Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk

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Die Ei-Geborenen - Michael H. Schenk

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musste an die Hüterinnen der anderen Gelege denken, die nun deinen Sitz schmücken, verehrte Doras-Sha.“

      „Und das findest du vergnüglich?“ Die Große Mutter schüttelte langsam ihren Schädel. „Ich kann nichts Vergnügliches daran finden, Hüterin des Eis. Es waren tapfere Raan und sie hätten dem Volk gut dienen können.“ Shanaii sah die Kommandantin der Kriegerinnen ernst an. „Die Zeit der Kriege, in denen die Rann sich gegenseitig töteten, ist vorbei, Hüterin.“

      „Der Großen Mutter sei Dank“, versicherte Nadaii rasch und hob ehrerbietig ihre Kampfkralle zum Gruß. Sie dachte flüchtig daran, dass ein Männchen, bei dem Blick den Shanaii ihr zuwarf, sicher aus Angst seinen Kehlsack entblößt hätte.

      Die Große Mutter schnalzte leise und ignorierte den Thron, schritt zu einem bequemen Stuhl hinüber, der an einer Sitzgruppe stand. Das Polster war hinten eingeschnitten und bot dem Schwanz der Raan eine komfortable Auflage. „Setz dich zu mir, Hüterin des Eis, wir haben etwas von großer Bedeutung zu besprechen.“

      Nadaii spürte die unterbewussten Impulse, die von der Großen Mutter ausgingen. Einige Weibchen der Raan verfügten über besondere geistige Fähigkeiten. Sie waren unterschiedlich stark ausgeprägt und verschieden in ihren Eigenschaften. Einige konnten durch ihren Willen andere Lebewesen beeinflussen, andere für Augenblicke in die Zukunft sehen, was sie zu außergewöhnlichen Kämpferinnen machte. Die Große Mutter konnte die Empfindungen ihrer Umgebung erfassen, deuten und in ihrem Sinne verändern. Es war nicht so, dass sie ihren Willen aufzwang, aber sie konnte Aggressionen dämpfen und bestimmte Stimmungen erzeugen. Diese Fähigkeit hatte der Großen Mutter geholfen, die Führung des Volkes zu übernehmen.

      Es gab nur wenige Weibchen mit solchen Begabungen und sie standen unter dem Schutz der Großen Mutter. Es gab Fälle, in denen auch Männchen mit einer Gabe geboren wurden, doch sie überlebten nicht lange genug, um sie zu entwickeln. Die Kriegerinnen achteten streng darauf, dass die besonderen Fähigkeiten den Weibchen vorbehalten blieben.

      Nadaii-Sha, die Hüterin des Eis, musterte die Große Mutter durch halb geschlossene Nickhäute. Shanaii versuchte nicht, ihr Gegenüber zu beeinflussen, Nadaii hätte dies gemerkt, sie war erfahren genug, den sanften Druck zu registrieren, der sich dabei über den Schädel zu legen schien.

      „Wie steht es um deine Klauen, Hüterin des Eis?“

      Die Frage traf Nadaii nicht unvorbereitet. Man suchte die Räume der Herrin nicht ohne Grund auf. Wenn die Große Mutter die Kommandantin zu sich rief, konnte es nur um Belange gehen, welche die Klauen der Raan betrafen. „Sie sind bereit, Große Mutter.“

      Shanaii-Doras-Sha pfiff belustigt. „Ich habe keine andere Antwort von dir erwartet, Nadaii-Sha. Ich weiß, dass deine Klauen immer bereit sind, wenn sie gebraucht werden.“

      „Und?“ Nadaii schnalzte mit ihrer Zunge. „Werden sie gebraucht?“

      „Es mag sich so fügen.“ Shanaii machte eine ausholende Geste. „Das Volk der Raan wächst.“

      „Wir sprachen darüber.“ Nadaiis Schwanz zuckte nervös und kündete von ihrem Interesse. „Dann ist es jetzt so weit? Gehen wir nach Norden? Kämpfen wir gegen die Säuger?“

      „Du kannst diesen Kampf kaum erwarten, nicht wahr, Hüterin?“

      „Es ist lange her, dass wir unsere Klauen in Blut tauchten“, erwiderte Nadaii und schnalzte erneut nachdenklich mit der Zunge. „Es ist nicht gut für eine Kriegerin, wenn sie ihrer Bestimmung nicht folgen kann.“

      „Und Krieg ist nicht gut für das Volk“, wandte Shanaii ein. „Die Gelege werden zu leiden haben.“

      „Sie werden auch leiden, wenn es nicht genug zu Fressen gibt.“

      Sie sahen sich an und schwiegen. Die beiden Raan hingen ihren Gedanken nach.

