Gang ohne Wiederkehr. Bärbel Junker

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Gang ohne Wiederkehr - Bärbel Junker

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      Als sich die Tür hinter den beiden Männern schloss, hatte sie den Todeskandidaten bereits aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

      „Nicht zu den Hunden, Sergej.

      Bitte, nicht!“, wimmerte der Todeskandidat.

      „Erschieß mich, das ist mir egal. Aber bitte tu das nicht, was die Chefin dir befohlen hat. Sie weiß es doch nicht, Sergej. Du brauchst es ihr doch nicht zu sagen“, flehte Hanno. Ein Mörder, der noch vor kurzem seinen Hund getreten hatte, weil er diesem nicht beim Zerfleischen seines Opfers hatte zusehen können.

      Das ist ausgleichende Gerechtigkeit, würde vielleicht so manch einer zu seinem sich abzeichnenden, baldigen Schicksal sagen.

      Sergej schüttelte abweisend den Kopf.

      Was für ein Ansinnen von diesem Narren.

      Wusste dieser denn nicht, dass er stets genau das tun würde, was seine von ihm vergötterte Chefin ihm befahl? Und natürlich würde er sie niemals belügen, sie niemals hintergehen, würde bis zum Tod zu ihr halten.

      Denn seine Treue zu ihr war absolut!

      Ob sie ein Engel war oder ein Teufel, eine Mörderin oder eine Nonne, all das zählte für Sergej nicht.

      Für ihn war Johanna Bach alles. Sie war sein Leben. Ohne sie hörte er auf zu existieren.

      Er gab Hanno einen Schubs, was hieß er solle schneller gehen. Zielstrebig trieb er ihn auf seinen Geländewagen zu, der in einer Seitenstraße des Clubs parkte. Hier angekommen, drängte er sein am ganzen Leib zitterndes Opfer auf den Beifahrersitz.

      Hanno Stegner saß kaum, da versenkte ihn ein gezielter Handkantenschlag in tiefe Bewusstlosigkeit, die bis zu ihrem Ziel andauern würde.

      Sergej schwang sich hinters Steuer, startete den anthrazitfarbenen Geländewagen und fuhr davon, um seinen Auftrag zu erfüllen.

      Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. In seinen schlammfarbenen Augen spiegelte sich keinerlei Gefühl. Die schmalen, stets zu einem Strich zusammengepressten Lippen kannten keine Zärtlichkeit. Streichholzkurze dunkelblonde Haare betonten das Kantige des Kopfes. Und das vorspringende Kinn betonte zusätzlich die Gnadenlosigkeit und Kälte dieses Mannes.

      Doch auch er war durch die Grausamkeit und Manipulation verbrecherischer Menschen zu dem geworden, was er jetzt war. Sie waren es gewesen die ihm seine Zunge, seine Männlichkeit, seine Sprache und sämtliche Gefühle genommen hatten.

      Das mochte vielleicht keine Entschuldigung und keine Rechtfertigung für sein von Gewalt geprägtes Leben sein. Jedoch gab es einen gewissen Einblick, wozu die Gnadenlosigkeit und Boshaftigkeit anderer einen Menschen bringen kann.

      Nur bei Johanna Bach kehrte ein wenig Wärme in diesen versteinerten Panzer zurück. Nur wenn er sie sah oder hörte fühlte er, dass er noch am Leben war, ein Leben, in dem es für ihn keinerlei Erinnerungen mehr gab. Denn auch die hatte man ihm genommen.

      Jetzt war er ein leeres, vollkommen unbeschriebenes Blatt. Vielleicht war Sergej Michailow noch nicht einmal sein wirklicher Name.

      War er überhaupt Russe? Er wusste es nicht und es war ihm auch gleichgültig wie alles in seinem jetzigen dürftigen Leben, alles, außer Johanna Bach.

      Denn sie war es gewesen, die ihn zufällig in einem Kellerraum entdeckte, in dem ihn seine Folterer mehr tot als lebendig gefesselt zurückgelassen hatten, um sich ihn am nächsten Tag noch einmal vorzunehmen, wie sie sagten.

