Kalter Krieg im Spiegel. Peter Schmidt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kalter Krieg im Spiegel - Peter Schmidt страница 15

Автор:
Серия:
Издательство:
Kalter Krieg im Spiegel - Peter Schmidt

Скачать книгу

nicht recht, was daran ungewöhnlich sein soll?«

      »Um meine eingangs gestellte Frage selbst zu beantworten, worauf ihr bemerkenswerter Erfolg zurückzuführen war – es ist Ihre Persönlichkeit. Sie haben Führungsqualität. Sie können kontroverse Meinungen vereinigen, Kompromisse herbeiführen.«

      »Warum interessiert Sie das?«, fragte er. Sein Kopftick hatte sich plötzlich verstärkt. Die Spannung in seinen Zügen löste sich erst wieder, als es den beiden Komikern auf dem Bildschirm gelungen war, sich gegenseitig große Stücke Sahnetorte ins Gesicht zu werfen …

      »Routinefragen.« Ich schob die Papiere vor mir auf dem Tisch zusammen und erhob mich.

      Plötzlicher Abbruch, Neuaufnahme und Wiederholung von Fragen würden ihn noch einige Tage lang in Atem halten. Es war die altbekannte Verhörtaktik, die fast alle Delinquenten nervös machte. Man näherte sich mit unerträglicher Langsamkeit dem eigentlich Kern des Verdachtes. Und jedes Mal glaubten sie, nun sei es endlich soweit.

      »Ach, übrigens – wie geht es Ihren Töchtern jetzt?«, fragte ich von der Tür her.

      »Sie sitzen in einem Krakauer Gefängnis«, sagte er mürrisch.

      5

      Nachdem ich mich in meinem Zimmer aufs Bett gelegt hatte, warf ich einen Blick in die Papiere aus der Zentrale. Das Dossier stimmte mit den Daten aus dem L.D.A. überein.

      Die Nachricht aus der Roßstraße wiederholte nur, was wir schon wussten: Man würde eine wichtige Einschleusung vornehmen. Da es sich um einen »Messias« handelte, konnte man nicht auf die übliche Weise verfahren und ihn mit falschen Papieren ausrüsten oder als Doppelgänger einer bereits in der Bundesrepublik lebenden Person ausstaffieren. Um im Westen Fuß fassen zu können, musste er bereits einen Namen besitzen. Also schickte man einen bekannten Mann herüber, und dieser Umstand war die offenkundige Schwachstelle solcher Unternehmungen. Man durfte keine Mühe scheuen, ihn unverdächtig wirken zu lassen. Die Strategie des »unschuldigen Opfers, des Dissidenten, den man in den Westen abschob«, bedurfte einer langen Vorbereitungszeit.

      Ich nahm an, dass man schon zu seiner Zeit als Kriminologe damit begonnen hatte, Kofler aufzubauen.

      Womöglich hatte er nie etwas anderes getan, als für das MfS und den KGB zu arbeiten, und seine Tätigkeit an der Universität war nur vorgeschützt. Universitätsdozenten können ihre Seminare und Vorlesungen mit etwas Geschick auf ein, zwei Tage in der Woche legen – so bleibt genügend Zeit für andere Aktivitäten.

      Am Dienstag und Mittwoch – den in Frage kommenden Tagen – waren nur zwei Leute an den Grenzübergängen in Empfang genommen worden: Kofler und ein Briefträger aus der Gegend um Halle, der mit Frau und Kindern zu Verwandten nach Osnabrück ziehen würde. Der zweite Mann war zwar so unverdächtig, dass er schon fast wieder verdächtig wirkte; aber nur Kofler erfüllte die Voraussetzungen. Bisher waren alle Informationen, die uns der wiedergegründete »Leipziger Ring« hauptsächlich über den L.D.A. zuspielte, zuverlässig gewesen.

      Seine Voraussage war eindeutig: Man arbeitete daran, die politische Landschaft im Westen durch eine fähige Persönlichkeit zu verändern, und es war nicht einzusehen, wer außer Kofler dafür in Frage kam.

      Selbst wenn man sich die Lebensgeschichte des Briefträgers genauer ansah – es war zweifelhaft, ob er das Wort Ideologie überhaupt fehlerfrei buchstabieren konnte. Er schien ein völlig unbeschriebenes Blatt zu sein.

