Verfluchtes Erbe. T.D. Amrein
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Читать онлайн книгу Verfluchtes Erbe - T.D. Amrein страница 7
Erich atmete ruhig und gleichmäßig. Er schläft, dachte sie. Sie hörten ihm noch eine Weile zu, dann stand sie auf.
***
Im Hotel wartete Nadine ungeduldig auf sie. „Ich dachte schon, du bleibst die ganze Nacht.“
„Aber nein“, antwortete Cécile. „Etwas Zeit brauche ich auch zum Ausruhen.“ „Hast du schon überlegt, was du jetzt machen willst?“, fragte Nadine erwartungsvoll. „Ja“, lautete ihre Antwort. „ Ich lasse mir zuhause eine komplette Intensivstation einrichten. Er soll die besten Ärzte bekommen, die es gibt. Ich glaube fest daran, dass er doch wieder gesund werden kann, wenn man ihn nur richtig behandelt.
Ich erinnere mich, schon von Fällen gehört zu haben, die durch intensive Betreuung geheilt werden konnten. Dieser Professor lässt ihn doch einfach nur herumliegen. Wie soll es da Fortschritte geben?“ Cécile regte sich wieder auf.
Nadine versuchte, sie zu beruhigen. „Du wirst schon das Richtige tun. Da mache ich mir keine Sorgen.“
Trotz des anstrengenden Tages konnten beide lange nicht einschlafen. Jede hing ihren Gedanken nach. Cécile fühlte ein aufkeimendes Verantwortungsgefühl für Erich, wie sie es sich als Mutter für Kinder vorgestellt hätte. Die sie niemals haben wollte. Jetzt sollte er es eben bekommen.
Nadine fühlte sich hin und hergerissen. Zwischen gut, dass das nicht mich getroffen hat und Bewunderung für ihre Freundin. Die sich der Herausforderung stellte. Ohne Wenn und Aber.
Der nächste Tag verging, mit Ausfüllen von Formularen, Besuchen am Krankenbett, dazwischen Telefonate und Essenspausen, wie im Flug. Die Heimreise mussten sie um einen weiteren Tag aufschieben.
Erich sollte so schnell wie möglich überführt werden. Cécile wollte in der Ambulanz mitreisen. Nadine blieb nichts anderes übrig, als allein die Bahn zu nehmen.
Die schweizerische Botschaft stellte einen Notpass für Erich aus. Die Ambulanz würde direkt nach Zürich in die Uniklinik fahren können.
Cécile beobachtete Erich genau, während er umgeladen wurde. Wohl zum ersten Mal seit Jahren wieder an die frische Luft gelangte. Aber er zeigte absolut keine Reaktion.
Sie hatte wenigstens auf ein kleines Zeichen gehofft, jedoch vergebens. Möglicherweise konnte sich auf der Fahrt durch die Bewegungen etwas ergeben, tröstete sie sich.
Die Reise dauerte rund fünf Stunden. Unterbrochen durch eine Pause, während der sie versuchte, Erich durch Streicheln und Zureden zu einer Reaktion zu bewegen.
Die mitreisende Schwester hatte sich etwas gesträubt, das Fahrzeug zu verlassen. Aber Cécile hatte darauf bestanden. Diese Gelegenheit wollte sie sich nicht entgehen lassen. Aber alles half nichts.
Als sie am Abend endlich die Uniklinik in Zürich verlassen konnte, war sie völlig erschöpft. Gähnend betrat sich ihre Wohnung. Für einen Moment legte sie sich angezogen auf ihr Bett. Nur, um kurz auszuruhen.
Natürlich erwachte sie am nächsten Morgen noch in ihren Kleidern. Trotzdem saß sie schon eine Stunde später wieder bei Erich.
Er hatte die Reise offenbar gut überstanden. Jedoch an seinem Zustand hatte sich gar nichts verändert.
