Andrea – Liebe ist nicht heilbar.. V. A. Swamp

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Andrea – Liebe ist nicht heilbar. - V. A. Swamp

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für eine perfekte Liebesnacht erfüllt waren. Es knallte in dieser Nacht so heftig, dass ich danach jeden Gedanken darauf verwandte, Andrea für immer und ewig an mich zu binden.

      Andrea lebte damals noch bei ihrer Mutter. Genauer gesagt, in der Wohnung lebten sie zu dritt, denn es gab da auch noch eine Großmutter, ein fürchterlicher Drachen, der aus seiner Abneigung mir gegenüber keinerlei Hehl machte. Andreas Vater hatte sich bereits nach drei Ehejahren verpisst, da war Andrea gerade einmal zwei Jahre alt. Andrea mochte ihren Vater mehr als ihre Mutter. Allerdings hatte ihr Vater mit seinen zahlreichen Frauen, er war glaube ich insgesamt sieben Mal verheiratet und jedes Mal war ein Kind dazu gekommen, so viel zu tun, dass er für Andrea nur wenig Zeit erübrigen konnte. Wie dem auch sei, Andrea fand es in Kreuzberg und bei mir sehr gemütlich und nach und nach schaffte sie alles, was sie so zum Leben brauchte, in meine Wohnung, was schon angesichts der Größe oder besser gesagt der Kleinheit der Wohnung eine Meisterleistung war. Wir entdeckten ziemlich schnell, dass wir viele identische Vorlieben hatten, was Kneipen, Literatur, Kino, Theater und natürlich Sex anging.

      Andrea war das unkomplizierteste Wesen, das ich je kennenlernen durfte. Sie hatte bereits mit 13 ihren ersten festen Freund und die beiden hatten ernsthaft überlegt, nach Gretna Green auszubüchsen. Dort in Schottland durften damals Jungen mit 14 und Mädchen mit 12 Jahren eine Ehe ohne elterliche Zustimmung schließen. Das war schon ziemlich abgefahren. Im Vergleich zu Andrea bin ich ein Spätzünder gewesen, auf solche Ideen wäre ich als Jugendlicher nie gekommen. Ihr Vater hatte allerdings von der Sache Wind bekommen und seine Tochter daran gehindert, den ersten großen Fehler in ihrem noch jungen Leben zu begehen. Wir verbrachten damals eine tolle Zeit auf dem Kreuzberger Trampelpfad zwischen „Leydicke“, der „Nulpe“, dem „Yorck-Schlösschen“, wo man fröhlichen Blues und Cordhosen-Jazz genießen konnte, dem „Delirium“, der „Kleinen Weltlaterne“, dem „Leierkasten“ und wie diese Treffs der Säufer- und Künstlerszene, was durchaus kein Widerspruch war, geheißen haben mögen. Wenn Andrea und ich von Kreuzberg genug hatten, gingen wir ins zivilisierte Wilmersdorf und dort vorzugsweise in die Galerie Bremer am Fasanenplatz. Galerie klingt nach Bildern, Skulpturen, Ausstellungen und so weiter. Das ist im Prinzip auch richtig, auch wenn wir nicht in erster Linie deswegen dorthin gingen. Hinter den Ausstellungsräumen der Galerie hatte der Architekt Hans Scharoun eine kleine, aber sehr gemütliche Bar eingerichtet. Zugegeben, ich wusste damals nur wenig über den Architekten Scharoun außer, dass wir ihm in Berlin die „Philharmonie“ zu verdanken hatten, aber die Bar in der Galerie Bremer fand ich sensationell. Über die Bar, und wohl ebenfalls über die Galerie, herrschte damals ein holländischer Charmebolzen namens Rudi oder so ähnlich. Ich gebe zu, ich habe die Holländer schon immer gemocht, nicht nur wegen ihrer charmanten Art, Deutsch zu reden. Meine ersten Kontakte mit holländischen Mädchen hatte ich bereits mit fünfzehn, und auch wenn das alles noch harmloses Geschmuse war, so haben mich die Erinnerungen daran nie losgelassen. Später, da war ich schon ein ganzes Stück über zwanzig, habe ich an der Costa Brava ein wundervolles holländisches Mädchen kennengelernt. Auch wenn es nur eine zweitägige Urlaubsliebe war: Ich kann mich nicht erinnern, und die anderen Mädels mögen mir das jetzt verzeihen, dass ich jemals so zärtlichen, liebevollen, herrlichen Sex hatte. Merkwürdig, ich glaube mich an jede Minute mit diesem Mädchen erinnern zu können, aber das ist natürlich Blödsinn. Jedenfalls hatte dieser holländische Rudi die Galerie Bremer zu einem der tollsten kulturellen Treffpunkte Berlins gemacht. Man erzählte sich später, dass hier über Jahrzehnte West-Berliner Kunstgeschichte geschrieben wurde. Rudi begrüßte jeden Gast persönlich, meist mit Handschlag und mit einem »Welcome to this beautiful Land«. Dann folgte eine Lachsalve, die ich noch heute im Ohr habe. Rudi muss damals so um die fünfzig gewesen sein. In unseren Augen also eigentlich ein alter Mann. Aber irgendwie erschien er uns zeitlos. Ich habe ihn Jahrzehnte später noch einmal gesehen und er hatte sich kaum verändert. Er war wirklich zeitlos!

