Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Die Erbschaft - Elisa Scheer

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nicht dem Absprung in ein anderes Fach. Cora hatte nach acht Semestern und mehreren vergeblichen Anläufen, was die Mathescheine betraf, das Handtuch geworfen und war auf Mediadesign umgestiegen. Jetzt verdiente sie ziemlich gut in einer Agentur, die professionelle Webseiten erstellte und verwaltete. Ich hatte es weiter versucht – bei mir waren die Mathescheine nicht das Problem, eher die juristische Seite, die mir genau genommen völlig egal war. Im elften Semester hatte ich Christian kennen gelernt, und er hatte mir geraten, das Studium hinzuschmeißen und lieber Buchhaltung zu lernen. Das hatte mir tatsächlich mehr Spaß gemacht, und als er dann sein Steuerberatungsbüro eröffnete, konnte ich gleich bei ihm einsteigen.

      Anfangs hatten wir beide etwas Angst – was, wenn keiner kam? Aber die Leute kamen! In Scharen, mittlerweile. Kein Wunder, wenn man bedachte, wie undurchsichtig das Steuerrecht geworden war; Leute, die irgendetwas absetzen wollten oder Steuersparmodelle suchten, kamen damit alleine nicht mehr zurecht, und Christian war wirklich ausgefuchst, seine Klienten/Mandanten machten einen ganz netten Reibach. In absehbarer Zeit mussten das Büro und die Wohnung abgezahlt sein, dann konnten wir uns auch einmal etwas gönnen. Einen Teil meiner bescheidenen Ersparnisse hatte ich mit Christian in einen geschlossenen Immobilienfonds investiert; in einigen Jahren musste sich das richtig lohnen. Und wie viel Steuern man da sparte! Gut, bei mir machte das nicht so furchtbar viel aus, da ich recht wenig an den Staat abzuführen hatte, aber bei Christian kamen schon erkleckliche Summen zusammen.

      Ach ja! Er war so gescheit, so stilvoll – und auch ein guter Liebhaber. In letzter Zeit waren wir freilich nicht mehr so oft dazu gekommen, uns zu lieben, weil der Arme derartig im Stress war und oft einschlief, sobald er im Bett lag, aber ich wusste noch, wie zärtlich er sein konnte, wie sanft und wie rücksichtsvoll.

      Mit Kindern wollten wir uns noch Zeit lassen, aber ich hoffte, dass auch Christian allmählich Interesse an dieser Frage bekam. Auch Männer mussten es doch reizvoll finden, sich zu reproduzieren? Mit einem kleinen Jungen samstags Fußball zu gucken oder gar zu spielen? Ihm etwas später zu erklären, mit welchen Tricks man sein Gesamteinkommen auf Null drückte? Ich grinste. Ja, das musste ihm gefallen! Fußball eher nicht, das war ihm zu proletenhaft. Christian spielte Tennis und hatte vor kurzem mit Golf angefangen. Golf hätte mich auch gereizt, es sah so geruhsam aus, aber Christian hatte mir erklärt, dass er Golf spielte, um dabei Kontakte zu seinen Mandanten zu pflegen, unter Männern. Dabei musste er seine Freundin/Sekretärin nicht mitschleppen, und zwei Aufnahmegebühren wären auch ganz schön teuer gekommen. Vielleicht später mal! Ich sah mich schon lässig abschlagen und dabei mit einer anderen Mutter plaudern, deren Kinder auf das gleiche feine Gymnasium gingen wie unsere. Wir könnten Pläne schmieden, ob unsere Söhne nach Harvard gehen und unsere Töchter debütieren sollten – oder umgekehrt, fügte ich im Stillen hinzu, entsetzt über meinen unemanzipierten Denkansatz.

      Natürlich, in Christians Welt hatten die Männer das Geld und die Frauen den teuren Geschmack. Schade, dass es immer noch so wenige Frauen mit ordentlich Geld und/oder hohen Einkünften gab – mehr Mandantinnen würden Christian sicher zeigen, dass mit den Frauen in Zukunft zu rechnen war!

      Ich kippte die Nudeln in das sprudelnde Wasser und drehte die Hitze zurück. Ein wenig aufbrezeln sollte ich mich auch noch, wenigstens den Zwiebelsaft von den Fingern waschen, bevor ich mir damit noch in die Augen fuhr!

      Unser großes Bad neben dem Schlafzimmer sah aus wie aus dem Katalog. Es war lindgrün gekachelt, alle Armaturen aus Messing, die Abschlusskante in Dunkelgrün und Gold, fast wie an der Hausfassade, und überall hingen dicke hell- und dunkelgrüne Handtücher mit schmalen Goldkanten. Auf der gekachelten Ablage standen Christians Kosmetika, die farblich gut hierher passten. Meinen eigenen Kram hatte ich freiwillig im verspiegelten Schrank versteckt – es gab einfach nichts, das mir gut tat und farblich passende Flaschen aufwies. Rosa Gesichtswasser andererseits oder eine silberne Puderdose hätten das Ambiente ruiniert.

