Kalter Krieg im Spiegel. Peter Schmidt

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Kalter Krieg im Spiegel - Peter Schmidt

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Funken, die förmlich zu hören waren nach meinem unerwarteten Geständnis.

      »Nein, wi-i-rklich – ?« Sie zog das »i« lang, als nehme sie vor einem Spinnennest Reißaus.

      »Sie müssen mir einfach glauben!«, sagte ich. (Etwas Dümmlicheres fiel mir momentan nicht ein.)

      »Na wenn das so ist, weiß ich gar nicht, warum ich mich noch mit Ihnen abgebe. Ich meine, wenn Sie nur eine Null in dem Laden sind. – Und die Mädchen? Warum schanzt man Ihnen so viele hübsche unschuldige Mädchen zu?«

      »Unschuldige waren noch keine darunter. Ich bin in einer etwas kuriosen Lage – offenbar ist jemand in der Organisation daran interessiert, dass man mich für den Chef hält.«

      »Warum sollte man?«

      »Ich würde Sie gerne ins Vertrauen ziehen.«

      »Na schön«, seufzte sie. »Kein Flokus. Gehen wir essen? Anscheinend bin ich eine Art Vertrauensperson, ein wandelnder Beichtstuhl. Erst heult Charlotte mir die Ohren voll, und jetzt kommen Sie mit Ihrem …«

      »Charlotte?«

      »Sie war schwanger. Ich denke doch, dass Sie von der Abtreibung erfahren haben?« Sie musterte mich missbilligend. »Ihre verhinderten Vaterfreuden.«

      Ich nickte.

      »Sie muss geglaubt haben, ‘der Chef’ werde sie heiraten«, sagte ich. »Ihr Freund stellt mir deswegen nach. Hören Sie, die Geschichte, von der ich Ihnen berichten will, ist wesentlich heikler. Meine Aufgabe in der Organisation … oder anders gesagt, die tatsächliche und die angebliche Rolle, die ich dort spiele – « Ich schwieg. Plötzlich kamen mir Zweifel, ob es richtig war, sie ins Vertrauen zu ziehen. »Der Mann mit dem Heiligenschein – ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihnen das …?«

      »Erzählen Sie‘s mir morgen oder übermorgen«, unterbrach sie mich. »Oder wann immer Sie glauben, mir vertrauen zu können.«

      Dass sie nicht neugierig war, erleichterte mich ein wenig. Wir gingen in ein kleines Lokal, dessen Küche, wie sich dann herausstellte, schon geschlossen hatte, und tranken zwei Karaffen Rotwein. Sie begann mir von ihrem Vater zu erzählen, seinem Misstrauen und allerlei Umständlichkeiten und Verschrobenheiten, zum Beispiel, wie er Briefe öffnete.

      Er befürchtete ständig Opfer eines Briefbombenanschlags zu werden, darum ließ er auch seine Privatbriefe im Büro öffnen. Und die Haustür konnte mit einem giftigen Kontaktmittel bestrichen sein. Also legte er ein großes altmodisches Taschentuch darüber. In einer Menschenmenge angestoßen, argwöhnte er oft, man habe ihn mit einer präparierten Regenschirmspitze getroffen, die Wundstarrkrampf, Hirnhautentzündung oder irgendein anderes Leiden verursachen würde.

      Doch seine bemerkenswerteste Eigenschaft sei sein Hang, für alle Eventualitäten vorzusorgen und noch den abwegigsten Möglichkeiten Rechnung zu tragen.

      Er wolle auf alles vorbereitet sein. Obwohl ein eingeschworener Atheist, gehe er einmal monatlich beichten, für den Fall, dass doch etwas »an der Sache« dran sei. Klammheimlich, verstehe sich, und immer in Kirchen weit genug vom Zentrum.

      Peinlich werde es, meinte Barbara, wenn er das Heizöl zwei Winter im Voraus bestelle, die Händler besäßen dafür keine Terminbücher.

      »Ach«, sagte ich und ahnte mit einem Male, welcher Marotte mein angeblicher Chefstatus zu verdanken war. Womöglich würde er auch Kofler vorsorglich beseitigen lassen, falls ich Zweifel an seiner Unschuld äußerte.

