Das Tor der sieben Sünden. Hans Günter Hess

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Das Tor der sieben Sünden - Hans Günter Hess

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denen, die im Überfluss schwelgten. Berbe ließ ihn über seine Familie berichten. So erfuhr sie auch, dass er ein neues Geschwisterchen erwartete. Sie seufzte:

      „Der liebe Gott wollte nicht, dass mir solche Freuden beschieden worden sind. Er hat mich zu den Patres geschickt, die für das Kindermachen untauglich sind.“

      Letzteres verbreitete sie wohl wissend als eine Unwahrheit, die sie stets auch mit Fleiß verteidigte. Der Vorgänger von Patre Hector Sorel gehörte keinesfalls zu den Kostverächtern. Berbe hatte ihm nicht nur im Haushalt und in der Kirche, sie hatte ihm auch im Bett gedient. So lautete die Wahrheit. Und so blieb es nicht aus, dass sie irgendwann schwanger wurde. Der alte Gottesmann wollte sie zu einer Engelsmacherin schicken, doch sie hatte vorher einen Sud aus treibenden Kräutern in sich hinein gewürgt und dabei den keimenden Fötus verloren. Nicht nur der Patre lud damals schwere Sünde auf sich, auch sie fühlte große Schuld. Danach ließ sie ihn nicht mehr an sich ran. Das lag nun schon zwanzig Jahre zurück. Jetzt war sie in den Fünfzigern und noch immer gut beieinander aber unfruchtbar. Das hob ihre Lust auf ein Mannsbild. Padtre Hector, wie sie ihn nannte, verkörperte einen Mann von guter Statur und in den besten Jahren. Sie hätte ihm widerspruchslos im Bett gedient und legte zu diesem Zweck öfters geheime Zeichen und Schlingen aus. In der warmen Jahreszeit trug sie beispielsweise nie was unter ihrem langen Rock. Auch ihr Blusenausschnitt ließ in seiner Weite einen tiefen Einblick auf ihre üppigen Brüste zu. Wenn sie des Patres Wäsche wusch, trocknete oder bügelte, dann galt ihre ganze Hingabe seinen Unterhosen, die sie nicht nur mit verklärten Blicken anschaute, sondern auch zärtlich streichelte. Aber all das half nichts. Patre Hector blieb unantastbar. Er lobte zwar ihre Reinlichkeit und ihr gutes Essen, rügte sie aber für das falsche Orgelspiel oder den gruseligen Klang ihrer Stimme.

      Zusammen mit Madame Richelieu, die noch lauter ihre eingebildete Sangeskunst darbot, ergab sich im Zusammenspiel mit der Orgel ein grauseliges Gemisch aus falschen Tönen und Disharmonien, das jeden Musikkenner aus der Kirche getrieben hätte. Nur dem ehrenwerten Kirchenvorstand, gebildet von Maître Richelieu, dem Großhändler Dubois und dem Königlichen Oberforstmeister Bresson, war es zu verdanken, dass solches nicht geschah. Man ertrug die schmerzende Beleidigung der Ohren geduldig im Namen Gottes. Niemand wagte es, den krächzenden Singsang zu tadeln. Diesmal hielt sich zudem der Patre zurück, denn aus den Töpfen der Reichen flossen nicht nur Spenden für seinen Kirche, sondern auch die Spezialitäten für seinen luxuriösen Lebenswandel. Selbst das gemeine Volk von der Südseite schwieg, war es doch oft auf die Gunst derer von der Nordseite angewiesen, und die stellten bekanntlich den Kirchenvorstand. Der Einzige, der wohl seinen Unmut geäußert hätte, wäre der Oberforstmeister gewesen, aber alt und schwerhörig verstand er sowieso nur etwas, wenn man laut schrie. Ihn störten weder Gesänge noch Orgel. Wenn er einen Psalm kannte, sang er ihn lauthals und genau so falsch mit. In solchen Fällen mündete erst recht alles in einer quälenden Tortur. Die Meisten waren dann froh, wenn sie die Kirche verlassen durften.

      Fabien wusste nur von den misslichen Gesängen, die anderen Geheimnisse der Mamsell Berbe blieben ihm verborgen. Die Choräle, so kläglich sie sich auch anhörten, hatten für ihn seit der Entdeckung Viviens nur eine Bedeutung, er empfand sie als Botschaften, die die Engel zu dem von ihm verehrten Wesen trugen. Denn das Singen bildete bisher die einzige Brücke zwischen ihm und ihr.

      In der Küche entwichen der Ofenröhre verführerische Gerüche. Fabien saß noch bei einem zweiten Glas Essigwasser und wartete auf seinen Lohn.

