Gerrit aus Neukölln. Manfred Rehor

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Gerrit aus Neukölln - Manfred Rehor

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nicht beeindruckt. Er zeigte zwei Finger seiner rechten Hand. Die Fingerkuppen fehlten. „Two weeks.“

      „Aber ... but ... you know that I am new in this business ...“

      Ohne Vorwarnung rammte der Zuhälter Gerrits Vater die Faust in den Bauch.

      Jürgen Klein taumelte zurück, würgte und richtete sich unter Schmerzen wieder ein wenig auf. „Okay, two weeks“, stammelte er. Der Zuhälter zeigte zur Tür. Jürgen verließ zusammengekrümmt mit unsicheren Schritten die Bar.

      Durch die Straßen schleppte er sich zurück zu seinem Hotel. Um die Passanten kümmerte er sich nicht. Die sahen in ihm vermutlich nur einen weiteren betrunkenen Touristen. Als er in bessere Viertel kam, begegnete er einer Gruppe gutgekleideter Deutscher. Sie sahen aus wie Lehrerehepaare auf einer Studienreise. Er hörte, wie sie sich empört über ihn äußerten. Solche Leute ruinieren den Ruf der Europäer in dieser schönen Stadt, sagten sie. Als wären sie selbst mit ihrem neureichen Gehabe nicht ebenso störende Fremdkörper in dieser Kultur.

      Nur allmählich ließen der Schmerz und die Übelkeit nach. Jürgen Klein war ein zäher Bursche, so schätzte er sich jedenfalls ein. Deshalb versuchte er, sobald es ging, die Folgen des Tiefschlags zu ignorieren. Er dachte an die Zukunft, die er sich so schön ausgemalt hatte. Nun war sie wegen dieser einen dummen Sache gefährdet.

      Es war eine bescheidene Summe, die er dem Zuhälter schuldete. Aber wenn er sie nicht bezahlte, waren seine glänzenden Aussichten hier in Bangkok schon wieder vorüber. Vergleichsweise bescheiden kam ihm diese Summe jedenfalls vor. Denn demnächst, vielleicht in wenigen Monaten schon, würde er ein Vielfaches davon verdienen. Aber so viel Zeit hatte er nicht. Was blieb, war die Hoffnung, Geld aus Deutschland zu bekommen.

      Gerrit war jetzt wie alt? - Jürgen rechnete nach und kam so ungefähr auf achtzehn oder neunzehn, aber sicher war er sich nicht. Jedenfalls alt genug, um Geld zu verdienen. Es sollte in Deutschland eine Kleinigkeit sein, die paar tausend Dollar zusammenzubekommen. Jedenfalls redet sich Jürgen das ein. Vor allem, wenn der Junge auch nur ein wenig vom Geschäftssinn seines Vaters geerbt hatte. In Euro war es ja sogar noch weniger, weil der Kurs so gut stand.

      Kein Problem also, eigentlich. Hoffentlich parierte Gerrit. Schließlich hatte Jürgen ihm regelmäßig Briefe geschrieben, um ihn sich warmzuhalten. Als Rückversicherung für genau solche Fälle.

      Als Jürgen Klein sein schmuddeliges Hotel erreichte, war er schon wieder zuversichtlich. Würde schon alles klappen, hatte ja immer geklappt!

      Gerrit fühlte sich wieder sicher, nachdem er eine Weile unbehelligt geblieben war. Unten an der nächsten Kreuzung entdeckte er noch eine Kneipe. Neuköllner Eck nannte sie sich. Sie unterschied sich von außen nicht von allen anderen Kneipen in den einfachen Wohnbezirken Berlins. Trotzdem war Vorsicht angebracht, wie das Erlebnis in dem Nachtklub eben wieder gezeigt hatte. In einer Studentenkneipe musste man anders vorgehen, als in einer normalen Kiezkneipe. Und wenn man als Sechzehnjähriger nachts eine Schwulenbar betrat, dann war es besser, man war darauf vorbereitet.

      Gerrit öffnete die Kneipentür nur einen Spalt weit und warf einen Blick in den Schankraum. Schlechte Luft, gesättigt von Zigarettenqualm, kam ihm entgegen. Eine Stereoanlage spielte Volksmusik. Nur noch an wenigen Tischen saßen Gäste. Es waren ältere Männer, von denen vermutlich keiner mehr nüchtern war. Einige brüteten schweigend über ihr Glas Bier gebeugt vor sich hin. Andere stritten lautstark über Skatregeln.