      »Das wussten Sie nicht, habe ich recht?«, fragte Barbara. »Als Mitarbeiter verstellt er sich, wo es geht, aber als Privatmann ist er eine ziemlich lächerliche Figur. – Herrgott ….«‚ sie sah auf die Uhr. »Nun muss ich aber wirklich gehen.«

      Nur mühsam brachte ich sie dazu, sich mit mir fürs Wochenende zu verabreden.

      »Ich mag Sie. Aber ich weiß nicht, ob ich Ihnen trauen kann.«

      »Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, dann besorgen Sie mir einige von den Papieren, die ich angeblich unterzeichnet haben soll«, bat ich, als sie schon im Wagen saß.

      »Mit dem C für Chef?«

      »Mein Name ist Cordes.«

      »Sie haben den Mädchen sicher viele Geschichten erzählt – na schön, ich will sehen, was ich tun kann.«

      7

      Der Arzt war ein schweigsamer Mann in dunklem Anzug mit einem Köfferchen in der Hand. Sein zurückgekämmtes Haar über der hohen Stirn war ergraut. Er hatte das Eisentürchen neben dem Fahrstuhl mit einem Zweitschlüssel geöffnet, die vereinbarte Dreiundzwanzig in das Tipptastenfeld eingegeben, worauf oben in der Wohnung das Signal ertönt und Kruschinsky hinuntergefahren war, um ihn abzuholen. Er sah aus wie ein Doktor auf Hausbesuch. Ich kannte ihn nicht (F. tauschte solche Mitarbeiter gern nach jeder Aktion aus).

      Das dünne Bärtchen über seiner Oberlippe verschob sich nur einmal, als er mir die Hand gab und – unmerklich lächelnd – »eine Identifizierung …«, murmelte.

      Den Rest wickelte er ohne Umstände und mit solcher Schnelligkeit ab, als sei es Alltagsroutine. Er legte die Masse für den Zahnabdruck heraus, eine Mappe mit Aufzeichnungen, farbigen Diagrammen und Röntgenbildern, hängte sich das Stethoskop um den Hals und bat Kofler, den Oberkörper freizumachen.

      »Kontrolle Ihres Gesundheitszustandes!«, sagte er. »Wir möchten, dass Sie sich bei uns wohl fühlen. Zum Schluss noch ein Vergleich mit Ihrem zahnärztlichen Befund – so ist die Vorschrift. Natürlich wissen wir, dass Sie der Mann sind, für den Sie sich ausgeben« – er zuckte die Achseln – »Routine, Behördenkram, Sie kennen das ja.«

      Dann begann er zu arbeiten:

      Er klopfte Koflers Rücken ab, verglich die Biegung seiner Wirbelsäule mit zwei Röntgenaufnahmen, tastete nach einzelnen Wirbeln, strich mit den Fingernägeln über seine Haut, um an der Rötung den Kreislauf und die Durchblutung zu beurteilen, sah ihm in den Rachen, studierte eine Weile mit dem Augenmikroskop seine Iris, horchte den Herzschlag ab, leuchtete ihm in die Ohren – und erkundigte sich, als er fertig war:

      »Wollen Sie eine Vitaminspritze?«

      Kofler schüttelte den Kopf.

      »Dann nehmen wir jetzt den Gebissabdruck. Bitte setzen Sie sich. Bitte den Kopf zurücklehnen …«

      Er mischte die Masse im Glas an und warf mir, während er rührte, einen desinteressierten Blick zu. Ich war erleichtert dass, dass Kofler die Prozedur ohne Protest über sich ergehen ließ. Als ihm die Silikonmasse unter den Oberkiefer gedrückt wurde, sah er mich wie ein weidwundes Reh an, verbis sich aber jeden Kommentar.

      »Stillhalten jetzt«, sagte der Doktor. Er presste die Masse gegen den Gaumen, hielt sie mit drei Fingern angedrückt, und Kofler atmete mit weit geöffnetem Mund, den Kopf und Nacken über die Sessellehne zurückgebeugt, schnaufend durch die Nasenlöcher ein und aus. Er tat mir leid. Ich ahnte, dass er unschuldig war. Und ich tat mir selbst leid – denn seine Unschuld würde uns beiden eine Menge Ärger einbringen.

      Man hatte auf eine Identifizierung durch den Vergleich seiner Fingerabdrücke verzichtet, denn die Muster bei den Behörden waren zu leicht austauschbar. Um

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