Gerrit aus Neukölln. Manfred Rehor

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Gerrit aus Neukölln - Manfred Rehor

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Mehr wird es nicht“, sagte er.

      „Geht in Ordnung.“ Schnell griff sich Gerrit das Geld und steckte es in seine Sporttasche. „Schönen Abend noch.“

      Er warf noch einmal dem Wirt einen Blick zu. Der spülte weiter Gläser und interessierte sich nicht für ihn. Vermutlich war es dem gerade Recht, seine Gäste in guter Laune noch eine Weile hier zu behalten. Das ginge nicht, wenn er sie vor der Hehlerware warnte oder gar die Polizei rief.

      Draußen auf der Straße sah Gerrit sich um. Niemand in der Nähe. Wahrscheinlich hatten die Verfolger aufgegeben. Umso besser. Das eben in der Kneipe war so gut gelaufen, da konnte er jetzt nicht aufhören. Am nächsten Straßeneck, zweihundert Meter weiter, war wieder ein Lokal. Gerrit machte sich auf den Weg.

      Das Schild neben dem Eingang verhieß Dart, Billard und Sportfernsehen. Es war vermutlich wieder eine ganz normale Eckkneipe. Gerrit rüttelte an der Tür. Verschlossen. Enttäuscht wandte er sich ab - und sah drei Jugendliche vor sich stehen, etwas älter als er. Seine Verfolger hatten ihm hier aufgelauert. Sie hatten ihn dabei beobachtet, wie er von Kneipe zu Kneipe zog. Also verfolgten sie ihn nicht weiter, sondern passten ihn hier ab.

      Gerrit verschwendete keine Zeit mit Fragen. Er gab dem ihm nächststehenden Jungen einen Stoß und rannte an ihm vorbei. Gerrit war sich seiner Vorteile bewusst: Er war klein, leicht und vom Typ her ein Sprinter.

      Aber er hatte die Tasche bei sich, die ihn behinderte, und er war morgens um drei nicht mehr topfit. Als sich jemand von hinten gegen ihn warf, wusste er, dass er verloren hatte, und ließ sich fallen. Er war unbewaffnet, aus Prinzip und weil er sich vor Waffen fürchtete. Blieb nur die Frage, ob seine Gegner das respektierten.

      Die Jungs gingen schnell und geschickt vor. Zwei knieten sich auf Gerrit und drückten ihn auf den Asphalt, was ihm höllisch weh tat. Der dritte öffnete die Sporttasche. Das Gesicht dieses Jungen konnte Gerrit nicht erkennen. Es war unter einem Schal oder Tuch versteckt.

      „Ist noch etwas drin“, stellte dieser Junge fest. Seine Stimme hatte einen Akzent, den Gerrit nicht zuordnen konnte. „Sogar Geld. Macht ihn fertig.“

      „Sollen wir nicht erst herausbekommen, wer er ist?“, wollte einer von denen wissen, die Gerrit am Boden hielten.

      „Uninteressant“, sagte der Anführer.

      Gerrit bekam von ihm einen Tritt in die Seite. Eigentlich konnte er jetzt nur noch um die Gnade seiner Gegner bitten. Doch dieses eine Wort „uninteressant“ schmerzte ihn mehr als die Tritte und Schläge. Überfallen und ausgeraubt zu werden - okay, das konnte passieren. Aber dann als uninteressant eingestuft zu werden, das ging so nicht hin.

      Verbissen versuchte er, sich aus den Griffen seiner Feinde zu entwinden. Zunächst ohne Erfolg. Sie begannen, zu dritt auf ihn einzuprügeln. Aber wenn sie glaubten, ihr Opfer sei jetzt schon wehrlos, dann irrten sie sich. Gerrit kämpfte weiter - und er kämpfte unfair. Er biss den einen in die Wade und stieß dem anderen den Fuß in den Bauch. Schon sah die Lage anders aus.

      Als es ihm dann noch gelang, dem Anführer eins auf die Nase zu geben, stieß Gerrit ein triumphierendes Geheul aus. Der Anführer sprang aufschreiend zurück. Ein Blutfleck erschien auf dem Tuch vor seinem Gesicht. Gerrit war plötzlich frei. Er schnellte hoch und machte sich bereit, den Dreien eine Lektion zu erteilen.

      Doch im nächsten Moment blendeten ihn die Scheinwerfer eines Autos. Seine Gegner nutzten den Sekundenbruchteil, in dem er deswegen irritiert war. Sie brachten ihn wieder zu Fall. Ein paar Fußtritte, dann ließen sie von ihm ab und rannten mit seiner Tasche davon.