      Es sei ein reiner Zufall gewesen, hatte sie ihm später erzählt. In dem bewussten Haus war ein Treffen mit einem Geschäftspartner vorgesehen gewesen, welches sich im letzten Moment zerschlagen hatte.

      Er war schwer verletzt und kaum noch bei sich gewesen. Er wäre gestorben, hätte sie sich seiner nicht angenommen und ihm die bestmögliche Pflege angedeihen lassen.

      Und als er dann endlich wieder körperlich genesen war, jedoch ohne die geringste Erinnerung, da hatte er sie händeringend angefleht bei ihr bleiben zu dürfen, um sie zu beschützen.

      Aber wohin hätte er auch gehen sollen?

      Er konnte sich nicht artikulieren und verfügte nicht über die geringste Erinnerung. Er hatte nur sie, die ihn so nahm wie er war. An sie klammerte er sich, suchte Halt an ihrer Stärke, sonnte sich in ihrer Sympathie, ihrem Vertrauen zu ihm.

      Mit sexuellem Bedürfnis hatte das absolut nichts zu tun. Auch das hatten ihm seine Folterer für immer genommen, ebenso wie seine Zunge.

      Und sie hatte ihn mit Freuden bei sich aufgenommen, denn sie brauchte zum Schutz vor ihren gefährlichen, ebenso skrupellosen, verbrecherischen Geschäftspartnern wie sie einer war, unbedingt jemanden, dem sie tausendprozentig vertrauen konnte.

      Jemanden wie ihn!

      Einen Vertrauten, der nur dann von ihrer Seite wich, wenn sie es befahl. Der zu jeder Tages- und Nachtzeit für sie da war, ihr sein Leben geweiht hatte.

      Sergej fühlte kaum jemals irgendetwas, denn auch seine Gefühle waren ihm verlorengegangen. Er kannte nur ein einziges Gefühl, die Sorge um das Wohl seiner Chefin, wenn er nicht in ihrer Nähe war.

      Doch im Moment fühlte er so etwas wie Frieden in sich, denn er fuhr gerne des Nachts. Er liebte die Dunkelheit, verlor sich manchmal im Funkeln der Sterne. Und doch wurde er schon wieder unruhig, fürchtete Schlimmes für sie, je weiter er sich von seinem Schützling entfernte.

      Er gab mehr Gas, um schneller an sein Ziel gelangen.

      Endlich tauchten in der Ferne Lichter auf. Wenig später lenkte er den Geländewagen vor den Eingang des Anwesens, dessen Mittelpunkt ein ehemaliges Kloster war.

      Er hielt an.

      Sergej sah zu dem Zwinger hinüber und dann auf den bewusstlosen Mann neben sich. Er lächelte verhalten.

      Weder mochte er diesen Mann, noch mochte er ihn nicht. Er war ihm völlig gleichgültig wie ihm fast alles gleichgültig war.

      Der Tod dieses Mannes war ein Auftrag.

      Nur ein Auftrag, mehr nicht.

      „Hast du alles zu meiner Zufriedenheit erledigt, Sergej?“, fragte Johanna Bach ihren Vertrauten, der gerade wieder zurückgekommen war.

      Sergej nickte.

      „Die Hunde?“

      Neuerliches Nicken.

      „Das wird allen eine Lehre sein mich besser nicht zu enttäuschen. Es war wieder einmal an der Zeit, ein Exempel zu statuieren“, sagte Johanna Bach zufrieden.

      „Du wirst mich niemals enttäuschen, nicht wahr, Sergej?“

      Der Stumme schüttelte vehement den Kopf.

      Johanna Bach lächelte. Dann wandte sie sich wieder den vor ihr liegenden Unterlagen zu.

      Sergej nahm wieder seinen obligatorischen Platz neben der Tür ein und wandte keinen Blick von ihr.

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