      Die Bar verströmte eine lässige Eleganz. Die Wände waren in dunklem Grün gestrichen, darauf hingen Bilder, ich glaube unter anderem aus der Geschichte der Galerie. Unter den Bildern befand sich eine große schwarze Holzbank, davor schwarze Tische und Stühle im Fünfziger Jahre Design mit roten Sitz- und Rückenkissen aus Markisenstoff. An den Wänden hingen Lampen aus gewellten Kupferblechen. Der Bartresen war vorne mit abgestepptem Goldstoff verkleidet. Es waren ganz alltägliche Materialien, die man hier verwendet hatte, aber irgendwie hatte das Ganze eine fast magische Eleganz und Gemütlichkeit. Das fanden übrigens auch viele berühmte Zeitgenossen. Es hieß Billy Wilder, Bubi Scholz, Harry Belafonte, Hildegard Knef, Klaus Kinski, Romy Schneider und viele andere seien hier Gast gewesen. Wir haben nie irgendwelche Berühmtheiten dort gesehen. Vielleicht waren wir immer zu den falschen Zeiten dort? Die Namensgeberin der Galerie war übrigens Anja Bremer, die Lebensgefährtin von Rudi. Es hieß, dass sie nach dem Krieg den einst von den Nazis verfolgten Künstlern Ausstellungsmöglichkeiten in ihrer Zweieinhalbzimmerwohnung in Friedenau geboten hätte. Die Vernissage-Beköstigung bestand angeblich aus amerikanischer Dosensuppe und russischem Wodka. Die geistige Kost bestand aus Werken von Beckmann, Feininger, Kirchner, Klee, Kokoschka, Nolde und Pechstein. Mann, das hätte ich gerne gesehen! Später soll sie sogar einmal Grafik von Picasso gezeigt haben. Eine Sensation in den schwierigen Jahren nach der Währungsreform und sicherlich ein Meilenstein im Westberliner Kunstgeschehen. Irgendwann zog sie dann mit ihrer „Galerie“ in die Fasanenstraße, in die Räume einer ehemaligen Tischlerei. So entstand die Galerie Bremer. Mich durchzieht ein wohliges Kribbeln, wenn ich an all diese Geschichten und an unsere gemeinsamen Abende dort denke. Ich wundere mich, dass mir das alles auf einmal wieder einfällt. Ich habe viele Jahre, ja Jahrzehnte, nicht mehr daran gedacht.

      Andrea war bis zu unserem Kennenlernen nie dieser skurrilen bis bizarren Welt begegnet. Jetzt sog sie alle Geschichten um die Berliner Künstlerszene gierig in sich auf. Systematisch klapperten wir an den Wochenenden auch die staatlichen Kunstsammlungen ab und nach einiger Zeit verstand Andrea wesentlich mehr von der in Berlin versammelten Kunst und Szene als ich. Ihr kam zugute, dass sie ein phänomenales Namensgedächtnis hatte, und sie konnte meist schon aus einiger Entfernung zu den Kunstwerken den Namen des jeweiligen Künstlers oder der Künstlerin nennen. Ich wollte es ihr gleichtun und begann mich ebenfalls für das Leben einzelner Künstler zu interessieren, um Andrea mit interessanten und pikanten Einzelheiten zu beeindrucken. Ich hatte keine Chance. Oft kannte sie die Einzelheiten besser und korrigierte mich manchmal schulmeisterlich, was mir gar nicht gefiel.

      Zwei Jahre nach unserem Kennenlernen machten wir uns mit meinem grauen klapprigen VW-Käfer auf in Richtung Süden. Wir schauten kurz bei meinen Eltern in Westdeutschland vorbei. Die waren nicht sonderlich begeistert, dass ich schon wieder eine neue Freundin mitbrachte. Deshalb blieben wir auch nur zwei Tage, vor allem auch, weil uns mein jüngerer Bruder auf die Nerven ging. „Jüngerer Bruder“ klingt so, als ob es noch einen älteren Bruder gegeben hätte. War aber nicht an dem. Mein Vater war, glaube ich, schon mit zwei Kindern überfordert, ein Drittes hätte zur Katastrophe geführt. Na ja, meine Familie war auch so eine Katastrophe. Jedenfalls fuhren wir dann schnurstracks nach Paris. Das war damals einer der Sehnsuchtsorte für Leute unseres Schlages. Wir mieteten uns in ein Billighotel nahe des Boul’Mich‘, wie die Franzosen den Boulevard St. Michel nannten, ein. Es war Ende August und Paris glühte unter einer sengenden Sonne. Wir verzichteten deshalb darauf, tagsüber das Hotelzimmer zu verlassen. Da es keinerlei Zimmerservice gab, konnten wir ungestört den ganzen Tag im Bett verbringen. Zwischen unseren zahlreichen Ficks ging ich runter an die Ecke, wo sich ein Krämerladen befand. Dort kaufte ich Mineralwasser, billigen Rotwein, Baguette und Käse. Ich glaube, es war meistens Camembert oder Brie. Andrea war im Ficken unersättlich, und das gefiel mir außerordentlich. Wir probierten alles aus, was uns da so an aufregenden Dingen einfiel. Nur die Sadomaso-Strecke ließen wir aus. Wir wollten es beide zärtlich und gefühlvoll. Verdammt, das Mädchen schmeckte so lecker und ich konnte nicht genug kriegen von ihrer Pussy und manchmal auch von ihrem Popoloch. Sobald es in den Straßen etwas kühler wurde, durchstreiften wir in langen Spaziergängen die angesagten Gegenden rund um den Boul’Mich‘ und entlang des Seine-Ufers. Dort, insbesondere am Pont Neuf, trafen sich Clochards, Existenzialisten, Hippies (seit wann gibt es eigentlich diesen Begriff?) und andere amüsante Nichtsnutze, um sich die gesamte Nacht, oder zumindest den größten Teil davon, gemeinsam zu amüsieren.

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