Kalter Krieg im Spiegel. Peter Schmidt

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Kalter Krieg im Spiegel - Peter Schmidt

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Gemälde sah, ein eigentümliches Unbehagen. Meine Finger zitterten, und die Handflächen wurden feucht. Der Arzt, den ich konsultierte, nannte es »eine leichte Bilderphobie«, und er führte sie auf jenes »traumatische Erlebnis« zurück, das mich ins Heim gebracht hatte.

      Ich nahm an, dass die Ursache nicht eigentlich der Bilderdiebstahl war, die Tatsache, dass man Bilder gestohlen hatte – so als müsste ich, wenn es Porzellan gewesen wäre, an einer Tassen-, Teller- und Kannenphobie erkrankt sein. Nein, es war einfach das Eigentümliche von gegenständlichen Gemälden: dass sie etwas darstellen und augenscheinlich mehr sind als nur Farbtupfer auf Leinen – nämlich Vorspiegelung, das Nachgeahmte, Scheinbare …

      Es war die Täuschung, die mir Unbehagen verursachte. Darum mied ich Gemäldehandlungen und Ausstellungen, wo immer es ging. Als Staatsanwalt hatte mich meine Angst vor Bildern einmal in arge Verlegenheit gebracht. Ich sollte während einer Verhandlung an Originalgemälden die Einzelheiten einer Fälschung erläutern, doch schon nach wenigen Augenblicken musste ich mich wegen »Unpässlichkeit« entschuldigen lassen.

      Die Vorwürfe gegen Kofler hatten den gleichen Anschein der Täuschung: Es war ein Bild und ich versuchte herauszufinden, wer es gemalt hatte.

      Je mehr ich dieses Bild zerstören und zur eigentlichen Realität (Realität –so zweifelhaft das Wort auch sein mochte) vorstieß, desto mehr verflüchtigte sich in der Regel mein Unbehagen, und der Zweifel, der wie eine Hummel unterhalb meiner bewussten Gedanken summte, ließ nach. Im Grunde war die Echtheit des Bildes sogar völlig nebensächlich – vorausgesetzt, ich glaubte an sie. Es gab etwas in Koflers Geschichte, das mich darauf brachte, der KGB oder das MfS könnte ihn – ohne sein Wissen – nicht als »Messias«, sondern als Köder, als Ablenkung für einen echten Agenten benutzt haben wenn man sich nämlich seine Ausbürgerung zunutze machte. Man wählte den passenden Zeitpunkt und spielte dem Leipziger Ring eine Falschinformation zu.

      Was benötigte ein künftiger Parteiführer wie Kofler? Zunächst einmal Büros in den Zentren, wo seine Anhänger am stärksten vertreten waren, also in Frankfurt, Bochum, München und Hamburg. Solche Räume mussten, wenn das Unternehmen Erfolg haben sollte, mit Sekretärinnen, Büromöbeln, Fernschreibern, Mitgliedercomputern und Kleindruckereien ausgerüstet sein. Der geringe Betrag, den die Vereinigungen aufbrachten, konnte das nicht finanziert haben.

      Als F.s Leute dieser Spur nachgegangen waren, hatten sie entdeckt, dass die Gelder dazu von einem schwedischen »Verein zur Förderung des Sozialismus in Mitteleuropa«, Sitz Göteborg, stammten. Jeder, der den Verein kannte, wusste, woher er den überwiegenden Teil seiner Mittel bezog: aus Moskau und Ost-Berlin.

      Der Geldtransfer war ein so durchsichtiges Manöver, dass man ihn fast als Beweis für Koflers Unschuld werten konnte. Es gab nur einen halbwegs überzeugenden Versuch, die Angelegenheit zu tarnen – man hatte die Spende über den Zwischenverkauf eines Bürogebäudes in Frankfurt abgewickelt, das den Schweden gehörte. Ein Mittelsmann erwarb das Haus zu einem Spottpreis, verkaufte es für den echten Gegenwert und ließ den Erlös der Vereinigung zukommen.

      Auch hier kein Versuch, einen unverdächtigen Zwischenhändler einzuschalten, denn bei dem Mann handelte es sich um einen Druckereibesitzer, der überwiegend radikale marxistische Schriften und kleinere Pamphlete vertrieb. Zwar besaß Kofler keine Verfügungsgewalt über die Konten, doch mit der offiziellen Übernahme der Geschäfte würde sich das vermutlich ändern.

