Killertime. Charlie Meyer
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Diesmal lief er knallrot an, und nicht zum ersten Mal gratulierte ich mir zur hohen Kunst der Diplomatie. Wenn ich so weitermachte, lautete der Untertitel des Dritten Weltkriegs Die Welt gegen Dylan Crispin, und ich ging mal davon aus, dass keiner auf mich eine Siegwette abschließen würde.
»Ich ... äh ... nein, natürlich nicht. Ich habe nichts gegen Ausländer. Ich meine, diese ganzen Flüchtlinge ... Heute Morgen stand in der Zeitung, wir müssten uns auf eine Ebolaepedemie einstellen. Hier bei uns. In Europa.«
Er starrte mich mit seinen großen blauen Augen vorwurfsvoll an.
»Das Opfer war aber kein Ebolakranker, kein Terrorist und auch kein Sozialschmarotzer. Nur ein Mensch, der brutal abgeschlachtet wurde. Aber egal, was er hätte sein können, wir suchen seinen Mörder und finden ihn. Wir sind die Guten.«
Nicht, dass ich davon überzeugt war, aber einer musste die Fackel der Hoffnung vorantragen, warum also nicht ich?
Die Türglocke erlöste uns beide, und ein sichtlich erleichterter Bremersson trat den strategischen Rückzug an und flüchtete zum Empfangstresen. Ich hörte ihn jemanden begrüßen und eine gemurmelte Antwort. Kopfschüttelnd sah ich ihm nach. Die Jagd nach einer Bestie setzt nicht zwangsläufig voraus, dass man selbst eine Bestie ist. Weicheier mit dünnem Fell gehen dabei aber drauf. Entweder psychisch oder physisch. Manchmal auch in Kombination.
Genau deshalb hatte ich meine Laufbahn bei der Polizei abrupt beendet. Sie hatten mir einen Frischling als Partner zugeteilt, und anstatt die eigene Waffe zu ziehen, als er bei der Führerscheinkontrolle die Knarre des Kerls auf dem Beifahrersitz entdeckte, war er in Panik geraten und weggelaufen. Der Schuss hatte das Herz des Jungen von hinten zerrissen, und obgleich er laut Pathologe sofort tot gewesen sein muss, ist sein Körper noch zehn Meter weiter gelaufen.
Nachts wache ich manchmal auf, und sehe den toten Körper laufen. Alles, was mir dann noch hilft, ist das Schlagzeug, das mir Lucy geschenkt hat. Mitten in der Nacht haue ich auf das Becken, die Trommeln und das Tomtom, bis ich alle Bewohner des Waldes verscheucht habe. Nur der Geist will ich nicht weg, sondern klammert sich leichenblass an mich und wimmert: »Du hättest als Erster gehen müssen, nicht ich.«
Irgendwann ging mir das Druckerpapier aus. Fündig wurde ich in einer Art Materialschrank im Keller. Als ich die Treppe wieder hochkam, stürmte allerdings Santos mit dem Drucker, den ich von ihm ausgeliehen hatte, gerade aus meiner Besenkammer. In der Tür rempelte er mich hart an und stürmte dann weiter, den Flur hinunter.
»Hey! Stopp!«, brüllte ich ihm hinterher.
Tatsächlich blieb er stehen und fuhr kampfbereit herum.
»Was? Das ist mein Drucker, und wenn Sie noch ein einziges Mal irgendetwas aus meinem Büro klauen, und sei es nur ein Kugelschreiber, sind Sie ein toter Mann. Ich korrigiere mich: Wenn Sie mein Büro noch einmal in meiner Abwesenheit betreten, sind Sie ein toter Mann.«
»Wie Sie sehen, schlottere ich geradezu vor Angst. Tut mir leid wegen des Druckers, aber der Besen bei mir in der Ecke wollte die Seiten partout nicht ausdrucken. Aber eigentlich wollte ich einfach nur mal die Verhältnisse klarstellen.«
Ich wiederholte in etwa, was ich Bremersson über den Grund meines Hierseins gesagt hatte, bekam aber von Santos trotzdem kein freundliches Herzlich-Willkommen-Lächeln. Nicht einmal den Anflug davon, was ich ihm eigentlich auch nicht verdenken konnte. Ich war von einem hoffnungsvollen Hauptverdächtigen zum Starermittler avanciert, dem er, der Dienststellenleiter höchstpersönlich, zuarbeiten sollte.
