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Prinzipiell ist die Leistung dieser Bewältigungsarbeit meist möglich. Es ist ein Lernprozess, der auch zum Verstehen der Lüge beiträgt. Für einen normalen Menschen wird es mit der Zeit möglich, die Lügen und den Lügner zu verstehen: „in dieser Situation / aufgrund dieser Umstände wäre auch ich imstande, zu lügen“. Oder: „in dieser Situation / aufgrund dieser Umstände hätte ich zwar nicht gelogen, sondern ...etwas anderes getan, aber ich verstehe, dass er / sie es getan hat“
Dieses erweiterte Verständnis fördert den Reifeprozess des erwachsenen Menschen. Als Frucht dieser Arbeit können diese neuen Aspekte in Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen werden. So wird achtsameres Vermeiden ungünstiger Umstände möglich. Das gilt fürs eigene Leben und kann als wertvoller, guter Rat für Freunde, Kinder und Kollegen geschätzt werden! Auch können sie denen, die auf eine „schiefe Bahn geraten“ sind, kompetenter heraus helfen in ein ehrliches, gesundes Leben hinein.
Halten wir also fest:
Belogen werden ist schlimm.
Aber damit sind wir noch nicht am Ende, denn
Betrogen werden ist schlimmer!
Vertrauen in Betrugsbeziehungen
Wie ist das nun mit dem Vertrauen im Betrugsgeschehen?
Wie geraten Betrüger in die vertraute Nähe eines oder mehrerer Menschen?
Und wie gerät ein Mensch in die Nähe eines Betrügers?
Nach den bisherigen Ausführungen ist das nun einfach zu verstehen. Es ist ganz genau der gleiche Weg, auf dem auch andere fremde Menschen in die vertraute Nähe einer Person gelangen.
Auf Seite der normalen Menschen geschieht ganz genau das gleiche wie in anderen Beziehungen auch – siehe oben.
Nur auf der Seite des Betrügers geschieht etwas anderes. Betrüger haben kein Interesse an echter innerer Nähe, aufrichtig guter Nachbarschaft oder ehrlicher, dauerhafter Geschäftsbeziehung. Darum schauspielern sie dieses Interesse. Vorbilder für ihre Rollen haben sie ihr Leben lang um sich herum gehabt, denn sie sind gesellige Menschen. Nun ertasten sie feinfühlig, welche Persönlichkeit vor ihnen steht. Diesbezüglich sind die qualitativ "guten" (nicht moralisch guten!) Betrüger oftmals besser als erfahrene Psychologen. Sie sind fähig, in kürzester Zeit verblüffend treffende Persönlichkeitsdiagnostik zu betreiben.
Dann wissen sie auch, welche Menschen ihr Gegenüber mag. Aus dem reichen Fundus der Personen, die dem Betrüger während seines Lebens begegnet sind, schöpft er nun passende "Rollen", die er überzeugend "spielt". Für normale Menschen nicht wahrnehmbar, "fälscht" der Betrüger eine vertrauens-würdige Persönlichkeit. Mit seinem feinem Gespür erkennt er den Bedarf des Gegenübers und begegnet ihm entsprechend. Dabei entwickelt er Taktiken, die nicht als solche erkennbar sind, weil sie normale gesunde Lebensäußerungen aufs Genaueste kopieren. Das gilt fürs Kennenlernen ebenso wie für die Testphase und auch wieder für die daraus gewachsene, scheinbar sicher-tragende Vertrauensbeziehung.
So erschleicht sich der Betrüger die vertraute Nähe seiner Mitmenschen. Auch und gerade bei übermäßig misstrauischen Personen, innerlich vereinsamt, versteht er die Misstrauens-hürden zu „knacken“. Wie ein Einbrecher sich illegitim Zugang zu einer fremden Wohnung verschafft, so verschafft sich der Betrüger illegitim Zugang zur vertrauten Nähe seiner Mitmenschen.
Frage: ist Vertrauen ein Verbrechen, das bestraft werden muss?
Antwort: Nein, es ist das Wichtigste im Leben. VertrauensMISSBRAUCH ist das Verbrechen!
Vertrauen. Misstrauen ?
