Killertime. Charlie Meyer
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Nach meiner kurzen aber kräftigen Ansage stoben alle in unterschiedliche Richtungen davon und das Aufräumen ging weiter. Gunnar und ich stellten die Tische wieder an ihre angestammten Plätze.
Um halb vier Uhr morgens strampelte ich mit dem Mountainbike durch den stockfinsteren Wald zu meiner Hütte und war, wie immer, erleichtert, sie noch stehen zu sehen. Ich schaltete meinen Hotspot an und surfte auf dem Tablet noch ein wenig im Internet, während ich mir den mittlerweile kalten Döner zwischen die Zähne schob, den ich in unserem einzigen Dönerladen am Bahnhof gekauft hatte. Er gehört Tarik und Zafer, zwei etwas weltfremden Brüdern aus Anatolien, die bis fünf Uhr früh auf Kundschaft hoffen, obgleich der letzte Zug kurz vor Mitternacht durch den Bahnhof brettert. Ohne anzuhalten.
Zu den Morden gab es jede Menge Nachrichten, aber alle klangen gleich. Keine Einzelheiten über die Verstümmelungen, keine Namen, eben nur zwei Leichen im Wald. Die Spekulationen reichten vom Eifersuchtsdrama bis hin zu einem Amoklauf.
7
Das Gedudel des Smartphones weckte mich.
»Wieso bist du nicht im Revier. Es ist zwanzig nach zehn.«
»Du mich auch.«
Ich drückte das Gespräch weg und drehte mich auf die andere Seite. Die Charterfahrt gestern war die dritte Abendfahrt in dieser Woche gewesen, und dementsprechend groggy fühlten sich Körper und Geist an. Deshalb habe ich mich bei dem zweiten Job für den Freelancer mit freier Zeiteinteilung entschieden. Ich hatte etwas dagegen, die nächsten dreißig Jahre bis zu meiner Rente von acht Uhr morgens bis sechzehn Uhr dreißig am Nachmittag wie ein Uhrwerk zu funktionieren und von narzisstischen Bossen wie meinem Bruder zum Rapport gerufen zu werden.
Das Smartphone dudelte erneut. Diesmal blinzelte ich aufs Display. Eine Handynummer, die ich nicht kannte. Zumindest war es nicht die von Maik Willem.
»Hallo?«
»Du hast eine halbe Stunde, bevor wir dieser Lucy Sowieso einen Besuch abstatten.«
Diesmal war er es, der das Gespräch wegdrückte, und ich nahm mir vor, seine zweite Handynummer unter dem Namen Arschloch zu speichern.
»Scheiße!«
Ich stemmte mich langsam in die Höhe und versuchte meine Pupillen auf die Einrichtung der Hütte zu fokussieren, doch alles verschwamm. Ausgeschlafen war etwas anderes. In Flipflops und Boxershorts wanderte ich um meine Hütte herum, schöpfte aus der Regentonne einen Eimer kaltes Wasser und goss ihn mir über den Kopf. Danach klarte sich mein Blick abrupt auf. Zwischen den Baumkronen leuchtete mir das Blau des Himmels entgegen, und das Außenthermometer zeigte selbst hier unten, mitten im tiefsten Wald, schon zweiundzwanzig Grad an. Es war erst Anfang Juli und schon so heiß wie im Hochsommer.
Hätte ich geahnt, wie heiß es in diesem Sommer noch zugehen sollte, wäre ich längst mit Schlittenhunden auf dem Packeis des Nordpols unterwegs gewesen.
So verfluchte ich zwar meinen Bruder mit allen mir zur Verfügung stehenden Kraftausdrücken, was nicht wenige waren, holperte aber kurz darauf mit dem Mountainbike über Baumwurzeln den Forstweg hinunter.
Es gibt viele Arten jemanden zu etwas zu überreden. Nett fragen, eine Belohnung anbieten, ihm eine in die Fresse hauen, und dann noch einmal fragen, aber damit drohen, einem Außenstehenden Leid zuzufügen, in welcher Form auch immer, steht bei mir noch niedriger im Kurs als von jemandem zusammengeschlagen zu werden, während dich seine Kumpels festhalten.
