Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk

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Die Ei-Geborenen - Michael H. Schenk

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       Aus dem Ei wurde ein Volk geboren und es tanzte und pfiff zu Ehren der Göttin.

       Diese segnete das Volk mit Fruchtbarkeit und nannte es – Raan.

       Das Volk der Raan mehrte sich und breitete sich aus und die Wüste wurde ihm untertan.

       Aber dann begann es untereinander zu streiten, und es vergaß, die Göttin zu Ehren.

       Da schuf die Göttin die Plage und nannte sie – Mensch.

      Auszug aus dem Buch der Bücher, Aufzeichnungen des Geleges der Sha

      Kapitel 1Der Auserwählte

      „Sie sagen, ich sei nutzlos.“

      „Kein Leben eines Raan ist nutzlos.“ Die Große Mutter sah Olud ernst an und die Nickhaut über ihren senkrecht stehenden Schlitzpupillen zog sich zusammen, um ihre Augen gegen das grelle Sonnenlicht zu schützen. „So steht es im Buch der Bücher. Du weißt es, Olud, denn du hast es studiert, wie ich es dir befohlen habe.“

      „Ja, Große Mutter, ich habe es studiert.“ Olud legte für einen Moment seinen Kopf in den Nacken und entblößte im Zeichen der Ehrerbietung seine Kehle. Der sonst leuchtend rote Kehlsack des Männchens war Blass und verriet seine Unsicherheit.

      „Aber du zweifelst.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und in der Stimme der Großen Mutter schwang Verständnis mit. „Du musst dich auf deinen Ursprung entsinnen, Olud aus dem ruhmreichen Gelege der Sha. Denke an das große Ei, aus dem du geschlüpft bist. Nur besondere Raan werden aus großen Eiern geboren.“

      Olud-Sha schnaubte leise. „An mir ist nichts Besonderes, Große Mutter.“

      Wenn man Olud betrachtete, so schien er tatsächlich nicht von Bedeutung zu sein. Dabei hatte sein Leben für das Gelege der Sha so Hoffnungsvoll begonnen.

      Es war ein großes Ei gewesen, aus dem Olud schlüpfte.

      Ein sehr großes Ei, in prachtvollem Rot und Grün und Braun gesprenkelt. Das ganze Gelege hatte sich damals um das Ei versammelt, als sich die Geburt Oluds ankündigte. Zwei Tage vor seinem Schlupf öffneten sich die äußeren Lider Oluds. Er schwamm noch in der klaren Flüssigkeit der Nährstofflösung und sah, durch die schützende Schale des Eis, nur undeutliche Schemen. Schatten, die sich bewegten, und von denen rhythmische Laute ausgingen, die eher unbewusst zu ihm drangen. Alle Männchen und Weibchen des Geleges warteten auf Oluds Geburt, und die Große Mutter wachte persönlich darüber, dass die rituellen Gesänge den Geburtsvorgang begleiteten.

      Dann war es so weit.

      Der erste Eindruck, den Olud bewusst in sich aufgenommen hatte, war das Gefühl grenzenloser Enttäuschung, das ihn umgab.

      Es war selten im Volk der Raan, dass ein großes Ei gelegt wurde, und wenn dies geschah, so schlüpfte immer ein Wesen von besonderer Bedeutung für das Volk. Normalerweise war dies ein außergewöhnlich starkes Weibchen, dazu bestimmt, eine Führungsrolle im Gelege zu übernehmen. Sehr viel seltener entschlüpfte ein Männchen der zerbrechenden Eierschale. Doch selbst diese waren dann ungewöhnlich stark und dazu bestimmt, viele Weibchen zu befruchten. Olud jedoch war, selbst für ein Männchen, ein ausgesprochen bescheidenes Exemplar.

      Die Raan konnten ihre Herkunft von Reptilien nicht leugnen. Ihre Rot, Grün und Braun gesprenkelten Leiber waren schlank und dabei muskulös. Die beiden Hinterläufe, auf denen sie aufrecht gingen, hatten drei lange und tödliche Sichelkrallen, die beiden Vorderläufe waren hingegen feingliedrig. Drei Finger und ein Daumen verliehen den Raan die Fähigkeit, sich Werkzeuge zu erschaffen. Der einst lange Schwanz, der ursprünglich der Stabilisation des vorgeneigten Körpers diente, war im Laufe der Jahre kürzer geworden, hatte durch die enormen Muskeln jedoch seine ursprüngliche Masse beibehalten. Die Hälse der Raan waren lang und gaben dem Kopf große Beweglichkeit. Der Schädel war flach und lang gestreckt, ideal, um damit tief in die Eingeweide einer Beute einzudringen. Die weit auseinanderstehenden Augen, geschützt durch eine milchige Nickhaut und das lichtundurchlässige Oberlid, gaben den Raan perfekte Jagdfähigkeit und das kräftige Gebiss, mit den scharfen Reißzähnen, die dazu passende, tödliche Waffe. Es gab sehr viel mehr Weibchen, als Männchen, und die stärkeren und größeren Weibchen dominierten das Volk. Die Männchen wurden allenfalls als Träger ihrer Fruchtbarkeit geschätzt.

