Killertime. Charlie Meyer
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»Wie realistisch ist die Chance, eine Tasse abzubekommen?«, tastete ich mich vor.
»Gleich null«, entgegnete Santos trocken und stieß sich von der Wand ab. »Ich habe nur eine Tasse gekocht und die ist für mich. Ihr Staatssekretär hat wohl zu erwähnen vergessen, dass die Verpflegung im Service nicht inbegriffen ist.«
Er goss den Inhalt der Kanne in einen Becher und trollte sich betont langsam. Mimik und Körpersprache hätten nicht deutlicher sein können: Leck mich, du Wichser.
Ich verfluchte meinen Halbbruder und die Frucht seiner Lenden für die nächsten fünfhundert Jahre, kochte mir meinen eigenen Kaffee und aß die Donuts dazu, die ich auf dem Weg zum Polizeirevier erstanden hatte. Dann fuhr ich den Laptop hoch. Passwortgeschützt, na klar, ich löste nicht nur diesen Fall in Nullkommanichts, ich trat auch als Hellseher bei der Wohltätigkeitsveranstaltung der Polizeigewerkschaft auf und erriet Passwörter.
Gerade, als ich den Laptop wieder zuklappen wollte, bekam ich von meinem erpresserischen Halbbruder eine SMS auf mein Handy mit einer Reihe Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen und ging zu Recht davon aus, das Passwort vor mir zu haben: iry6$8jp§³. Da ich keine Chance sah, mir dieses Passwort auf Dauer merken zu können, schrieb ich es auf einen Notizzettel, den ich in mein Portemonnaie steckte.
Maik Willem hätte auf der Stelle der Schlag getroffen, und einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, ihm den eingescannten Zettel als Anhang zu mailen. Kindisch, ich weiß, aber manchmal rückt sich die eigene verschobene Welt nur durch kindische Aktionen wieder gerade. Der Laptop jedenfalls enthüllte mir nun sein Innenleben, und das bestand aus einem leeren Ordner, auf dem Ermittlungsergebnisse stand, einer Telefonliste und einem E-Mail-Account, der siebzehn Mails enthielt, davon einige mit Anhang.
Aus dem verwaisten Nachbarbüro zur Linken, das aussah wie das von Santos, lieh ich mir den Drucker aus, richtete übers Internet eine WLAN-Verbindung ein und tat genau das, was ich laut ausdrücklichem Befehl des Staatssekretärs Maik Willem Crispin nicht durfte: Ich druckte all das brisante Zeugs aus. E-Mails, Fotos, Telefonliste und Hintergrundartikel. Die Tür der Besenkammer hatte ganz offenbar ein neues Sicherheitsschloss bekommen, das sollte wohl ausreichen, Neugierige am Herumschnüffeln zu hindern. Vor allem, da Santos, sein Gehilfe und ich die einzigen Bewohner der Polizeistation waren.
Seit dem Vorabend hatte sich an der Berichtserstattung auf den gängigen Plattformen nichts geändert. Zwei verstümmelte Leichen im Wald, keine Einzelheiten, keine Namen.
Dafür fand ich unter den E-Mail-Anhängen nicht nur die Tatortbilder mit verscheuchten Schmeißfliegen, sondern auch die Bilder der gewaschenen Leichen auf stählernen Autopsietischen. Das erste Bild, das ich anklickte, reichte aus, mir die übrigen gar nicht erst antun zu müssen. Diese Art voyeuristischer Inspiration brauchte ich nicht.
Das Profil des Kindermörders während meines Lehrgangs hatte ich erstellt, ohne mir die Tatortfotos der ermordeten Kinder anzusehen. Sie hätten meine logischen Schlussfolgerungen auf Grund aller zusammengetragener Infos lediglich durch die Blockade abgrundtiefer Trauer verhindert.
Die Ministerien, in Vertretung meines Halbbruders Maik Willem, verlangten von mir und den übrigen Bewohnern des Polizeireviers eine uneingeschränkte Zusammenarbeit, also hätte ich an dieser Stelle mit meinem Kaffeebecher einen zweiten Versuch starten müssen, bei Santos um gut Wetter zu bitten. Ich tat es nicht. Solange er mich nicht absichtlich behinderte, konnte er bleiben, wo der Pfeffer wuchs. Als Informationsquelle brauchte ich ihn nicht, mein E-Mail-Account füllte sich mit Mails aus allen Richtungen.
