ausgerechnet