Top Angebot - Schnell zugreifen. Marlin Schenk
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„Da versteht man sein eigenes Wort nicht“, sagte Rainer.
„Ja“, antwortete Willi. „Aber dat Ding hier, dat hörste da selbst noch mit Kopfhörern.“
Rainer schlug Lotte vor Spaß aufs Kreuz und lachte laut. „Mensch Willi, und diese – Hupe…?“ Rainer bekam Schnappatmung, aber Willi wusste, was er sagen wollte.
„Klar. Ich muss nur gugge, wo ich se hin mach, damit der Hardy se net findet. Vielleicht unners Bett? Ja, das wär’s! Unn wenn ich die Hup’ an seinem Bett festschraub’, dann wackelt der Kaste’ sogar mit, wenn de anrufst. Da is‘ Schmackes dahinter, sag ich dir.“
Rainer hing an Lottes Schulter. Seine Knie waren weich geworden vor Lachen, so dass er Halt suchte. Tränen schossen aus seinen Augen. „Das gibt’n Spaß“, keuchte er. „Stell dir das vor, Lotte. Ich kann mit meinem Telefon Eberhards Bett schütteln. Und das -“ Er holte Luft zu neuem Lachen. „Und das morgens um vier, wenn er angesäuselt dem Frühstück entgegenschlummert.“ Rainer kriegte sich nicht mehr ein. Er wankte zu Willis Bus, lehnte sich dagegen und schlug mit der flachen Hand gegen das Blech. „Wie laut…“ – er prustete – „wie laut ist die denn so ungefähr?“
Willi hob die Hupe in die Höhe und betrachtete sie von allen Seiten wie einen seltenen Smaragd. „Also do degege…“, er hielt sie Rainer vor die Nase, „do degege is ä LKW-Horn en Blockflöt‘. Die schafft mit Pressluft. Damit übertönste jedes Rockkonzert.“
Jetzt konnte Rainer sich nicht mehr halten. Er ging in die Hocke und stützte sich auf dem Pflaster ab. Mit der anderen Hand wischte er sich die tränennassen Wangen trocken. „Wann machst du’s fest?“ presste er mühsam hervor.
„Wird ä bissje schwierisch“, sagte Willi. „Ich muss Löcher bohr’n, Kabel lege’, und ich muss in sei’ Schlafstubb neikomme’. Ich mach’s, sobald die Luft rein iss. Ich sag’ dir abber Bescheid, sobald ich’s drin hab.“
Rainer packte Willis Hände und schüttelte sie heftig. „Ich danke dir“, schniefte er. „Das werd’ ich dir nie vergessen. Mach’s gut, und arbeite nicht so viel, ja?“
Jetzt schaltete sich Lottes Logik zu Wort. „Willi macht also die Hupe fest und sagt dir Bescheid, wenn sie sitzt. Und irgendwann rufst du den Hardy an, damit es ihn aus dem Bett schleudert. Hab ich das so richtig verstanden?“
Nun war es um Rainer geschehen. Er konnte kein Wort mehr reden. Ein paar Mal deutete er mit dem Finger auf Lotte, wollte etwas sagen und musste wieder abwinken, weil er kein Wort raus brachte. Ab und zu sog er röchelnd Luft ein, und dann platzte der nächste Lacher aus ihm heraus.
Lotte war von diesen Ausfällen wenig beeindruckt und sagte: „Tolle Idee. Und wenn jemand vor dir anruft? Dann tutet die Hupe nicht, was? Nur bei dir?“
Das Lachen erstarb, der Witz war verpulvert. „Äh…“
„Ja, äh, du Vollpfosten.“
„Kaa Problem“, sagte nun Willi. Die schafft jo mit Pressluft unn braucht Strom. Ohne Strom klappt die nett. Do mach ich einfach en Zeitschaltuhr rein unn dann iss die nur zwische Zwo unn Sechs aktiv. Do kann nix passiern. Do ruft eh kaner oh – außer Rainer.“
Jetzt zwang es ihn wieder in die Knie, und der nächste Brüller verließ seine Lungen.
Willi sprang in das Loch hinein und machte sich wieder an die Arbeit.