Ich schaffte es in fünfundzwanzig Minuten, in denen ich mir den Kopf darüber zerbrach, wie ich Lucy aus der Schusslinie bekommen konnte. Es fiel mir nichts ein. So wie es aussah, hatte entweder das Verteidigungsministerium oder das Innenministerium oder beide ein Dossier über sie angelegt. Oder keiner von beiden, sondern nur mein Bruder auf dem Weg in den politischen Himmel, was mir als die weitaus realistischere Variante erschien. Lucy war schließlich nicht die Schwester von Osama bin Laden, sondern lediglich eine Modelcasterin mit Beinprothese.
Lohnte es sich möglicherweise, Maik Willems Potsdamer Villa einen nächtlichen Besuch abzustatten? Während ich die roten Ampeln ignorierte, soweit es mir ungefährlich für Leib und Leben schien, grübelte ich darüber nach und kam zu keinem Schluss. Bei seiner Paranoia angesichts der NSA-Affäre konnte tatsächlich eine Papierakte existieren, die ich mitnehmen konnte, doch wer sagte mir, dass es nicht drei Kopien auf CDs oder USB-Sticks gab, die in drei verschiedenen Banktresoren deponiert waren, und zwar gerade deshalb, weil er paranoid war.
Auf der anderen Seite kannte ich jemanden, der mir einen Gefallen schuldete und einen Freund hatte, der sich in alles einhackte, das sich bei drei nicht von selbst abschaltete. Einen Versuch war es wert.
Polizeihauptmeister Santos empfing mich wie ein Magengeschwür. Bereit, es mit allen Mitteln zu bekämpfen. Er wies den schlaksigen Polizeimeisteranwärter mit den roten Haaren an, mir mein Büro zu zeigen, wobei seine makellos weißen Zähne für eine Sekunde in der Andeutung eines schadenfrohen Lächelns aufblitzten.
Mein Büro erwies sich dann auch als fensterlose Besenkammer mit einem Schreibtisch und einem Schreibtischstuhl, dessen Bezug meine hundert Vorgänger schon durchgesessen hatten. Als netten Willkommensgruß hatten mir meine unfreiwilligen Kollegen tatsächlich einen Besen in der Ecke zurückgelassen. Einen mit schon platten Borsten.
Auf den makellos neuen Laptop allerdings, ein Modell, das auf dem Markt noch nicht einmal frei erhältlich war, hätte sich der Hackerfreund meines Freundes Hannes mit ungläubigem Strahlen gestürzt.
Unser Polizeirevier ist der Größe unserer Stadt angemessen. Aber immerhin haben wir noch ein eigenes Revier, was möglicherweise daran liegt, dass wir zwar eine Kleinstadt mit nur fünfzehntausend Einwohnern sind, administrativ aber als Mittelpunktzentrum des nur spärlich besiedelten Nichts gelten, das uns umgibt. Außerdem ist Hollerbeck Standort des Kreiskrankenhauses, was wiederum historisch begründet ist. Die, Ärzte in dem ehemaligen Spital aus dem neunzehnten Jahrhundert hatten sich schon so früh auf Traumatologie und Pathologie spezialisiert, dass sie sich bundesweit einen gewissen Ruf erarbeitet haben.
Das Polizeirevier besteht aus zwei Büros, einem Verhörraum, meiner Besenkammer und dem obligatorischen Empfangstresen, zu dem der junge Polizeianwärter eilte, sobald die Türglocke ging. Im Keller zwei Arrestzellen zur Ausnüchterung Betrunkener.
Der letzte Mord lag sechs Jahre zurück, wie ich später erfuhr. Ein Bauer, der Jahrzehnte von seiner Frau schikaniert worden war, hatte sie schließlich erschlagen, und, weil er nicht einsah, ihretwegen auch noch im Gefängnis zu landen, die Leiche zerlegt, durch den Häcksler gejagt und an seine Schweine verfüttert.
Als später im Schlachthaus menschliche Knochensplitter in ihren Mägen gefunden wurden, flog die Sache auf, und er landete doch noch hinter Gittern. Die Geschichte erinnert mich immer an einen polnischen Serienmörder, dessen Geliebte in der Nachkriegszeit über dreißig wohlgenährte Mitmenschen in seine Metzgerei lockte.
Die Wurst verkauften sie auf dem Schwarzmarkt.
Ich ging nach vorn zur Empfangstheke