      „Der Propst Pineau besucht uns nachher, für den wird das Festmahl angerichtet. Wenn du morgen kommst, hebe ich dir etwas auf“,

      verriet sie ihm hinter vorgehaltener Hand. Er, der selten genug die Gaumenfreuden eines Bratens erlebte, versprach sein Erscheinen. Der Duft und die Aussicht auf ein Stück des Fleisches ließen ihn plötzlich alles vergessen, sogar Vivien und ihre Aufforderung, sich mit ihm zu treffen. Erst spät kehrte er nach Hause zurück und schob den Karren wie immer neben den Ziegenstall. Der Kuchen hatte seinen größten Hunger gestillt, deshalb überließ er seinen Anteil am Abendbrot den Geschwistern, die ihm freudig dankten. Vom Bett aus sah er später den Vollmond und der war Anlass für mehrere gleichzeitig ablaufende Ereignisse:

      Im Haus des Patre erschien gegen Abend sein Amtsbruder und Vorgesetzter, der Propst Jean Marie Pineau. Er kam immer dann, wenn der Erdenbegleiter mit ganzer Helligkeit leuchtete.

      Die Hure Madeleine traf zu gleicher Zeit an anderer Stelle Vorbereitungen für die kommende Nacht.

      Fabien lag lange schlaflos auf seinem Strohsack. Der Bratenduft in seiner Nase war gewichen, es roch wieder ärmlich wie eh und je. Er marterte sein Gehirn mit der Frage, wie man am besten Vivien eine Nachricht zukommen lassen könnte.

      Sarly, der bei Vollmond nie schlafen konnte, lag Ellbogen gestützt auf dem Schwellbalken der Luke und stierte in die schemenhafte Helle der Nacht. Wiederholt streifte sein Blick die Fenster von Charlottes Zimmer. Nur einmal sah er im flackernden Licht einer Kerze ihren huschenden Schatten, sonst lag das Haus im friedlichen Dunkel der Bäume. Clochard schnarchte in seiner Ecke an der Hauswand. Er, der ungekrönte Herr des Reviers brauchte keine Gegner oder Rivalen zu fürchten, die waren entweder vor ihm geflüchtet oder er hatte sie bereits gnadenlos vernichtet.

      Sarly empfand Stolz, dass er ausgerechnet zu ihm gehörte, war er doch in vielen Eigenschaften so wie er. Seine Gedanken beschränkten sich aber nicht nur auf den Hund, der kam gut und gerne ohne ihn klar. Auch um sein tägliches Brot machte er sich keinen Kopf. Für den nächsten Tag hatte er genug, und wenn er mal nichts hatte, schob er Kohldampf, anders kannte er’s nicht. Seine Überlegungen wanderten weiter zu den Sternen mit der Frage, ob denn dort auch Menschen lebten, und wenn, ob sie sich genau so verhielten wie hierzulande. Fledermäuse huschten lautlos vorüber, ein Käuzchen schrie irgendwo. Er mochte diese Stimmung. Es handelte sich um die Geräusche und Bewegungen der Natur, die er liebte, denen er sich verbunden fühlte, ganz im Gegensatz zum Geknatter und Gestank von Dubois’ Petroleumkutsche. Der war, Gott sei Dank, mit diesem scheußlichen Gefährt auf Geschäftsreise. Und das fand er gut. Morgen früh würde er sich beim Baden Charlotte in seiner ganzen Mannespracht präsentieren. Sie würde ihn beobachten und bewundern, das spürte er schon länger. Aber offenbarte sie sich ihm auch? Sarly witterte förmlich, dass dieser Augenblick nicht mehr fern sein konnte.

      Eine Bewegung, weit weg, in der Nähe von Madeleines Haus, fesselte plötzlich seine Aufmerksamkeit. Allerdings konnte er nicht ausmachen, was sich dort tat. Zunächst tippte er auf ein Tier, doch das lief nicht so schwerfällig, und Bären gab es in dieser Gegend nicht. Es musste ein Mensch sein. Die Hure hatte ihm nichts von einem Liebhaber erzählt. Unruhig verfolgte er das seltsame Wesen. Es verschwand, tauchte auf und irgendwann schluckte es die Nacht. Sarly packte die Angst. Sollte vielleicht einer Madeleine abgemurkst haben? Er sprang aus der Luke, steckte sein Messer in den Gürtel und schlich zu ihrer Kate. Kein Laut drang heraus. Doch sie hatte ihn längst an seinem schleichenden Gang erkannt.

      „Was willst du, Sarly? Lass mich schlafen! Ich habe keine Lust, mit dir zu ranzen“,

      schrie sie, als er an die Tür pochte. Er, bereits sein Messer in der Hand, stellte enttäuscht das Klopfen ein. Ihn reizte es schon lange, einmal einem Lumpen, der Madeleine des Nachts belästigte, einen Denkzettel mit der Messerspitze zu verpassen. Zunächst hockte er sich in der Nähe ins feuchte Gras und dachte nach. Um Madeleine zu beruhigen, tat er so, als ob ihn ihr Wohl nicht interessierte. Doch dann schlich er zum Fenster und raunte:

      „Du kannst ruhig weiter schlafen, ich war nur bei meinen Schlingen, brauche wieder einen fetten Entenbraten. Da dachte ich, jemand wäre bei deinem Haus gewesen.“

      „Scher dich zum Teufel und lass mich endlich schlafen, Sarly! Komm morgen Mittag, wenn du was von mir willst!“,

      fertigte sie ihn endgültig ab. Beleidigt zog er davon. Seine Sorge um Madeleine schien tatsächlich unbegründet. Den Rest der Nacht verbrachte

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