Gerrit aus Neukölln. Manfred Rehor

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Gerrit aus Neukölln - Manfred Rehor

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      Der Junge bummelte mit seiner Freundin zum Einkaufszentrum und dort durch verschiedene Geschäfte. Er schien sich zu langweilen. In der Computerabteilung des Elektronikmarktes bekam er Ärger mit einem Verkäufer. Yuri stand so nahe bei ihm, dass der Junge sogar gegen ihn stieß, als er auf den Verkäufer losgehen wollte.

      Dann ging der Kerl ins Reisebüro. Hatte der durch seinen Job für Ahmed genug Geld verdient, um mit seiner Freundin zu verreisen? Yuri konnte es nicht fassen. Das Geld aus illegalen Tätigkeiten musste abgeschöpft werden. Die Verkäufer durften gerade genug verdienen, um sie bei der Stange zu halten, keinesfalls mehr. Ahmed ließ die Zügel ziemlich schleifen. Das würde sich ändern, wenn Yuri erst einmal an seiner Stelle war.

      Gerrit und Janine streiften durch die Etagen des Einkaufszentrums. Als Erstes betraten sie ein Modegeschäft, das Janine liebte. Gerrit hasste es, weil er sich dort fast zu Tode langweilte. Dann schlenderten sie durch die Spieleabteilung des Elektronikmarktes. In der konnte Gerrit halbe Tage verbringen, während Janine die Hektik der Spiele nicht mochte.

      Gemeinsam mit ihr begeisterte er sich für die Technikabteilung. Dort gab es riesige Fernsehgeräte und tolle Stereoanlagen, die neuesten MP3-Player und auch Computer. Gerrit hatte nicht die geringste Ahnung von Computern. Er besaß nur eine Spielkonsole. Aber PCs faszinierten ihn. Vielleicht eben weil er sie nicht verstand.

      Gerrit zog Janine zu einem der zu Demozwecken laufenden Computer. Allerdings waren sie schon zu oft hier gewesen. Man kannte sie. Sofort kam ein junger Verkäufer heran.

      „Finger weg! Verschwindet hier, wir sind keine Kita.“

      Gerrit ließ das von sich abblitzen. Er wusste, dass der Verkäufer ihn nicht rauswerfen durfte. Aber Janine zeigte mehr Temperament. Sie fühlte sich stark, wenn sie mit Gerrit zusammen war. Sie streckte dem Verkäufer die Zunge raus.

      „Oh, Klasse“, sagte der prompt grinsend. „Leck mich, Kleine, da steh ich drauf.“ Dabei schwenkte er obszön die Hüften.

      Janine wurde rot vor Scham und Gerrit blass vor Wut. Was glaubte dieser Kerl eigentlich, wer er war? Nur weil er so schnöselige Verkäuferklamotten anhatte, durfte der sich doch nicht alles herausnehmen! Gerrit machte einen Schritt auf den Verkäufer zu und rempelte dabei einen anderen Kunden an.

      Janine wollte keinen Streit. Sie packte den widerstrebenden Gerrit mit überraschender Kraft und zog ihn mit sich davon. „Lass sein, hat doch keinen Sinn“, sagte sie leise zu ihm.

      Gerrit sah noch, wie der Verkäufer mit einem Lappen das Gerät polierte, als hätte er es beschmutzt. Gerrit versuchte sich von Janine loszureißen, um zu dem Kerl hinzurennen und ihm einen Tritt zu verpassen. Aber da kam eine ältere Verkäuferin mit finsterer Miene auf die beiden zu. Offenbar war das eine Vorgesetzte, die den Vorfall beobachtet hatte. Schon ihr Aussehen genügte: Gerrit gab klein bei und folgte Janine.

      So erniedrigt worden war er schon lange nicht mehr. Gerrit stellte sich vor, wie er fürchterlich Rache nehmen würde an dem Verkäufer. Und an dem Geschäft. Und überhaupt an allem auf der Welt. Aber zur Welt gehörte auch Thailand. Auf dem Weg hinunter ins Erdgeschoss kam ihm eine Idee, die ihn von seinem Zorn ablenkte: „Hier gibt es doch auch ein Reisebüro. Da gehen wir hin.“

      Es waren keine Kunden in dem Reisebüro. Die einzige Angestellte blätterte gelangweilt in einem Katalog.

      „Ich will einen ...“, begann Gerrit, aber er bekam von Janine einen Stoß und korrigierte sich: „Könnte ich bitte einen Prospekt von Thailand bekommen?“ Janine schämte sich nämlich, wenn Gerrit allzu unhöflich war. Oder jedenfalls das, was sie so empfand.