      Ein weiterer Punkt betraf Koflers letzte Stunden vor der Abschiebung aus Ost-Berlin. F.s Experten hatten seinen Weg rekonstruieren können:

      Aus einem Gefängnis am Stadtrand war er in die Prenzlauer Allee gefahren worden, und dort war nicht etwa der Sitz jener Behörden, die gewöhnlichen Ausgebürgerten ins Gewissen redeten, sie bedrohte und ermahnte, im Westen Wohlverhalten und Neutralität zu üben, sondern bei ihren Spezialisten handelte es sich genau um jenen Stab von Mitarbeitern, der solche Infiltrationsversuche plante.

      Uns war kein Fall bekannt, bei dem ein Mann, der auf den Westen angesetzt wurde, sich derart verräterisch benommen hatte. Wir wussten, dass Achenbach seit seiner Rückkehr nach Ost-Berlin das Ressort »Einschleusung« bearbeitete, nachdem es ihm gelungen war, zwei Konkurrenten auszuschalten. Dieser Mann galt, was die Hinterhältigkeit und den Ideenreichtum seiner Planungen anging, als einer der besten Köpfe, den das MfS je besessen hatte. Ein so grober Schnitzer – eine derartige Sorglosigkeit – war ihm kaum zuzutrauen – es sei denn, er legte es darauf an, uns Kofler als Verdächtigen zu präsentieren.

      F. hatte diese Ungereimtheiten damit abgetan, dass man drüben weder etwas von unseren Abfangmethoden noch von den Hinweisen ahnte, die uns der Leipziger Ring über den Agenten in der Roßstraße zukommen ließ. Nachdem Zwischenfall mit dem Messwagen an der Mauer, dem angeblichen »Stromausfall« – ich war nach wie vor davon überzeugt, dass es sich um eine Messung handelte, obwohl F. behauptete, es gebe keinerlei Hinweise dafür – war ich da nicht mehr so sicher. Mir fiel der Mann mit dem Fernglas ein, den ich einmal in dem verfallenen Gebäude jenseits des Todesstreifens beobachtet hatte. Wenn aber Koflers vermeintliche Rolle bloß ein Ablenkungsmanöver war, wer außer Amrouche kam dann in Frage?

      Ich blickte auf meine Armbanduhr: Es war kurz nach fünf. Barbara hätte ihre Arbeit in der Zentrale längst beendet haben müssen. Als ich das Café verließ, sah ich sie aus einem Hauseingang am anderen Ende der Straße kommen. Sie trug einen blauen Mantel und eine Umhängetasche und beeilte sich, in einen japanischen Kleinwagen zu steigen.

      »Nanu?«, meinte sie, als sie mich entdeckte. »Haben Sie etwa hier auf mich gewartet?«

      »Ich wusste nicht, dass sich in diesem Haus Dienststellen der Abteilung befinden«, sagte ich und blickte an der Fassade hinauf.

      »Ja, wir stecken überall«, lachte sie. »Seit einiger Zeit werden die Räume öfter gewechselt – auf Ihre Veranlassung hin, nehme ich an?«

      »Es sieht aus, als wenn Sie‘s eilig haben?«

      »Nicht besonders …«

      »Gut, dann schlage ich vor, Sie kommen mit in meine Wohnung in der Hitzigallee, das ist nur ein paar Straßen weiter, und wir setzen unsere Unterhaltung fort, wo wir sie letztens unterbrochen haben.«

      »Sie meinen, wir gehen miteinander ins Bett?«

      »Wir könnten auch Tee trinken oder Schach spielen.«

      »Nicht in Ihrer Wohnung. Lassen Sie uns irgendwo hingehen. Vielleicht gibt es noch Karten für den Flokus.«

      »Flokus

      »Ein Kabarett.«

      »Na, meinetwegen.« Ich stieg ein. Sie warf ihre Lederumhängetasche achtlos auf den Rücksitz (ein gutes Zeichen, wie mir schien). »Haben Sie Ihrem Vater von unserem Stelldichein erzählt?«, fragte ich, während sie vorgebeugt den ersten Gang einlegte.

      »Gott bewahre. In der Beziehung ist er ziemlich humorlos.«

      »Wegen des Kerls mit dem Heiligenschein hatten Sie übrigens recht.«

      »Wegen – ?«

      »Die Dachsilhouette …«

      »Ah, richtig.«

      Wir parkten in einer Nebenstraße des Ku‘damms.

      »Ich muss Ihnen ein Geständnis machen«, sagte ich beim Aussteigen. »Sie halten mich für den Chef, aber ich bin nicht mal Abteilungsleiter in dem Verein.«

      Barbara

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