»Sie sind übrigens ein lausiger Schauspieler«, setzte ich noch einen drauf. »Während meines Verhörs bekamen Sie zwei Anrufe auf Ihrem Handy. Der Erste teilte Ihnen das Ergebnis des Abgleichs meiner Fingerabdrücke mit. Ex-Bulle. Das änderte nichts an der Tatsache, dass ich für Sie der Hauptverdächtige war. Aber dann kam Anruf Nummer zwei: Hart rangehen. In die Enge treiben. Ihm Angst machen. Ihm die Ausweglosigkeit seiner Situation aufzeigen. Dann aber, wenn wir reinkommen und übernehmen, Schnauze halten und Kopf einziehen.« Ich lehnte mich an die Wand neben der Tür und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die ganze Chose war nichts weiter als ein abgekartetes Spiel.«
»Wer sagt, dass Sie nicht noch immer mein Hauptverdächtiger sind?«
Santos war gut im Pokerface, und ich schloss nicht aus, dass er tatsächlich im Hinterzimmer irgendeiner Kaschemme pokerte, um sein Gehalt aufzubessern. Da ich selbst gern spielte, wäre er ein interessanter Gegner gewesen.
»Ich erkenne ein kriminelles Arschloch aus hundert Meter Entfernung. Aber wenn die überbezahlten Politiker da anderer Ansicht sind, bitte schön, sollen sie eben Köpfe rollen lassen. Hier gibt es nur zwei.«
Den Drucker unter dem Arm verschwand er in seinem Büro und knallte die Tür zu.
Ich starrte auf die geschlossene Tür und ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Wer hier wohl das Arschloch ist, dachte ich wütend, und rief mich gleich darauf selbst zur Raison. Ruhig bleiben. Zusammenreißen. Du musst doch nur den Mörder finden, und schon kann dieser Idiot von Dienststellenleiter die Grenzen seines Reviers ganz allein wieder bepinkeln.
Zur Komplementierung meiner Büroausstattung gab es schließlich noch andere Quellen. Ich rief die Servicenummer auf meiner Telefonliste an und diktierte einem beflissenen Herrn meine Bestellliste. Die Lieferung trudelte in Rekordzeit ein, und ich wies den Lieferanten an, alles in den Ecken meiner Besenkammer zu stapeln. Dass ich sogar den Drucker meiner Wahl bekam, sagte mir, dass niemand es für nötig gehalten hatte, Maik Willem meine Bestellungen vorzulegen.
Dann allerdings wurde ich meinen guten Vorsätzen doch noch untreu. Möglicherweise wollte ich bloß den Macho raushängen lassen, möglicherweise auch nichts unterversucht lassen, meinen Widersacher zu einer Zusammenarbeit zu überreden. Jedenfalls schlenderte ich den Flur hinunter, nachdem ich meine neuen Schätze ausgepackt und aufgebaut hatte, und platzte in Santos‘ Büro, ohne anzuklopfen.
»Der echte Mörder läuft da draußen rum, und würde sich triumphierend die Hände reiben, wenn er sehen könnte, wie wir uns gegenseitig an die Hälse gehen. Ich weiß nicht, wie Sie versorgt werden, aber ich habe in meiner Besenkammer nebenan über dreihundert Seiten mit Hintergrundinfos. Alles von fleißigen Heinzelmännchen in den letzten vierundzwanzig Stunden zusammengetragen. Wenn Sie also Bedarf haben …?«
Santos blickte nicht einmal auf von dem Schriftstück, das er auf seinem überladenen Schreibtisch las, aber in der Wolke geballten Testosterons über seinem Kopf brodelte es geradezu. Als ich mich endlich umdrehte, stand der junge Polizeianwärter keine drei Schritte hinter mir und starrte mich mit einem Ausdruck in seinem Kleinjungengesicht an, von dem ich nicht sagen konnte, ob er Verlegenheit oder Schadenfreude widerspiegelte. Auf jeden Fall hatte Bremersson den Anstand zu erröten, als ich ihn herausfordernd anfunkelte, bevor ich samt meiner eigenen Testosteronwolke geschlagen das Feld räumte.
Noch einmal würde ich diesem Idioten von Dienststellenleiter nicht die Hand zur Versöhnung reichen. Ich wanderte in mein Büro zurück und knallte meinerseits die Tür zu. Einen Moment lang betrachtete ich mich in dem quadratischen Spiegel, der neben der Tür hing. Ich sah beleidigt und verbissen aus. Soviel zur Coolness, die ich glaubte, im Gegensatz zu Santos auszustrahlen.