      Nicht die Kundschaft, die Gerrit suchte, aber er durfte nicht wählerisch sein. Er drückte die Tür ganz auf und ging hinein.

      Der kahlköpfige Wirt spülte Gläser. Er machte ein grimmiges Gesicht, sagte aber nichts. Gerrit würde ihn im Auge behalten. Nun galt es herauszufinden, was hier am einfachsten loszuschlagen war: ein Handy, eine Digitalkamera, ein MP3-Player oder etwas Anderes.

      An einem Ecktisch saßen zwei Männer und redeten über Fußball. Einer rauchte und trank Bier. Der andere hatte drei leere Schnapsgläser und ein volles vor sich stehen. Gerrit ging zu ihrem Tisch und hörte zu.

      „... und dann das Tor, wa!“

      „Hertha ist für mich die Nummer eins.“

      „Wollja. Immer gewesen. Prost.“

      Das waren ideale Opfer: betrunken, gut gelaunt, gelangweilt. Sie diskutierten weiter über das letzte Spiel, das Hertha BSC mit viel Glück für sich entscheiden konnte. Gerrit hatte in seiner Sporttasche genau das Richtige für sie. Aber nun galt es, sich keinesfalls aufzudrängen. Also blieb er einfach wie absichtslos in ihrer Nähe stehen.

      Es dauerte eine Weile, bis die Männer ihn bemerkten. „Wat willste denn, Kleiner?“

      „Ich bin auch Hertha-Fan“, behauptete Gerrit. Stimmte zwar nicht, aber wer verkaufen will, muss seinen Kunden nach dem Mund reden. Das hatte er schnell gelernt auf seinen nächtlichen Touren.

      „Recht so. Ist aber kein Grund, hier Wurzeln zu schlagen.“

      „Ich habe da ein Problem: Weil ich Geld brauche, muss ich mein Handy verkaufen.“ Gerrit öffnete seine Tasche. Hoffentlich achteten die Männer nicht auf das Bayern-München-Logo, das auf ihr prangte. Er nahm ein Handy heraus, das eine Oberschale in den Vereinsfarben von Hertha BSC hatte. „Toll, was?“

      „Geiles Teil“, gab der Biertrinker zu. „Soll‘n das kosten?“

      „Achtzig. Sind noch zehn Euro Guthaben drauf.“

      „Achtzig? Da müsste ich ja erst einen Kredit beantragen.“

      Sein Kumpel trank das Schnapsglas leer und mischte sich ein: „Vorsicht, das riecht nach Betrug! Ist das wirklich dein Handy, Junge?“

      „Ich schwöre!“ Auch das gehörte zum Geschäft. Ein Schwur wirkte besonders bei Ausländern, aber auch Deutsche nahmen einen dann ernster. Gerrit schaltete das Handy ein und hielt es dem Biertrinker hin.

      Die Skatspieler am Nachbartisch hatten ihren Streit beigelegt und sich auf einen Gewinner geeinigt. Sie standen auf und kamen heran, um zu sehen, was los war.

      Der Biertrinker nahm das Gerät und drehte es unschlüssig hin und her. „Eigentlich habe ich schon ein Handy“, sagte er.

      „Probieren Sie es doch mal aus“, ermunterte ihn Gerrit. „Vielleicht können Sie jemanden ärgern, wenn Sie ihn jetzt in der Nacht anrufen.“

      „Jau! Ich weiß, was ich mache!“, rief der Mann und sein Gesicht leuchtete auf. „Ich rufe meine Alte an, die schläft bestimmt schon.“ Er tippte eine Nummer ein und wartete. Dann säuselte er mit verstellter Stimme ins Handy: „Guten Abend, gnädige Frau. Ich würde gerne Ihren Herrn Gemahl sprechen. ... Wie bitte?“ Er schaltete das Handy ab, bevor er mit normaler Stimme fortfuhr: „Sie sagt, ich sei saufen, und ich soll morgen wieder anrufen.“

      Die ganze Runde lachte. Gerrit lachte mit, denn bei guter Stimmung war ein Verkaufserfolg fast garantiert.

      Der Schnapstrinker griff nach dem Handy. „Mal sehen, was meine Olle sagt.“ Er wählte und wartete. Offenbar meldete sich seine Frau nicht.

      „Ja, wo isse denn?“, lästerte einer der Skatspieler. „Sitzt wohl nicht zu Hause und wartet auf Männe, wa?“

      Das Gelächter der Männer dröhnte durch die Kneipe, dass Gerrit die Ohren schmerzten.

      Ein paar Minuten

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