Für Cécile begann eine intensive Zeit. Täglich mehrmals Besuche in der Klinik. Gespräche mit Ärzten, die Planung und Einrichtung einer privaten Intensivstation, die ihr etwas mehr Ruhe verschaffen sollte.
***
Bereits nach einem Monat konnte Erich nach Hause zurückkehren. Zwei festangestellte Schwestern kümmerten sich tagsüber um den Patienten. Die Nächte übernahm Cécile selbst. Stundenlang versuchte sie jeweils, ihn zu einer Reaktion zu bewegen. Mit Zureden und Streicheln. Einmal pikste sie ihn sogar mit einer Nadel. Alles umsonst, er rührte sich nicht.
***
Leichter Nieselregen in Wien. Kreidel und Dornbach standen als letzte am frischen Grab im Schlosspark.
„Seit 1946 hat er dieses Schloss nicht mehr verlassen“, sinnierte Kreidel. „Und jetzt wird es auch dabei bleiben.“
Dornbach nickte nur. Was für ein Leben, dachte er.
„Er soll einen großen Grabstein bekommen“, fuhr Kreidel fort. „Aus schwarzem Granit.“
„Was willst du darauf schreiben lassen?“, fragte Dornbach. „Doch nicht etwa seinen richtigen Namen?“
Kreidel lächelte. „Er bekommt eine schöne Messingtafel. Hier ruht der Schlossherr. Dann seine Titel. Geburtsdatum 28.04.1900, gestorben 30.04.1991.
Unter der Tafel steht dann sein richtiger Name im Stein: Heinrich Müller. Leiter des Reichsicherheitshauptamtes.
Im Dienst des Führers bis zu dessen letzten Atemzug.“
„Ist das nicht zu riskant?“, fragte Dornbach.
„Bis sich jemand erlaubt, die Messingtafel zu entfernen, wird eine andere Zeit sein“, antwortete Kreidel. „Die Geschichte wird uns irgendwann Recht geben.“
Langsam gingen sie zurück zum Schloss, wo die anderen Trauergäste in kleinen Gruppen herumstanden.
„Jetzt bist du der neue Vorsitzende“, sprach Lorenz, Kreidel an. „Noch bin ich nicht gewählt“, gab dieser zurück.
„Das ist nun wirklich nur eine Formsache“, lächelte Lorenz.
***
Am späteren Abend saßen Kreidel und Dornbach wieder allein im Rauchsalon des Schlosses.
„Die Entwicklung in Kroatien macht dir keine Sorgen?“, fragte Kreidel.
„Auf der Insel bin ich sicher. Falls ich doch verschwinden muss, nehme ich die Jacht. Außerdem bleibt mir noch mein Bunker. Ein paar Tage halte ich da aus“, antwortete Dornbach.
„Du kannst jederzeit nach Österreich kommen, das weißt du“, gab Kreidel zurück. „In Wien haben wir einige schöne Wohnungen. Oder du könntest sogar hier im Schloss einziehen.“
Dornbach grinste. „In diesem Schloss, bis ans Ende meiner Tage.“ „Halt auf jeden Fall die Jacht vollgetankt. Die Lage kann schnell eskalieren“, mahnte Kreidel in ernstem Ton.
Dornbach war anderer Meinung. Weder Panzer noch andere Fahrzeuge konnten das Meer überqueren. Die Inseln würden letzte Zuflucht bleiben. Mit der Jacht schnell zu verschwinden blieb bestimmt möglich. Nach Italien oder auch weiter, da machte er sich keine Sorgen.
Trotzdem wollte er seinen Bunker, der bestens getarnt vom Keller seiner Villa abging, mit einigen Lebensmitteln auffüllen. Dass ich doch noch einen Krieg miterlebe, dachte er. Aber heute ist eine andere Zeit. Ein paar Tage Gefechte, das dürfte wohl alles ein, das die umliegenden Länder und die Großmächte zulassen würden.
Ausgerechnet diesen Sommer, auf den er sich so gefreut hatte, wollte er nicht in Wien verbringen. Was sollte er da den ganzen Tag über machen?
„Mach