      Die Angestellte musterte ihn. Dann zog sie wortlos ein buntes Heft aus einem Schuber und reichte es ihm hin. Anschließend vertiefte sie sich wieder in den vor ihr liegenden Katalog.

      „Danke“, sagte Janine an Gerrits Stelle.

      Draußen setzten sie sich auf das Geländer am Straßenrand. Sie sahen zur Straße hin, um die Sonne zu genießen.

      „Da ist mein Vater jetzt“, sagte Gerrit. Er zeigte Janine die wunderschönen Strandbilder in dem Prospekt.

      Sie deutete sofort auf die Preise: „Du, das kostet ja zehn Mal mehr als Mallorca.“

      „Na, und? Ist eben viel schöner.“

      Janine glaubte das nicht. Mallorca war nämlich ihr Traumziel. „Pfff!“, machte sie nur.

      Gerrit sah auf seine Uhr und sprang auf: „Ich bin spät dran!“ Er rannte los.

      „Warte“, rief Janine ihm nach.

      „Beeil dich!“, schrie er zurück, ohne sich umzudrehen. Aber er wurde langsamer und ließ ihr Zeit, ihn einzuholen.

      Yuri sah seine Chance gekommen, als sich der Junge mit dem Rücken zu ihm auf das Geländer setzte und in dem Prospekt blätterte. Für einen Moment war niemand in der Nähe. Wenn er dem Kerl jetzt einen kräftigen Tritt in den Rücken gab, würde der mitten in den Straßenverkehr kugeln!

      Doch gerade, als Yuri den Fuß hob, sprang der Junge auf, rief seiner Freundin etwas zu und rannte davon. War Yuri erkannt worden? Hoffentlich nicht, denn er hatte noch einiges vor im Norden Neuköllns. Yuri wollte dafür sorgen, dass sein Name allgemein bekannt war, bevor man sein Aussehen kannte!

      Kapitel 4

      Schon von weitem sah Gerrit den gelben Rollwagen des Briefträgers vor der Haustüre stehen. Gerade noch erwischt! Das war jedes Mal ein Glücksspiel. Schließlich konnte Gerrit nicht den ganzen Vormittag auf der Lauer liegen. Oder genauer gesagt: Er wollte das nicht mehr tun. Früher, als er noch zur Schule gegangen war, hatte er oft Stunden geschwänzt, nur um an der Ecke auf den Briefträger zu warten. Aber den zusätzlichen Kick des Schuleschwänzens gab es nicht mehr. Gerrit verbrachte seine Zeit jetzt lieber angenehmer.

      „Warte hier“, forderte er Janine auf. Bei schnellen Aktionen war sie ihm im Weg. Schon deshalb, weil sie bei jedem zweiten Schritt fragte, um was es eigentlich ging. Gerrit rannte weiter bis zum Hauseingang.

      Mit einem gewaltigen Ruck drückte er Haustüre auf. Das war er so gewohnt. Er sparte sich gerne den Aufwand, den Schlüssel aus seiner Hosentasche zu kramen. Im Hausflur standen der Briefträger, die unvermeidliche Frau Schmitz und Mickey beisammen. Mickey trug einen Trainingsanzug und sah gar nicht wie ein Beamter aus. Alle drei starrten Gerrit überrascht an.

      Gerrit erfasste die Lage mit einem Blick. Mickey hatte bereits mehrere Briefe in der Hand. Gerrit sprang ihn an, entriss ihm die Briefe und rannte davon. Mickeys Flüche und das Schimpfen von Frau Schmitz hallten ihm nach. Dann war er wieder auf der Straße. Für einen Moment blieb er stehen und sah die Briefe durch. Einer hatte einen hellblauen Luftpostumschlag.

      In dem Moment war Mickey bei ihm: „Verdammt, gib her!“

      „Hol ihn dir, wenn du kannst!“ Gerrit sprang beiseite. Er hielt triumphierend den Luftpostbrief hoch und warf Mickey die anderen Briefe ins Gesicht. Der versuchte instinktiv, sie zu fangen, und als sie auf dem Boden landeten, bückte er sich schimpfend nach ihnen. Das verschaffte Gerrit genügend Vorsprung, um hinter der nächsten Ecke zu verschwinden. Er rannte zurück zu Janine.

      Doch die stand nicht mehr an der Stelle, wo Gerrit sie verlassen hatte. Das sah ihr nicht ähnlich. Normalerweise war sie die Zuverlässigkeit in Person. Gerrit rannte um ein weiteres Hauseck herum. Dort stieß

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