In wie weit vertraue ich eigentlich den Menschen um mich herum? Ich kenne ihre liebenswerten, vertrauenswürdigen Seiten und ebenso gut ihre verletzenden Seiten, die nicht vertrauenswürdig sind. Den Betrüger erlebte ich genauso: Ich konnte ihm ebenso viel oder wenig vertrauen wie den anderen Menschen um mich herum. Das reichte mir. Damit habe ich mich mein Leben lang arrangiert. Das ist die normale hellgrau-dunkelgrau-Mischung, aus der mein Leben schon immer bestand. Für die meisten Menschen ist das Leben kein Paradies, auch für mich nicht. Mein Leben mit Jochem war viel besser als mein Leben ohne ihn. Das reicht doch, oder.
Als ich Jochem kennenlernte, hatte ich nach ca. 10 Wochen eine intensive Misstrauensphase. Da habe ich mit mehreren vertrauten Menschen über ihn gesprochen und ihn intensiv kontrolliert. Das war sehr belastend. Beinahe wäre die Beziehung daran zerbrochen. In der Rückschau wäre das natürlich gut gewesen. Aber es gelang Jochem, meinem Misstrauen vertrauenswürdig zu begegnen, es zu zerstreuen und mein Vertrauen zu ihm wieder zu gewinnen, zu stärken. Wäre Jochem „echt“ gewesen, hätte ich beim Bruch der Beziehung einen wertvollen Menschen verloren. Doch ob „echt“ oder „unecht“ - damals hatte ich nicht die Kriterien in der Hand, um es unterscheiden zu können.
Misstrauen
Durch schlechte Erfahrungen lernten wir im Laufe unseres Lebens, auf bestimmte Signale zu achten, bei denen unsere inneren Alarmglocken läuten: „hier vertraue ich nicht!“ Dann erwarten wir nichts Gutes und lassen uns auf die Personen oder Situationen nicht vertrauensvoll ein.
Im Alter von 4 Jahren wohnte ich eine Zeitlang bei einer verwandten Familie. Eine Tochter war 8 Jahre alt, also 4 Jahre älter als ich. Sie kaute einen Kaugummi. Ich bat sie, mir auch einen Kaugummi zu geben. Sie sagte, sie hätte nur den einen, den sie im Mund hat, keinen anderen – den könne sie mir geben! Das fand ich über die Maßen eklig und zog meinen Wunsch zurück. Nun bestand sie darauf, mir doch einen Kaugummi zu geben, sie hätte noch einen: „Mund auf, Augen zu, kommt ein Mann mit Gummischuh!“ sagte sie und wollte, dass ich die Augen schließe und meinen Mund öffne... ich war sehr misstrauisch und ließ mich lange nicht darauf ein. Sie probte ihre Überredungskünste und wurde immer überzeugender, bis ich mich endlich „breit schlagen“ ließ. Ich schloss meine Augen, öffnete meinen Mund – und hatte ihren ekligen angekauten Kaugummi drin! Dieser Cousine vertraute ich von da an nie mehr. Ich hielt mich von ihr fern und spielte nicht mehr mit ihr: ich wusste ja jetzt, wozu sie in der Lage war. Davor wollte ich mich schützen. Und Mädchen, später Frauen, die ihr von Mimik und Gestik her ähnelten, unterzog ich langwierigeren Kontrollen als andere, bis ich ihnen eventuell vorsichtig ein wenig Vertrauen entgegen brachte.
Errichten von Misstrauenshürden
Menschen lassen gewöhnlich nicht alle, sondern nur gewisse Personen in ihre vertraute Nähe. Das sind Personen, die ihnen keine Verletzung zufügen, ihnen gut tun. Der Nachbarin vertrauen wir den Wohnungsschlüssel an, damit sie die Katze füttert, Blumen gießt und den Briefkasten leert, während wir im Krankenhaus oder im Urlaub sind. Geschäftspartnern geben wir Aufträge, weil wir wissen, dass sie ordentlich ausgeführt werden und ihre Zahlungsmoral gut ist. In Freundschaften vertrauen wir einander persönliche Erlebnisse an, teilen Philosophien, Reli-gionen, Weltbilder und persönliche Erlebnisse. In Liebesbezie-hungen bestimmt tiefes Vertrauen und große Nähe die Beziehung: Menschen teilen ihre Wohnung, ihren Körper, ihre innersten Werte miteinander, tragen die Verantwortung für das gemeinsame Leben miteinander,