      Seine Frau war eine breitgesichtige, hässliche Person, die Parolen gegen den Militarismus an Ostberliner Hauswände geschmiert hatte – eine entlassene Lehrerin. Doch das qualifizierte sie noch nicht für eine solche Rolle. Nach der Verbüßung einer Haftstrafe hatte sie sich ganz der Erziehung ihrer Kinder gewidmet. Die Ausreise Amrouches (so hieß ihr Mann, anscheinend besaß er französische Vorfahren) war genehmigt worden, weil er dem Staat wegen eines Arbeitsunfalls auf der Tasche lag. Ein Lastwagen hatte sein Bein, als er noch Briefträger war, so übel zugerichtet, dass er sich nur noch recht und schlecht mit dem Stock bewegen konnte (wir besaßen Kopien der Röntgenbilder).

      Um jeden Zweifel hinsichtlich Amrouches Rolle auszuräumen, war von F. mit rotem Kugelschreiber ein Vermerk an das maschinengeschriebene Blatt angefügt:

       Termin arrangiert, an dem Sie Amrouche persönlich in Osnabrück in Augenschein nehmen können.

      Ich wusste, dass es einer dieser Vor-Ort-Termine war, die er weniger aus Überzeugung oder Vorsicht arrangierte als aus dem Gefühl heraus, meine Zweifel auszuräumen und mir Gelegenheit für eine kontrollierte Ausflugsfahrt zu geben, damit mir nicht die Decke auf den Kopf fiel. Genau die Art von Urlaub, die er seinen Leuten zugestand. Er plante zwei weitere Termine in Frankfurt und Bochum. Dort wollte er mich mit Gruppen bekannt machen, die Koflers Lehre propagierten.

      Ich drehte das Blatt um und las die Rückseite. Es waren Daten über Koflers angeblichen Lebensweg, über seine beiden Tochter – die eine war achtzehn, die andere neunzehn –, hübsche Backfische, was selbst noch auf der blassgrauen Fotokopie ihrer Aufnahme herauskam. Das Bild schien bei einem Volksfest aufgenommen worden zu sein, im Hintergrund war etwas verschwommen ein Karussell zu erkennen. Sie standen untergehakt da und lächelten in die Kamera. Ihre Kleidung war modisch und auf dem neuesten Stand – mit der Mode waren sie jetzt drüben so weit, dass sie sich kaum noch von der im Westen unterschied.

      Ich löschte das Licht, blieb angezogen auf dem Bett liegen und sah zur Decke. Der fensterlose Raum war bedrückend. Die dicken Mauern ließen kaum einen Laut durch. Durch den Türspalt fiel ein winziger Streifen Licht.

      Nach einer Weile hörte ich den Fahrstuhl. Er hielt in der Etage, und als ich ein paar Minuten später die Tür zu Kruschinskys Arbeitsraum öffnete, sah ich einen kahlköpfigen kleinen Mann mit einer schwarzen Monteurtasche vor dem L.D.A; knien.

      Er wischte sich die Glatze mit dem schmutzigen Lappen ab, in den das Werkzeug eingewickelt gewesen war. Als er sich zu mir umwandte, nickte er zuversichtlich.

      Ich erwiderte sein Kopfnicken, schloss die Tür und legte mich angezogen aufs Bett zurück.

      Als ich erwachte, fühlte ich mich zerschlagen und müde wie am Abend vorher (wie immer, wenn ich angezogen einschlief). Merkwürdigerweise war das erste, was mir an diesem Morgen einfiel, dass Kofler mir noch keinen Grund für das Linkshänderfoto genannt hatte. Dann erst dachte ich daran, dass ich abends ein Rendezvous in Kladow haben würde. Auf dem Wege dorthin würde ich F. von dem Mann berichten, der mich in der Hauseinfahrt nach Mahler gefragt hatte.

      Ich sah auf die Uhr: Viertel vor neun. Zeit für‘s Frühstück.

      Kruschinsky schnarchte mit halbgeöffnetem Mund im Liegestuhl neben dem L.D.A. An der Wand vor dem Fahrstuhl gab es auch ein Klappbett, doch der Liegestuhl bekam ihm anscheinend besser. Seine Brille war heruntergefallen; ich hob sie auf und legte sie neben ihn auf den Tisch. Kofler schien ebenfalls noch zu schlafen. Ich horchte kurz an seiner Tür – drinnen war es still –‚ dann fuhr ich hinunter, um Brötchen zu kaufen.

      Es war nebelig draußen, man sah kaum bis zur anderen Straßenseite. Einer dieser Herbstfrühnebel, nach denen es schönes Sonnenwetter gibt. Die Bäckerei lag um die Ecke. Auf der gegenüberliegenden Seite sah ich plötzlich einen Mann, der sich aus dem Mauerschatten löste, als er mich entdeckte. Er besaß ungefähr die Statur und den Gang des Kerls, der mich nach Mahler gefragt hatte.

      Er kam eilig an den Bordstein. Doch bevor er die Straße überqueren konnte, fuhren zwei Linienbusse

Скачать книгу