Gang ohne Wiederkehr. Bärbel Junker
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gang ohne Wiederkehr - Bärbel Junker страница 11
„Herr Kommissar Heckert?“, frage der Besucher höflich.
„Der bin ich. Und das ist mein Kollege Kommissar Jansen. Treten Sie doch bitte näher“, erwiderte Kommissar Heckert nicht minder höflich.
Er musterte interessiert den schlanken, mittelgroßen Mann mit dem lackschwarzen Haar und den schmalen, dunklen Augen.
„Mein Name ist Nguyan Duc Chung. Ich komme aus Vietnam“, stellte sich der Besucher vor und verneigte sich.
„Nehmen Sie doch bitte Platz“, erwiderte Heckert freundlich.
Der Vietnamese Chung kam der Aufforderung nach.
„Ich komme wegen des Fotos. Ich kenne die Frau, Herr Kommissar. Sie ist eine Landsmännin von mir. Wir wuchsen im selben Dorf auf. Ihr voller Name ist Tram Anh Huong.“
„Dann ist ihr Vorname also Tram, richtig?“, fragte Heckert.
„Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kommissar, aber der Rufname steht bei uns Vietnamesen immer zuletzt. Tram ist der Familienname, Anh der Zwischenname und Huong der Rufname“, erklärte Chung freundlich.
„Dann habe ich wieder etwas dazu gelernt. Ich danke Ihnen Herr …“, Heckert stockte bei dem ungewöhnlichen Namen seines Besuchers.
„Sprechen Sie mich bitte mit Chung an, Herr Kommissar“, sagte der Vietnamese lächelnd, dem derartige Probleme seiner westlichen Gesprächspartner nicht fremd waren.
„Leben Sie in Deutschland?“, fragte Heckert interessiert.
„Nein, ich besuche hier Verwandte“, erwiderte Chung.
„Wo haben Sie unsere Sprache so ausgezeichnet zu sprechen gelernt, Herr Chung?“, meldete sich erstmals Kommissar Jansen zu Wort.
„Deutsch war auf der Universität in Hanoi eines meiner Studienfächer“, erwiderte der Vietnamese.
„Sie sagten, Sie seien mit der Frau auf dem Foto zusammen aufgewachsen“, schwenkte Heckert zu dem Thema über, welches seinen Besucher zu ihm geführt hatte.
„Das ist richtig. Ich war entsetzt, als ich das Foto zufällig in der Zeitung sah, denn ich erkannte, dass es nicht die Abbildung einer Lebenden ist. Und da ich hier bei der Mordkommission bin vermute ich, dass Huong einem Verbrechen zum Opfer fiel. Wie ist sie gestorben, Herr Kommissar Heckert?“, wollte Chung wissen.
„Zur Zeit vermuten wir zuerst einmal nur ein Verbrechen“, erwiderte Heckert zurückhaltend.
„Sie sind sich nicht sicher? Wieso?“
„Sie stürzte einen steilen Abhang hinunter, der an einem Fluss liegt. Hier schlug sie in einem darin dümpelnden Boot auf und brach sich das Genick“, erklärte Heckert.
„Aber dann war es doch ein Unfall. Wieso ermittelt dann aber die Mordkommission?“, wunderte sich Chung, der sich auszukennen schien.
Kommissar Heckert musterte den Vietnamesen nachdenklich.
Versucht dieser Mann mich auszufragen? Wieviel gebe ich preis? Erzähle ich ihm von der Verfolgung und der schrecklichen Bissverletzung? Falls ich es jedoch verschweige, dann muss ich dafür sorgen, dass er bei der Identifizierung lediglich das Gesicht der Toten zu sehen bekommt. Aber was antworte ich ihm?
Chung sah den Kommissar ruhig an. Geduldig wartete er darauf eine Antwort zu bekommen.