Maik Willems hielt Wort, ich bekam sogar eine dienstliche Aktennotiz von ihm an den Innenminister weitergeleitet, in der er mich als erfahrenen Profiler anpries, der Dutzende von Morden aufgeklärt hatte und der Schrecken aller Serienkiller war.
Kein Scherz, sondern eine Warnung, die mir den Ernst meiner Lage verdeutlichen sollte.
Womit ich fest gerechnet hatte, war das erneute Auftauchen des jungen Bremersson im Türrahmen der Rumpelkammer, und ich sollte recht behalten. Ich winkte ihn herein und deutete auf den Besucherstuhl, einen harten Holzstuhl derselben Art, die ich schon von meinem Verhör am Vortag kannte.
Kaum, dass er saß, legte ich ohne Vorwarnung los: »Okay, eine höhere Macht zwingt mich, euch so lange Gesellschaft zu leisten, bis dieser Fall gelöst ist. Es gibt hundert Dinge, die ich lieber täte, zum Beispiel einen Tiger streicheln oder einer Klapperschlange ein Küsschen geben. Dummerweise gibt es hier keine Tiger und Klapperschlangen, sondern nur uns. Wir können zusammenarbeiten und das Elend damit verkürzen. Zusammenarbeiten heißt für mich in diesem Fall einfach, uns gegenseitig keine Steine in den Weg zu legen. Ich will nichts von euch, außer ein wenig Büromaterial und koche auch gern meinen Kaffee selbst. Sollte Ihr Boss allerdings auf Krieg aus sein, hat er die Konsequenzen selbst zu tragen. Die anfangs erwähnte höhere Macht lässt gern auch mal Köpfe rollen. Kennen Sie das Buch von Stephen King Die Arena? Ja? Gut, dann stellen Sie sich unsere Situation exakt so vor. Wir sitzen unter einer gläsernen Kuppel und die Regierung beobachtet, ob wir in der Nase popeln oder den Fall lösen. Und wenn ihr Daumen nach unten zeigt, tritt das Exekutionskommando an. Ansonsten gibt es eine Medaille.«
Einen Moment lang blieb Bremersson sitzen und starrte mich an, und einen Moment lang starrte ich herausfordernd aber auch leicht irritiert zurück. Ich hatte mit einem roten Kopf und Gestammel gerechnet, und damit, dass er nicht wusste, wohin er blicken sollte bei meiner unverblümten Ansprache. Stattdessen hielt er meinem Blick beinahe durchgehend stand, und mir war, als zuckten sogar seine Mundwinkel.
Als ich fertig war, kam der alte unsichere Polizeimeisteranwärter dann doch wieder zum Vorschein.
»Soll ich, äh, meinem Boss das ausrichten?«
»Das wäre fein. Danke schön.«
Er stand auf und drehte sich um, als ich ihn mit einer Frage zurückpfiff.
»Für was für einen Menschen halten Sie den Mörder?«
Der Polizeimeisteranwärter fuhr erschrocken herum. »Verzeihung?«
»Der Mörder. Was ist er für ein Mensch? Mann? Frau? Was für einen Beruf übt er aus? Wo wohnt er? Warum ausgerechnet die beiden?«
Der Junge rang nach Worten, und ich ließ ihm Zeit. Brainstorming in großer Runde bringt die besten Resultate, doch manchmal reicht es auch, einen Einzelnen unerwartet mit jeder Menge Fragen zu unreflektierten Antworten zu bringen. Gerade die bergen mitunter das größte Potenzial. Ich konnte jede Hilfe gebrauchen, die mir über den Weg lief, selbst, wenn sie in Gestalt eines rothaarigen Anwärters auftauchte.
»Okay, beginnen wir mit den einfachen Antworten. Mann oder Frau?«
Ich lehnte mich zurück und kippelte mit dem Stuhl.
Bremersson sah an mir vorbei in eine der Ecken der Besenkammer und spitzte zögernd die Lippen. Ich wartete ungeduldig und hakte schließlich nach.
»Was deutet auf einen Mann?«
»Die Kraft. Der Mörder hat das Zelt von außen aufgeschlitzt, sich reingebeugt und den Russen bewusstlos geschlagen. Laut Spurensicherung hat er ihn dann an den Füßen aus dem Zelt gezerrt und in die Mitte der Lichtung geschleift. Das Mädchen hat er den Spuren nach am Waldrand erwischt und dann neben dem Russen angebunden. Also muss er auch stärker als sie gewesen sein. Dann hat er beide verstümmelt und getötet.«
»Gut,