Andrea – Liebe ist nicht heilbar.. V. A. Swamp
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Читать онлайн книгу Andrea – Liebe ist nicht heilbar. - V. A. Swamp страница 11
Ich bin sprachlos ob dieser Dreistigkeit, aber ich mache genau das, was er mir aufträgt. Nachdem ich die Nummer gewählt habe, klingelt bei Schweinchen Schlau das Handy. Er grinst triumphierend.
»Na siehst du, jetzt ist alles Paletti.«
Ich finde gar nichts ist „Paletti“. Ich bin soeben Opfer eines Telefonnummernraubes oder zumindest einer Telefonnummernabschöpfung geworden.
»Ich bin mit einer ganzen Gruppe hier. Die sind alle aus meinem Betrieb. Da ist leider keiner von damals dabei. Na egal, wir bleiben jetzt in Verbindung, nicht wahr? Ich kümmere mich jetzt erst einmal um die anderen.«
Das Schicksal hat mit mir ein Einsehen – Gott sei Dank. Ich grinse ihn an und wünsche ihm viel Spaß auf der Party. Er grinst zurück, nicht ohne mir das Versprechen abgenommen zu haben, dass ich ihn anrufe, wenn ich Zeit habe. Ich nicke und weiß genau, dass ich ihn niemals anrufen werde. Außerdem ist mir immer noch nicht sein Name eingefallen. Egal, Schweinchen Schlau reicht ja. Als Nächstes muss ich unbedingt seine Nummer wieder aus meinem iPhone entfernen! Schweinchen Schlau verschwindet in Richtung seiner Gruppe. Ich schaue auf mein Glas mit dem Campari. Eigentlich bräuchte ich jetzt einen stärkeren Drink. Als unbegleitete Einzelperson ist man solchen Angriffen schutzlos ausgeliefert, denke ich. Verdammt noch mal, Rita, warum musstest Du mich so früh verlassen? Du hättest mit deiner zeitlosen Schönheit diesen Verein ganz schön aufgemischt! Wieder tippt mir jemand auf die Schulter und für eine Sekunde fürchte ich die Rückkehr von Schweinchen Schlau. Als ich mich umdrehe, sehe ich in ein frisches, freundliches Gesicht.
»Raimar? Du bist es doch? Na klar, mit Deiner Körpergröße ist es leicht, Dich zu erkennen.«
Ich stehe da wie ein Blödmann. Wahrscheinlich hat es mir die Sprache verschlagen. Das ist Andrea? Sie sieht nicht aus wie sechzig. Wenn ich nicht wüsste, dass sie es ist, hätte ich sie auf höchstens Anfang fünfzig geschätzt. Sie hat immer noch braunes volles Haar mit einem leichten Rotstich, den man aber nur sieht, wenn das Licht unmittelbar darauf fällt. Ihre dunkelbraunen Augen haben mich schon damals fasziniert. Und dann ihre Hände. Was hat das Mädchen immer noch für tolle Hände mit Fingern lang und schön wie frisch geschälter Spargel, die dünne Variante natürlich. Sie scheint immer noch sehr schlank zu sein. Genau sehen kann ich das vor lauter Aufregung nicht. Sie trägt ein hübsches bonbonfarbenes Kostüm mit einem leicht ausgestellten Rock. Ich verstehe ein bisschen was von Damenmode. Das hat mir Rita beigebracht. Vermutlich stammt Andreas Kostüm von ESCADA. Billig sieht es jedenfalls nicht aus. Auch Andreas Beine scheinen immer noch o.k. zu sein. Jedenfalls sind sie noch immer schlank, das gefällt mir. Ich glaube, sie mag es nicht, wie ich so taxiere. Da wird mir bewusst, dass ich sie mit offenem Mund anstarre.
»Du kannst jetzt deinen Mund wieder schließen. Komm, ich werde Dich meinem Mann vorstellen.«
Andrea nimmt mich an die Hand wie einen Zwölfjährigen und zieht mich über den Rasen. Ihre Hand ist warm und weich und für einen kurzen Moment habe ich einen unreinen Gedanken. Ich meine, wie sie sich wohl an meinem Schwanz anfühlen würde. Irgendwie bin ich verwirrt. Ob das am Campari liegt? Oder an dem Wiedersehen mit Andrea?
Ihr Mann ist kein Hit, auch wenn er offenkundig teure Klamotten trägt und eine goldene Rolex mit Brillis schwer von seinem Handgelenk fällt. Solche Dinger hat man in Bangkok damals für ein paar Mark auf der Sukhumvit Road kaufen können. Ich vermute allerdings, dass Müllers Rolex echt ist und nicht aus einer asiatischen Fälscherwerkstatt stammt. Trotzdem, mit seiner Rolex und seiner schweren goldenen Halskette sieht er ein bisschen aus wie ein Zuhälter oder ein Mafiosi. Hoffentlich kann Andrea meine Gedanken nicht lesen. Müller ist so breit wie hoch und mit dieser Figur könnte man ihn leicht über den Rasen rollen. Aber er gibt sich sehr charmant und vermittelt mir das Gefühl, ein sehr willkommener Gast zu sein. Irgendwie hat er aber auch etwas Schleimiges an sich, so als wollte er in mich hineinkriechen wie ein ekliger Bandwurm. Ich bemühe mich, mit ihm Konversation zu machen. Andrea steht unbeteiligt daneben. Ich fühle mich irgendwie unbehaglich. Dann verliert Müller plötzlich das Interesse an mir, entschuldigt sich und wendet sich abrupt wieder den Leuten zu, mit denen er vorher im Gespräch war. Bin ich nun hier willkommen oder nicht? Ach Scheiß der Hund drauf. Immerhin ist Andrea geblieben und da fällt mir ein, dass ich ihr noch nicht zum Geburtstag gratuliert habe. Sie lacht und da ist es wieder, dieses freundliche, frische, bezaubernde Lachen.