      Direkt neben Gerrit hielt der Wagen. Ein Mann stieg aus.

      Gerrit war kotzübel, er bekam kaum noch Luft. War das ein neuer Gegner? Er sah ein Paar blank polierte Schuhe auf sich zukommen. Mühsam stemmte er sich hoch. Er sah eine Uniformhose, die stämmige Figur eines Polizeibeamten und schließlich dessen Gesicht.

      „Scheiße!“, stöhnte Gerrit. „Verpiss dich, Mickey.“

      Kapitel 2

      Gerrit wehrte sich nicht, als er von Mickey gepackt und in den Streifenwagen gedrängt wurde.

      Mickey nahm keine Rücksicht auf Gerrits Verletzungen. Er fragte auch nicht, wie es ihm ging. Stattdessen hielt er ihm während der Fahrt einen Vortrag. Und zwar über junge Dummköpfe, die sich nicht ihrer Haut wehren können.

      Das schmerzte Gerrit mehr als seine Prellungen, aber er hielt eisern den Mund. Das Einzige, was Mickey wirklich ärgern konnte, war, wenn man so tat, als sei er gar nicht da. Gerrit nahm sich vor, das bis auf weiteres durchzuhalten.

      Mickey fuhr direkt zur Polizeiwache. Damit hatte Gerrit nicht gerechnet. Welche Gemeinheit hatte der Kerl sich nun wieder ausgedacht?

      Der große alte Steinbau, der aussah wie eine Festung, wirkte jetzt in der Nacht noch düsterer als tagsüber. Gerrit musste aussteigen und die geschwungene Treppe hoch zu den Büros gehen. Mickey blieb dabei immer hinter ihm, vielleicht um zu verhindern, dass er abhaute.

      „Was ist denn das für einer?“, wurden Gerrit und Mickey von einem älteren Beamten begrüßt. Der Mann saß an einem schäbigen Schreibtisch und schälte mit seinem Taschenmesser einen Apfel. Hinter ihm blubberte die Kaffeemaschine.

      „Werden wir herausfinden“, antwortete Mickey.

      Gerrit wunderte sich immer mehr über Mickeys Verhalten. Alles ging ganz professionell zu. Vermutlich wie bei jedem beliebigen Typen, der von der Polizei aufgegriffen wurde. Allerdings hatte Gerrit bisher keine Erfahrung mit solchen Prozeduren. Es wurde ein Protokoll aufgenommen, mit Personendaten und allem Drum und Dran.

      Lange konnte Gerrit sein Schweigen nicht durchhalten. Zwar redete er nicht mit Mickey, aber dessen Kollegen musste er notgedrungen antworten. Gerrit stellte als Erstes klar, dass er das Opfer war. Er wollte gefälligst nicht wie ein Verbrecher behandelt werden. Unbekannte hätten ihn überfallen. „Nein, gestohlen wurde mir nichts“, log er.

      „Und? Was weiter?“, wollte der ältere Beamte wissen.

      „Nichts weiter“, beharrte Gerrit. „Kann ich jetzt nach Hause gehen?“

      „Noch nicht. Es wurde also ein beabsichtigter Diebstahl durch das besonnene Eingreifen von Kriminalhauptmeister Michael Schmidt verhindert“, sagte der Beamte, während er das so aufschrieb.

      Gerrit biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Er war nicht bereit, Mickey hier als Helden ins Protokoll aufnehmen zu lassen.

      „War wohl so“, antwortete Mickey an seiner Stelle. Er gab Gerrit einen Knuff in die Seite. Genau dorthin, wo vorhin der Schuh eines der Angreifer getroffen hatte.

      Das Zusammenzucken von Gerrit verstand der Protokoll führende Polizist als Nicken. „Schön, wäre das festgehalten. Weiter. Sie haben wirklich keinen der drei Täter gut genug gesehen, um ihn beschreiben zu können?“

      Quälende zwei Stunden zog sich die Prozedur hin. Weitere Beamte kamen dazu, die offenbar froh waren über die Unterbrechung ihrer langweiligen Nachtschicht. Immer neue Fragen dachten sie sich aus, als wollten sie gar nicht mehr damit aufhören. Gerrit antwortete nur ausweichend. Mickey mischte sich kaum ein.

      Am frühen Morgen endete die Befragung. Obwohl er todmüde war, fiel Gerrit eine Besonderheit auf: Es war nirgends im Protokoll eine private Beziehung zwischen Mickey

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