„Warum tust du das?“ fragte Lotte den Willi.
„Was, die Hup‘ ins Schlafzimmer mache‘?“ antwortete er, ohne den Blick von seiner Arbeit zu nehmen.
„Ja“, antwortete Lotte. Sie hoffte insgeheim, Willi zur Raison bringen zu können, indem sie ihm vor Augen führte, dass er gar kein Motiv dafür hatte, seinen Schwiegervater mit einer höllisch-lauten Puste zu knechten. Aber auch das ging leider in die Hose.
„Weil ich für Hardy immer nur der Depp bin“, sagte er nun fast in Hochdeutsch. „Er traut mir nix zu und betituliert mich wie jemanden, der nett alle Tassen im Schrank hat. Jetzt soll er ruisch mal merken, dass ich auch was drauf hab, und sei’s nur wenn es darum geht, ‚ne Hupe in seiner Schlafstubb zu installiern.“
„Meinst du nicht, dass Eberhard sich denken kann, wer das getan hat? Der dreht dich durch’n Wolf, Willi.“
„Wurscht! Des isses mir wert.“
„Macht, was ihr wollt!“ Lotte legte Rainer einen Arm um die Schultern. „Los jetzt, du Narr. Wir gehen heim.“ Damit zog sie ihn von diesem unheilvollen Loch weg.
Rainer eierte mit butterweichen Knien neben Lotte her und war eifrig damit beschäftigt, seine Augen von Lachtränen zu befreien und die Nase zu putzen.
*
Das Schicksal geht manchmal seltsame Wege, denn Rainers Wunsch sollte sich relativ schnell manifestieren. Und das alles nur, weil Helga an diesem Nachmittag eine Zeitungsannonce... Aber lies doch selbst.
Um vier Uhr an diesem Samstagnachmittag öffnete Eberhard die Kneipentür und einige Fenster, um vor dem ersten Ansturm noch einmal kräftig zu lüften. Der Mief vom Vorabend hing noch in den Balken. Er richtete die Zapfhähne, ließ ein paar Liter Bier ablaufen und überprüfte die Kühlung. Dann setzte er sich an den Stammtisch und blätterte die Tageszeitung durch.
Helga kam aus einem kleinen Nebenraum, wo Krimskrams wie Bierdeckel, Minisalami und Käse am Stiel aufbewahrt wurde. Sie setzte sich neben Eberhard und sagte: „Der Käse geht bald zur Neige.“
„Bestell neuen“, antwortete Eberhard knapp. Er blätterte weiter in seiner Zeitung und Helga kiebitzte. Die nächste Seite war gespickt mit großflächigen Anzeigen. ‘HERBST IN DEN DOLOMITEN’, las Helga. Als Eberhard weiterblättern wollte, hielt sie seine Hand fest. „Warte“, sagte sie. „Ist das nicht ein Superangebot? Zehn Tage Dolomiten für nur 439 Mark. Hardy, sollten wir nicht...“
„Nein.“
„Aber warum denn nicht?“
„Kein Geld.“
Helga bohrte weiter. „Das ist doch ein Top Angebot, da muss man schnell zugreifen. Hör mal Schatz, wenn...“
Eberhard neigte den Kopf, so dass zwischen Kinn und Hals eine Speckfalte entstand, die er genüsslich kratzte, so wie er es immer tat, wenn er eine Meinung zu verteidigen hatte, von der er selbst nicht so recht überzeugt war. „Trotzdem. Wir müssten die Kneipe zumachen. Damit wäre das Angebot nicht mehr so top. Oder?“
Helga gab nicht auf. „Aber es könnte doch jemand die Kneipe übernehmen. Es sind nur zehn Tage. Hardy-Bärchen, hm?“
Eberhard ließ die Zeitung sinken. „Wer um alles in der Welt sollte das wohl sein, der unsere Kneipe übernimmt? Etwa Rainer? Der muss morgens um drei aufstehen.“
„Vielleicht Willi?“ fragte Helga vorsichtig.
„Habe ich Willi gehört?“ Eberhard erheiterte sich. „Diesen Postpenner willst du hinter die Theke stellen? Zehn Tage lang? Nein, Lotte, schlag dir das