»Dann gib mir einen richtigen Geburtstagskuss.«
Was versteht sie darunter? Ein richtiger Geburtstagskuss? Ich schaue irritiert zu ihrem Mann, doch der widmet sich intensiv seinen anderen Gästen.
»Na los, wie lange soll ich noch warten?«
Andrea nähert sich gefährlich nah meinem Gesicht. Sie riecht extrem gut. Der frische natürliche Duft ihrer Haut wird durch ein ganz leichtes Parfüm unterstützt und ich fühle mich auf einmal extrem zu ihr hingezogen. Unsere Lippen treffen sich und dann, ohne mein geringstes Zutun, schiebt mir Andrea ihre weiche, lüsterne Zunge in den Mund. Ich bin wie paralysiert, aber ich genieße diesen Augenblick, auch wenn ich mich von tausend Augenpaaren beobachtet fühle. Aber kein Mensch nimmt Notiz von uns. Andrea schmeckt immer noch verdammt gut und jetzt muss ich zu allem Überfluss auch noch an Rita denken. Ist das jetzt besser oder schlechter im Vergleich mit Rita? Verdammt, ich kann mich nicht an Ritas Küsse erinnern. Was mache ich hier? Meine sechzigjährige Ex gibt mir einen heißen Zungenkuss und ihr Mann kann sich jeden Moment umdrehen, um nach seiner Frau zu schauen. Andrea grinst, als wir uns voneinander lösen.
»Ich merke, Du hast nichts verlernt.«
Blitzschnell zaubert Andrea ein Papiertaschentuch hervor und wischt ihren Lippenstift von meinen Lippen.
»Lippenstift hat Dir noch nie gestanden. Ich finde es supertoll, dass Du hier bist. Ich muss mich allerdings jetzt erst einmal um die anderen Gäste kümmern. Misch Dich unters Volk. Auch wenn man das auf den ersten Blick nicht erkennt, es sind eine Menge interessanter Leute dabei. Sobald ich Gelegenheit dazu habe, werde ich Dir einige vorstellen. Bis dahin hab Spaß. Ach ja, und danke, dass Du gekommen bist. Das war mir sehr wichtig.«
So schnell, wie sie gekommen ist, ist Andrea auch wieder verschwunden. Ich stehe da, wie ein Trottel und erst jetzt stelle ich fest, dass ich bei dem Zungenkuss die Kontrolle über meinen Campari verloren habe. Der ist inzwischen im Rasen versickert. Ich brauche jetzt unbedingt einen neuen Drink. Das Mädchen mit den Getränken ist nicht zu sehen, also gehe ich zu der Bar neben der DJane. Ich kann jetzt etwas Stärkeres vertragen und entscheide mich für Rum und Coke. Der „Bartender“ meint es gut mit mir. Fast zu gut, denn der Drink besteht zu über der Hälfte aus Rum! Ich nehme meinen Drink und schlendere weiter über den Rasen in der Hoffnung, doch noch auf ein bekanntes Gesicht zu treffen. Dabei achte ich peinlich genau darauf, nicht noch einmal Schweinchen Schlau zu begegnen. Der ist aber gottseidank nirgends zu sehen. Ich stelle mich abwechselnd zu einer der Grüppchen, aber niemand scheint auch nur das geringste Interesse an mir zu haben. Viele Gesprächsthemen drehen sich um die Berliner Theaterszene, und da bin ich schlecht aufgestellt. Die anderen Themen sind eher öde und geistlos – flaches Partygeschwätz eben. Ab und zu hole ich mir bei dem Bartender Nachschub. Die DJane hat inzwischen den Lautstärkeregler aufgedreht, wohl in der Hoffnung, dass das die Gäste zum Tanzen animiert. Es tanzt aber keiner.
Andrea bleibt verschwunden. Seit unserem Zungenkuss fehlt jede Spur von ihr. Ich hätte sie so gerne nach den beiden anderen Geburtstagskindern befragt. Wie viele Drinks hatte ich in der Zwischenzeit? Ich rechne nach. Es müssen so um die fünf oder sechs gewesen sein. Das ist definitiv zu viel! Gegessen habe ich nichts. Als ich Hunger bekam, war das Buffet stark umlagert und später waren all die guten Dinge in den Bäuchen der anderen Gäste verschwunden.