      Ich warf einen Blick in den Spiegel und wischte mechanisch einen Spritzer weg. Etwas müde sah ich aus und erhitzt. Ich fuhr mir mit einem tonicgetränkten Wattebausch über das Gesicht und puderte mich dann frisch. Ja, jetzt ging es wieder. Keinen Lippenstift, Christian fand rote Lippen ordinär, und mein Mund war auch wirklich groß genug. Dafür war die Nase etwas zu klein. Aber die großen, goldbraunen Augen gefielen mir selbst nicht schlecht. Für die paar Sommersprossen auf der Nase war ich nachgerade zu alt, aber leider verschwanden sie nicht so einfach wie der Babyspeck. Ich bürstete einmal durch meine schulterlangen mittelbraunen Haare und zupfte dann sorgfältig die Haare aus der Bürste. Christian liebte es nicht, wenn Haarbürsten so verspeckt aussahen. Ich spülte Haare und Wattebausch in der Toilette weg, tupfte mir etwas Parfum auf den Hals (viel war nicht mehr in der Flasche) und drehte mich prüfend vor dem Spiegel. In Ordnung, ja. Bei Gelegenheit sollte ich wieder einmal einige Reis-und-Obsttage einlegen, ich fand mich etwas pummelig. Christian stand aber nicht auf dürre Frauen, versicherte er mir immer, „aber auf Moppel natürlich auch nicht. Du bist genau richtig, Sarah, bleib so!“

      Das hatte ich auch vor. Mutti wäre sicher stolz auf mich, überlegte ich, als ich die Nudeln abgoss und sie in eine Pfanne kippte, um sie ganz leicht anzurösten, wie Christian es liebte. Bald wäre ich ordentlich verheiratet, und wenn ich dann ein Kind – oder mehrere – kriegte, müsste ich mich nicht alleine durchschlagen.

      Mutti hatte es fertig gebracht, im zweiten Semester schwanger zu werden und dann herauszufinden, dass der Kommilitone, der ihr dazu verholfen hatte, einen falschen Namen angegeben hatte und nie mehr auftauchte. Mein unbekannter Erzeuger war also ein echtes Schwein! Mutti hatte das Studium notgedrungen abgebrochen – Anfang 1971 war man an der Uni in puncto Kinderkrippen und Babys in der Vorlesung noch nicht so liberal – und sich einen Job gesucht, um sich und mich zu ernähren. Ihr Vater hatte ihr einen langen Vortrag zum Thema Wie man sich bettet, so liegt man gehalten und alle weitere Unterstützung abgelehnt. Die Möglichkeit, ihn zu verklagen, hatte sie gar nicht in Betracht gezogen, außerdem hatte sie ja dann einen Job und damit keinen Bedarf mehr an Zuschüssen. Toll waren ihre Jobs nie gewesen, einfache Büroarbeiten, aber es reichte für uns beide und eine kleine Wohnung, eineinhalb Zimmer (ich bewohnte das halbe und war schnell darin geübt, zu kochen und Muttis vernünftige kleine Tochter zu sein). Eigentlich hatten wir es sehr gemütlich, und viele meiner Mitschülerinnen hatten genauso wie ich kein Geld, um mit ins Skilager zu fahren oder an der Studienfahrt teilzunehmen. Und ich war auch nicht die einzige, die neben der Schule im Supermarkt Regale auffüllte oder Briefe sortierte. Nach der Pubertät hatte ich nie mehr nach meinem Vater gefragt, und der Rabenopa war hoffentlich seit Jahren tot und schmorte in der Hölle – eine Zwanzigjährige mit einem Baby sich selbst zu überlassen! Ich wusste nicht einmal, wie er geheißen hatte, denn ich hatte immer den Verdacht gehabt, dass er Mutti gezwungen hatte, ihren Namen zu ändern, damit er nicht mit seiner verkommenen Tochter in Verbindung gebracht werden konnte.

      Jetzt könnte ich Mutti alles zurückgeben, was sie für mich getan hatte, dachte ich traurig und wendete vorsichtig die Nudeln in der Pfanne, aber sie war vor sechs Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen – ein Auto war in der Rubensstraße ins Schleudern geraten, auf den Bürgersteig geraten und hatte Mutti, die dort nach einem Geburtstagsgeschenk für mich gesucht hatte, erfasst. Sie war sofort tot gewesen, erst vierundvierzig Jahre alt. Um die Beerdigung zu bezahlen, hatte ich fast alles verkaufen müssen, was wir besessen hatten, und danach ein unmöbliertes Zimmerchen bezogen. Und ein Jahr darauf war Christian gekommen und hatte mich in ein Leben ohne Aldi-Sonderangebote und wacklige Baumarktmöbel entführt. Sicher, ich musste immer noch sparen, um von meinem kleinen Gehalt alles das zu finanzieren, was Christian von mir erwartete, aber es ging mir doch nun deutlich besser als vorher. Schon dafür liebte ich ihn – aber nicht nur dafür.

      Jetzt konnte er aber langsam kommen, die Sauce wurde nicht besser, wenn sie noch länger vor sich hinblubberte! Ich füllte den Sektkühler mit Eiswürfeln und stellte ihn wieder auf den Esstisch, trug das Parmesanschälchen mit dem italienischen Silberlöffelchen, das Christian mir vor einigen Jahren geschenkt hatte, ins Esszimmer und sah nervös auf die Uhr. Zehn nach acht! Wo blieb er denn? Die meisten Mandanten waren doch nicht gar so zeitraubend? Andererseits war das vielleicht

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