      Vor einigen Jahren hatten sie zum ersten Mal darüber gesprochen, dass ihr Volk an einem Wendepunkt angelangt war. Damals hatten sie auf der Aussichtsplattform eines eroberten Geleges gestanden und hinabgesehen, auf die Männchen und Weibchen, die man aus dem Stadtkegel hinaustrieb. Den Weibchen hatte man vor die Möglichkeit geboten, der Großen Mutter die Treue zu schwören. Einige verweigerten dies und erwiesen der Großen Mutter dennoch einen letzten Dienst, indem sie die Kakteenfelder düngten. Die Männchen wurden gar nicht erst gefragt. Shanaii-Doras-Sha hatte über die Wüste geblickt und dann ihre Kriegsherrin angesehen. „Die Kriege der Gelege sind vorbei. Nun wird das Volk der Raan sich mehren, wie es der Wunsch der Göttin des Eis ist.“

      Nadaii-Sha hatte mit dem Pragmatismus der Kriegerin geantwortet. „Eines Tages wird es eng werden, in den Gelegen.“

      Sie hatten sich angesehen, in stillem Einvernehmen. „Eines Tages.“

      Jahre waren nun vergangen, doch die beiden Raan konnten sich gut an die Gedanken erinnern, die sie damals bewegt hatten und die sie an diesem Tag zusammenführten.

      Die Große Mutter legte nachdenklich die Ohren an und erhob sich. Bedächtig schritt sie zu dem großen Sandkasten hinüber und die leichten Bewegungen ihres Schwanzes verrieten, dass sie ihre Erregung nur mühsam unterdrücken konnte. Sie trat an den Kasten und hob auffordernd einen Vorderlauf. Als Nadaii neben sie trat, nahm die Große Mutter ein metallenes Streichbrett, glättete den Sand und begann, mit dem spitzen Ende des Streichbretts, Konturen in den feinkörnigen Grund zu ziehen. Sie tat es schweigend und konzentriert. Nadaii sah ebenso schweigend und konzentriert zu. Als Shanaii den Sand mit Zeichen überzogen hatte, sah sie ihre Hüterin forschend an.

      Nadaii schnalzte kurz mit der Zunge und beugte sich ein wenig über den Kasten. „Die zwölf Gelege der Raan. Die Unendlichkeit der Wüste mit den fernen Küsten. Dies ist die Stelle, an der sich die Kaam-Quelle befindet, nicht wahr? Dort fingen wir die letzte Gruppe der Säuger.“ Nadaii kratzte vergnügt mit einem Hinterlauf auf dem Boden. „Hier die Nordgrenze, wo das grüne Land beginnt.“ Sie hob den Blick. „Das Land der Säuger.“

      „Das Land der Säuger.“

      „Also werden wir unsere Klauen in ihr Blut senken.“ Es war halb Frage und halb Feststellung, und die Zufriedenheit Nadaiis war unverkennbar.

      „Vielleicht ist es unausweichlich.“ Die Große Mutter wies über die Zeichen des Sandkastens. „Noch haben wir Raum in der Wüste. Scheinbar unendlichen Raum und die Gelege können noch wachsen. Aber nicht mehr lange, wenige Jahrzehnte oder Jahrhunderte, und die Wüste wird zu klein für uns und kann das Volk der Raan nicht mehr ernähren.“ Shanaii schloss bedauernd die gelben Schlitzpupillen und pfiff leise. „Ich weiß, wir könnten noch warten. Aber jedes Jahr des Wartens erhöht die Gefahr, dass die Säuger auf uns aufmerksam werden, erhöht vielleicht ihre Stärke.“

      „Die Klauen der Gelege sind bereit, Große Mutter.“

      „Wir wissen so wenig von den Säugern.“ Shanaii strich Gedankenversunken mit einem Vorderlauf über den Sand, verwischte dabei einige der Symbole. „Wir wissen nicht, wie stark sie sind und wie sie sich rüsten.“

      „Unsere Klauen werden sie zerfetzen.“

      Nadaii zuckte kurz zusammen, als die Große Mutter ärgerlich zischte und symbolisch nach ihrer Flanke schnappte. „Sei kein Männchen, Nadaii-Sha, das ist unter deiner Würde. Du bist die Hüterin des Eis und die erfahrenste Kriegerin aller Gelege… Du weißt besser als alle anderen Raan, dass man sich auf einen Kampf gut vorbereiten muss.“

      Für einen flüchtigen

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