Gerrit aus Neukölln. Manfred Rehor

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Gerrit aus Neukölln - Manfred Rehor

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unterschrieben hatte, stand er auf und wollte gehen.

      Ein Polizist hielt ihn zurück. „Wir werden am besten Ihre Eltern informieren. Die können Sie dann von hier abholen“, sagte er. „Die werden sich schon Sorgen machen.“

      Gerrit lehnte das ab und sagte, er könne zu Fuß nach Hause gehen.

      Das wiederum passte Mickey nicht, er hatte Anderes vor. Ganz in der Pose des fürsorglichen Beamten sagte er: „Ich werde den Jungen nach Hause bringen. Da kann ich dann seiner Mutter gleich erklären, was passiert ist und sie beruhigen.“

      „Gute Idee“, meinten seine Kollegen.

      Gerrit war anderer Meinung. Aber er sagte nichts, sondern ging mit verkniffenem Gesicht neben Mickey hinaus auf die Straße. Jetzt hätte er abhauen können, aber das wäre natürlich sinnlos gewesen. Er stieg in den Wagen und ließ sich nach Hause kutschieren.

      Die Peinlichkeiten fanden noch kein Ende. Mickey hielt Gerrit fest an der Schulter gepackt, als er ihn aus dem Aufzug heraus vor die Wohnungstür schob. „Dorthin!“, forderte er, als müsste er einem Gefangenen erklären, wo es lang geht. Er blieb hinter Gerrit stehen, streckte den Arm an ihm vorbei und drückte den Klingelknopf: zweimal kurz, einmal lang.

      Gerrit wusste genau, wie jetzt drinnen seine Mutter mit strahlendem Lächeln aufsprang und zur Tür rannte. Und schon ging die Tür auf und sie stand im hellgrünen Morgenmantel vor ihnen.

      Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als sie ihren Sohn von oben bis unten musterte. „Gerrit! Wo hast du die Schrammen her? Was hast du diesmal angestellt?“, jammerte sie.

      „Hallo, Mama.“

      Mickey langte über ihn hinweg, zog Rosa zu sich und küsste sie. „Guten Morgen, Schatz“, sagte er. „Ich habe ihn auf der Straße gefunden. Er hat sich mal wieder geprügelt.“

      In seinem Hotelzimmer in Bangkok wurde Jürgen Klein durch heftiges Klopfen an der Tür geweckt. Er schlief häufig tagsüber, weil es dann in der Stadt zu drückend war, um viel zu unternehmen. Schlaftrunken stand er auf und tappte die paar Schritte zur Tür hinüber. Er streckte die Hand aus, um sie zu öffnen. Da fiel ihm ein, dass er endlich lernen sollte, vorsichtiger zu sein.

      „Wer ist da?“, fragte er und stellte sich neben die Tür, um aus der Schusslinie zu sein.

      „Siripanya Rayankoon.“

      Von außen wurde ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und im nächsten Moment öffnete sich die Tür. Der Besitzer des Hotels stand vor Jürgen. Der Mann war klein, hatte aber einen großen Kopf. Sein Gebiss sah aus, als könne er Stahlträger damit zerteilen. Willkommene Gäste strahlte er damit an. Weniger willkommene fühlten sich aber eher an ein Raubtier mit gefletschten Lefzen erinnert.

      „Kommen Sie herein“, sagte Gerrits Vater, obwohl das überflüssig war.

      Rayankoon inspizierte bereits das Zimmer. Was auch immer der Hotelbesitzer suchen mochte, er fand es nicht. Also wandte er sich an Jürgen und herrschte ihn an: „Wann bezahlen Sie?“

      Rayankoon hatte lange in Deutschland als Koch gearbeitet und sprach recht flüssig Deutsch. Das war der Hauptgrund, warum Jürgen sich hier eingemietet hatte. Eine Wohnung irgendwo in einem Randbezirk von Bangkok wäre billiger gewesen. Aber mit seinen geringen Sprachkenntnissen war er dort verloren. Er war auf jemanden angewiesen, der ihn verstand. Leider überstiegen die Kosten eines Hotelzimmers auf Dauer seine finanziellen Möglichkeiten.

      „Das Geld kommt in den nächsten Tagen“, behauptete Jürgen möglichst zuversichtlich. „Mein Sohn überweist es. Sie wissen ja, Gerrit aus Berlin. Hat einen tollen Job dort und unterstützt mich, bis meine Geschäfte hier besser laufen.“ Diese Versprechungen hatte er dem Thailänder schon oft gemacht. Manchmal kam auch etwas von Gerrit. Dann wurde ein Teil der Schulden abgetragen, um nicht aus dem Hotel zu fliegen.