„Wir ermitteln deshalb, weil uns die Umstände, die zum Tode der bedauernswerten jungen Frau führten, nicht ganz klar sind. Wir fragen uns, wieso und wodurch sie dort abstürzte und was sie dort im Dunkeln zu suchen hatte“, erwiderte Heckert vorsichtig.
Markus Jansen wollte etwas dazu sagen, doch Heckerts warnender Blick hielt ihn davon ab.
Chung erwiderte nichts, sah den Kommissar nur an.
Er verschweigt mir etwas, dieser Kommissar Heckert. Aber ich werde es herausfinden.
„Sie sagen, Huong war in der Dunkelheit an einem Fluss. Aber wer geht des Nachts dorthin? Was soll sie da getan haben?“, fragte Chung.
„Wir wissen es nicht, Herr Chung. Aber genau das ist der Grund aus dem wir ermitteln“, mischte sich Kommissar Jansen ein.
„Fühlen Sie sich dazu in der Lage die Tote zu identifizieren, Herr Chung?“, fragte Heckert ablenkend.
Chung nickte. „Ja, Herr Kommissar. Denn es ist für mich sehr wichtig zu wissen, dass es wirklich Huong ist“, erwiderte er leise.
„Dann melde ich eben unseren Besuch bei dem Rechtsmediziner an“, sagte Heckert und verließ eilig den Raum.
Kommissar Jansen, der ihm anfangs verwundert hinterher gesehen hatte, begriff jedoch sehr schnell, dass sein Chef wohl etwas mit dem Rechtsmediziner zu besprechen hatte, was der Besucher auf keinen Fall hören sollte.
Er überlegte, was das sein könnte.
Dabei fiel ihm auf, dass dem Vietnamesen die schreckliche, durch einen Hund verursachte Schulterverletzung verschwiegen worden war. Und wenn dieser davon nichts wissen sollte, durfte dieser Herr Chung nur das Gesicht der Toten sehen und auf keinen Fall etwas von ihrem Körper.
„Dr. Roth erwartet uns. Wir können sofort zu ihm runterfahren“, sagte Heckert, als er zurückkam
Die Rechtsmedizin befand sich im Souterrain des Gebäudes. Schweigend fuhren sie mit dem Fahrstuhl hinunter. Sie gingen einen langen Gang entlang. Vor der letzten Tür blieben die beiden Kommissare stehen.
Heckert ließ Chung vorgehen. Ohne zu zögern betrat dieser den Raum, in dem Dr. Roth sie neben einer Bahre stehend erwartete. Er begrüßte den Vietnamesen und trat dann von der Bahre zurück.
Chung starrte auf den abgedeckten Körper, der sich unter dem grünen Leichentuch schwach abzeichnete.
Sein Herz hämmerte wie verrückt; seine Hände waren eiskalt; Tränen drängten sich in seine Augen, die er nur mit äußerster Willensanstrengung zurückzuhalten vermochte.
Nach außen hin wirkte er unbeteiligt und kühl. In seinem Inneren jedoch tobte ein Orkan aus Schmerz, Trauer und Verzweiflung über den leidvollen, unersetzlichen Verlust.
Auf ein Nicken Heckerts trat der Rechtsmediziner vor und schlug den Teil des Tuches zurück, der das Gesicht bedeckte. Der übrige Teil des schmalen Körpers war so fest eingepackt, dass das Leichentuch keinen Millimeter verrutschten konnte.
Chung trat dicht neben die Tote und sah in ihr starres Gesicht, in dem einst das Lachen zu Hause gewesen war. Er wand sich innerlich vor Schmerz.
Alles vorbei meine geliebte Huong.
Alles auf ewig vorbei!
Nach einem gemeinsamen Leben sehnten wir uns so sehr, doch es war uns nicht vergönnt. Wir wünschten uns Kinder, einen Jungen und ein Mädchen; sahen sie herumtollen in unserem Garten vor dem kleinen, mit leuchtenden Bougainvillea bewachsenen Haus.