      Als Olud aus dem großen Ei schlüpfte, wurde an ihm nichts geschätzt.

      Er war lediglich ein Männchen und noch dazu ein eher kleines Exemplar. Enttäuschung, ja sogar Unmut machte sich im Gelege breit, bis Shanaii-Doras-Sha, die Große Mutter, die Männchen und Weibchen zur Ordnung rief, und ihre Untertanen daran erinnerte, dass aus einem großen Ei stets ein Raan von großer Bedeutung geschlüpft sei. Die anderen Raan mochten das nicht so recht glauben, aber Olud stand, vom Augenblick seines Schlupfes, unter dem Schutz der Großen Mutter.

      Er wuchs, wie alle Raan, schnell heran und seine Jugend war von dem Empfinden begleitet, unerwünscht zu sein und mit Skepsis betrachtet zu werden. Obwohl er nun das zeugungsfähige Alter erreicht hatte, und Olud sich redlich mühte, seinen roten Kehlsack zur Schau zu stellen, gab selbst das niedrigste Weibchen keine Anzeichen von sich, Oluds Fähigkeiten als Erzeuger in Anspruch nehmen zu wollen.

      Nur das offensichtliche Wohlwollen der Großen Mutter, Shanaii-Doras-Sha, hatte ihn davor bewahrt, verstoßen oder gar als nutzloser Fresser getötet zu werden. Sie hatte darüber gewacht, dass er die Schriften des Volkes studierte, und sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie überzeugt war, Olud werde dem Volk große Dienste erweisen.

      Kein Raan würde es jemals wagen, die Meinung der Großen Mutter in Zweifel zu ziehen. Sie war es gewesen, die das Volk endlich geeint hatte, und trotz der vielen Jahre, die seitdem vergangen waren, erwies sich Shanaii-Doras-Sha noch immer als ausgesprochen agiles Weibchen.

      Nun stand sie, mit dem an sich zweifelnden Olud-Sha, auf dem höchsten Punkt der Stadt, welche, ihren Besitzern gemäß, Sha genannt und, der Sitte des Volkes entsprechend, als Gelege bezeichnet wurde.

      „Einst waren wir nur wenige“, sagte die Große Mutter und wies mit einem Vorderlauf über die Stadt hinweg. „Unsere Gelege waren klein und wir mussten uns vor den Räubern der Wüste verstecken. Aber die Göttin des Eis schenkte uns die Fähigkeit des Denkens und die Fertigkeit, uns mit der Hilfe unserer Klauen Werkzeuge und Waffen zu erschaffen. Nun sind die einstigen Räuber die gejagten und bereichern unsere Vorräte.“ Shanaii entblößte amüsiert ihre Reißzähne, wobei sie die Kiefer geschlossen hielt. „Als wir die Räuber besiegten, wurden unsere Gelege größer. Wir fanden nicht mehr genug Nahrung für unsere Brut, begannen sie bei anderen Gelegen zu stehlen. Gelege kämpfte gegen Gelege.“

      Olud nickte betrübt. „Du hast es beendet, Große Mutter.“

      „Nach dem Willen der Göttin.“ Shanaii-Doras-Sha legte für einen Augenblick den rechten Vorderlauf Ehrfurchtsvoll über ihre Augen, machte sich so symbolisch blind und schutzlos, und Olud folgte rasch ihrer Geste, bis die Große Mutter ihn erneut ansah. „Sie gab mir die Kraft, die endlosen Kriege der Gelege zu beenden und unser Volk endlich zu einen.“

      „Der Göttin des Eis sei Dank“, murmelte Olud.

      Die Herrin der Raan lächelte. „Ja, der Göttin sei Dank.“ Sie stieß das kleine Männchen auffordernd an und wies erneut um sich. „Was siehst du, Olud-Sha?“

      „Ich

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