      Rayankoon nickte. „Acht Wochen sind noch offen. Meine Frau jammert, wenn sie die Buchhaltung macht, weil Sie nicht zahlen. Und mein Hotel verursacht Kosten, Kosten, Kosten. Wenn Sie bis Ende des Monats nicht alles bezahlt haben, müssen Sie ausziehen.“

      „Klar, ich habe verstanden“, sagte Jürgen begütigend. „Ich werde meinem Jungen Bescheid sagen. Er soll mir mehr als üblich schicken. Dann regeln wir das. Außerdem sollten Sie eines nicht vergessen: Ein Teil meiner Kunden wohnt in diesem Hotel. Da verdienen Sie doch auch daran.“

      „Deutsche sind ehrliche Leute“, behauptete der Thailänder, während er zur Tür ging. „Zahlen immer ihre Rechnung. Nur deshalb lasse ich Sie überhaupt noch hier wohnen.“

      „Ja, wir sind zuverlässig und ehrlich, ganz bestimmt. Ich bezahle.“ Jürgen schloss die Tür hinter ihm. Ein Glück, dass der Kerl so sentimental an seine Zeit in Deutschland zurückdachte.

      Aber Gerrit wurde langsam zu einem Problem. Warum schickte der Bengel nicht mehr Geld? Jürgen Klein hielt nicht viel von seinem Sohn, dazu kam Gerrit viel zu sehr nach seiner Mutter. Gerrit hat einfach nicht meinen Geschäftssinn, dachte Jürgen. Manchmal hatte er sogar den Verdacht, Gerrit sei gar nicht sein Sohn. Einer so gefühlsduseligen Frau wie Rosa war schließlich auch ein Seitensprung zuzutrauen.

      In solchen Situationen wie heute, wenn Jürgen völlig von Gerrit abhängig war, hasste er ihn geradezu. Irgendwann würde er ihn nicht mehr brauchen. Dann würde er ihn genauso eiskalt stehenlassen, wie er es bei Rosa getan hatte. Dieser Typ Mensch war einfach unbrauchbar.

      Aber noch benötigte er Gerrits Unterstützung, noch musste er sich den Jungen warmhalten. Deshalb hatte er auch den Brief, der jetzt unterwegs war, mit besonderer Sorgfalt formuliert. Der hatte hoffentlich die gewünschte Wirkung.

      Wie ein Gauner in einem Polizistenhaushalt fühlte sich Gerrit, seit Mickey sich an seine Mutter herangemacht hatte. Völlig fehl am Platz also. Und wenn sie sich so ausgiebig abknutschten, dann sowieso. Jetzt galt es, Mickeys Schikanen und dem täglichen Streit beim Frühstück zu entgehen.

      Gerrit drängte zwischen den beiden durch in die Wohnung hinein und ging ins Badezimmer. Er zog seine dreckigen Klamotten aus, ließ sie fallen, wo er stand, und wusch sich Hände und Gesicht. Jede Bewegung tat ihm weh, aber damit konnte er sich abfinden.

      In der Ecke des Badezimmers lagen Mickeys Kurzhanteln. Gerrit griff danach. Er wollte sich selbst beweisen, dass er trotz der Missgeschicke dieser Nacht ein echter Kerl war. Aber Mickey hatte neue Gewichte aufgeschraubt. Gerrit kippte fast vornüber und musste die Hanteln wieder auf die dicke Matte fallen lassen. Das gab ihm den Rest. Niedergeschlagen verließ er das Bad.

      Jetzt schnell ins eigene Zimmer gehen und sich einschließen. Das war eine lächerliche Verhaltensweise, dessen war sich Gerrit bewusst. Als Kind hatte er sich so vor den seltenen Schimpfereien seiner Mutter in Sicherheit gebracht. Und vor ihren viel häufigeren Weinanfällen. Wenn seine Mutter heulte, empfand er das immer auch als Angriff auf sich. So, als hätte ausgerechnet er die Schuld an allem Elend dieser Welt.

      Im Flur fing ihn seine Mutter ab. Gerrit spürte natürlich seine Schürfwunden im Gesicht und am Körper und die blauen Flecke. Er hatte sie auch im Spiegel gesehen. Aber nun fielen sie seiner Mutter auf. Sie entdeckte sogar Blut auf seinen Armen.

      Sie schrie nur ein Wort: „Mickey!“

      Gerrit wollte kehrt machen, aber Rosa hielt ihn fest. Mickey kam, ebenfalls nur in Unterhosen, aus dem Schlafzimmer. Er warf einen abschätzigen Blick auf Gerrit und ließ seine Muskeln spielen, die er reichlich besaß. Dann machte er eine

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